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Streit über Entschädigungen

Die nepalesischen Bergführer haben nach dem Tod von 16 Kollegen den Druck auf die Regierung erhöht. „Wir haben nach einer langen Sitzung an diesem Nachmittag beschlossen, zu Ehren unserer gestorbenen Brüder unsere Bergtouren einzustellen“, sagte der Bergführer Tulsi Gurung am Dienstag im Basislager. Nun will die Regierung einlenken.

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Diese Saison droht es auf dem Berg jedoch sehr still zu werden. „Alle Sherpas stehen hinter dieser Entscheidung“, sagte Gurung. Auch ein US-Bergsteiger bestätigte am Dienstag den Streikplan. Einige der Führer hätten das Basislager bereits verlassen. Für die Himalaya-Region wäre ein Streik der lokalen Bergführer eine wirtschaftliche Katastrophe. Jährlich versuchen Hunderte Bergsteiger aus aller Welt den strapaziösen Aufstieg zum 8.848 Meter hohen „Dach der Welt“ und lassen sich dieses Abenteuer auch einiges kosten.

Träger mit schwerer Last am Mount Everest

Reuters/Laurence Tan

Nepalesische Träger sind unverzichtbare Helfer im Himalaya-Gebirge

Für die Besteigung wurde zuletzt eine Gebühr von rund 25.000 Dollar (18.000 Euro) und eine Rücklage von 4.000 Dollar (2.900 Euro) für die Mitnahme von Müll vom Gipfel ins Basislager eingehoben. Nepal machte allein im vergangenen Jahr rund 3,9 Millionen Dollar (2,8 Mio. Euro) Gewinn mit den Gebühren der Bergtouristen. Derzeit halten sich etwa 32 Expeditionsteams in der Region auf, um sich auf einen Aufstieg Mitte Mai vorzubereiten.

Beim Vorbereiten der Route getötet

Doch nicht nur die Bergsteiger, auch die Träger begeben sich auf dem Berg jeden Tag in große Gefahr. Vergangene Woche löste sich auf 5.800 Metern Höhe im sogenannten Popcorn-Feld eine Lawine und verschüttete mehrere einheimische Bergführer, die gerade damit beschäftigt waren, die Routen zum Gipfel des Everest für die neue Saison vorzubereiten. Neun Bergführer konnten lebend aus den Schneemassen gerettet werden, 13 weitere wurden tot geborgen. Die Suche nach drei weiteren Bergführern wurde eingestellt.

Als Konsequenz forderten die nepalesischen Bergführer höhere Unfall- und Lebensversicherungen und die Einrichtung eines Hilfsfonds. Als Entschädigung für die Familien der Opfer hat die nepalesische Regierung 40.000 Rupien (rund 295 Euro) angeboten. Das hatten die Träger jedoch als lächerlich zurückgewiesen. Sie verlangten mindestens 20.800 Dollar Entschädigung und hatten der Regierung für die Nachbesserung ein Ultimatum bis nächste Woche gestellt. Mit ihrer Entscheidung beendeten sie die Verhandlungen jedoch vorzeitig.

Ein Basislager auf rund 5.000 Meter Höhe vor dem Mount Everest

Corbis/Hemis/Franck Guiziou

Basislager auf dem Mount Everest auf rund 5.400 Meter Höhe

„Denkmal für alle, die umkamen“

„Sie haben entschieden, dass es nicht nur um die Frage der Entschädigung geht. Sie haben vielmehr das Gefühl, dass sie als eine Art Denkmal für alle, die umkamen, den Mount Everest für dieses Jahr stilllegen sollten“, sagte der 67-jährige ehemalige Anwalt Ed Marzec, der ursprünglich als ältester US-Bürger den höchsten Berg erklimmen wollte. Er hatte seine Pläne bereits am Montag abgesagt, weil unter den Opfern auch ein Träger seines Teams war.

Regierung erhöht Angebot

Die nepalesische Regierung versuchte am Dienstag, die Verhandlungen wieder in Schwung zu bringen, und besserte ihr Angebot nach. So erhöhte sie die Entschädigungssumme auf 40.000 Rupien oder 415 Dollar. Auch solle ein Hilfsfonds so rasch wie möglich eingerichtet werden, heißt es in einer Erklärung aus dem Tourismusministerium in Kathmandu. Fünf Prozent der Einnahmen sollen in den Fonds fließen und damit deutlich weniger als die von den Trägern geforderten 30 Prozent.

Mehr als 400 Tote

Der höchste Berg der Welt wurde erstmals im Jahr 1953 vom Neuseeländer Sir Edmund Hillary und dem Träger Tenzing Norgay bestiegen. Seitdem standen mehr als 4.000 Menschen auf dem Gipfel. Mehr als 400 starben, zum größten Teil lokale Träger.

Die Versicherungssummen sollen von derzeit einer Million auf 1,5 Millionen Rupien erhöht werden - die Bergführer verlangten zwei Millionen Rupien. Außerdem wird ihre medizinische Behandlung mit bis zu 3.000 Euro bezahlt, sagte Madhusudan Burlakot vom Tourismusministerium. Auch ein Denkmal für die Getöteten soll errichtet werden.

Bergführer noch nicht einig

Die Nepal National Mountain Guide Association (NNMGA) versuche, zwischen den Trägern und der Regierung zu vermitteln, erklärte der Generalsekretär Pasang Sherpa auf Nachfrage der Agentur AP. Viele Träger würden aufgrund der vielen Toten heuer aber lieber auf den Aufstieg verzichten. Andere können sich ein Weitermachen nach der einwöchigen Trauerzeit vorstellen, sagte ein Mitglied der nepalesischen Bergsteigervereinigung. Bisher hätten die Männer keine gemeinsame Entscheidung gefällt.

Viele Bergsteiger verärgert

Nicht alle Bergsteiger zeigten für die Entscheidung der Bergführer Verständnis. Sie haben Zehntausende Euro gezahlt, haben lange geplant, für viele war es die erste und letzte Gelegenheit, den gefährlichen Aufstieg zum 8.848 Meter hohen „Dach der Welt“ zu wagen. Entsprechend schlecht war die Stimmung in dem Camp, wie Marzec berichtete. Einige Bergsteiger versuchten sogar, Druck auf ihre Träger auszuüben, damit sie ihnen doch noch bei ihrem Bergabenteuer beistehen.

Expeditionsleiter versuchen zu vermitteln

Zur gleichen Zeit reisten die Betreiber zweier führender Bergtourenunternehmen, Russell Brice und Alan Crampton, nach Kathmandu, um mit Vertretern des nepalesischen Tourismusministeriums über mögliche Lösungen zu beraten. Die Streichung aller Expeditionen hätte verheerende Auswirkungen auf Nepals Wirtschaft - die arme Himalaja-Region ist stark auf die Einnahmen aus dem Tourismus angewiesen. Die Regierung hat für dieses Jahr Lizenzen für 32 Expeditionen mit insgesamt 734 Teilnehmern erteilt, darunter 400 Bergführer. Diese verdienen pro Saison zwischen knapp 2.200 und 4.400 Euro.

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