„Geschmack des jungen Amerika“
Am 17. April jährt sich der offizielle „Geburtstag“ des Ford Mustang zum 50. Mal. An diesem Tag im Jahr 1964 wurde das erste Serienexemplar der Öffentlichkeit präsentiert, eingetrommelt von einer geschickten Werbekampagne. Diese war vielleicht dafür verantwortlich, dass der Mustang binnen kürzester Zeit zum Verkaufsschlager wurde. Für seinen Kultstatus brauchte es allerdings noch etwas mehr.
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„Von der Rennstrecke über die Leinwand bis in die Spielzeugkiste“ sei der Mustang im Lauf der Jahre „zu einem nachhaltigen Teil der Popkultur“ geworden, heißt es im Rückblick von Ford auf die letzten 50 Jahre - und bei dieser Behauptung muss man dem Detroiter Autokonzern wohl zustimmen. Außerdem ging es relativ rasch. Die Gründe sind vielseitig.

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Der Ur-Mustang von 1964 auf einer Einführungsrallye für die Presse
Wer immer sich auf die Suche nach dem Schlüssel zum Erfolg des Mustang macht, stößt in unterschiedlichen Retrospektiven, auch bei Ford selbst, zuallererst auf das Schlagwort „neue Zeiten“. In den 60er Jahren habe sich „Amerika verändert; neue Musik, neue Filme“. Man habe sich daher auf die Suche nach einem Modell begeben, das den Nerv dieser „neuen Zeiten“ treffen sollte.
Eine bewegte Zeit und ihre Bedürfnisse
Tatsächlich waren die 60er eine Zeit des Umbruchs, politisch wie kulturell. Mit der Kuba-Krise 1962 erreichte der Kalte Krieg zwischen den USA und der UdSSR eine neue Qualität, 1963 wurde US-Präsident John F. Kennedy ermordet, 1964 traten die Vereinigten Staaten in den Vietnam-Krieg ein, parallel dazu erhielt die Friedensbewegung immer mehr Zulauf, mit den „Swinging Sixties“ fielen gesellschaftliche Tabus. Kurz: Der Zeitgeist veränderte sich - und mit ihm die Konsumgewohnheiten, gut erkannt vom damaligen Ford-Vizepräsidenten Lee Iacocca, der oft als „Vater“ des Mustang bezeichnet wird.
Nach der Fertigstellung des ersten Prototyps 1962 ging der Mustang I 1964 in Serienproduktion, am 13. April fand die erste Pressekonferenz zum neuen Modell von Ford in New York statt. Am 17. April wurde der Mustang im Rahmen der New Yorker Weltausstellung erstmals der Öffentlichkeit in natura präsentiert.
Für Babyboomer und „junge Wilde“
„Wir haben den Mustang mit dem jungen Amerika im Hinterkopf entwickelt“, sagte Iacocca bei der Pressekonferenz am 13. April und meinte damit recht kluge Marktforschung. Er sprach von demografischen Veränderungen durch den Babyboom nach dem Zweiten Weltkrieg, vom „Geschmack der Jugend“, von Paaren, die früher heirateten und Kinder bekämen, und von grundlegend geänderten Konsumbedürfnissen. „Ein Resultat ist, dass diese (jungen Menschen, Anm.) nicht wie wir, die wir in der Depression groß geworden sind, Autos als Luxus betrachten, sondern als Notwendigkeit.“

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Ford Mustang Shelby GT, gebaut 1965, mit über 300 PS Leistung
Zu haben war der Mustang in unterschiedlichen Versionen vom knapp 100 PS starken „braven“ Viersitzer-Familiencoupe bis zum 4,7-Liter-Achtzylinder mit 270 PS als Sportwagen. Die Basisversion kostete recht günstige 2.368 Dollar (unter Berücksichtigung der Inflation hochgerechnet auf heute rund 18.000 Dollar). Heute kostet der billigste Mustang in den USA rund 22.500 Dollar (etwa 16.300 Euro).
Beispiellose Marketingkampagne
Hinter dem „Premierenerfolg“ stand aber nicht nur eine richtige Einschätzung des Marktes, sondern auch eine strategisch klug angelegte und bis dahin wohl beispiellose Marketingkampagne. Für die Markteinführung hatte Ford laut Iacocca Inserate in landesweit 2.600 Tageszeitungen geschaltet, die 75 Prozent aller US-Haushalte erreichen sollten, dazu kam ein TV-Spot, der bereits vor dem 17. April das Geheimnis Mustang unter dem Titel „The Unexpected“ (hier auf YouTube) auf Raten lüftete. Der Spot zeigte vorerst nur Details des Wagens. Darüber, dass das beginnende „Fieber möglichst hochansteckend“ sein möge, musste sich Iacocca keine ernsten Sorgen mehr machen.
Nach der Präsentation wurde landesweit mit weiteren Spots geworben. Der Erfolg übertraf die Vorstellungen bei Ford bei weitem: Am ersten Verkaufstag gingen 22.000 Bestellungen ein, im ersten Jahr wurden 418.000 Stück, bis 1966 eine Million Fahrzeuge verkauft.
Ein Mustang auf dem Empire State Building
Nach der Präsentation auf der Weltausstellung startete Ford gemeinsam mit Journalisten eine „Introduction Rallye“, die über 1.200 Kilometer von New York zurück zum Werk in Dearborn (Michigan) führte. „Die ausgedehnte Reise demonstrierte Verlässlichkeit und Belastbarkeit, lockte aber auch Massen von Schaulustigen an“, heißt es in der Ford-Chronik.
Der Hersteller ließ sich aber auch ungewöhnliche Marketingideen einfallen, damit der Mustang im Gespräch blieb. Im Herbst 1965 wurde das neue Modell ’66 Mustang Convertible in drei Teile plus Windschutzscheibe zerlegt, per Lift in den 86. Stock des New Yorker Empire State Building transportiert und dort in 320 Meter Höhe auf der Aussichtsplattform wieder zusammengebaut, um es der Presse zu präsentieren.

APA/AP/John Minchillo
Anlässlich des Jubiläums wurde auch 2014 ein Mustang auf die Aufsichtsplattform des Empire State Buildings transportiert
Nun, zum 50. Geburtstag, wiederholt sich das Spektakel nach demselben Muster: Am 16. April und 17. April ist ein 2015er-Mustang auf der Aussichtsplattform zu sehen. Die offiziellen „Geburtstagsfeiern“ dauern dann noch bis zum 20. April. Bis heute verkaufte sich der Mustang über neun Millionen Mal. Die Fangemeinde allein im Sozialen Netzwerk Facebook zählt über 6,3 Millionen Menschen.
James Bond und Steve McQueen
Einen wesentlichen Beitrag dazu, dass das Auto zur Ikone wurde, lieferte bereits in den ersten Jahren des Mustang die Populärkultur: Er tauchte in unzähligen Filmszenen auf. Seinen ersten Auftritt dürfte der Mustang schon 1964 in der Komödie „Der Gendarm von St. Tropez“ mit Louis de Funes am Steuer gehabt haben, im siebenten „James Bond“ („Diamantenfieber“) fuhr 007 Sean Connery 1971 in einer Actionszene einen Mustang Mach I (mitunter auf zwei Rädern) durch Las Vegas.

Picturedesk/Everett Collection
„Frank Bullitt“ Steve McQueen neben seinem Mustang Fastback GT
Als Klassiker schlechthin gilt allerdings eine über zehn Minuten lange Szene mit einem Mustang im Actiondrama „Bullitt“ (1968), in dem sich Steve McQueen als Polizist Frank Bullitt in einem 1968er-Mustang GT390 eine mehrminütige Verfolgungsjagd mit auf ihn angesetzten Killern in einem Dodge Charger R/T liefert. McQueen wurde bei der halsbrecherischen Verfolgungsjagd teils von einem Stuntman gedoubelt. Ford baute später sogar ein Sondermodell mit der Bezeichnung „Bullitt“.
Die Geschichte von „Mustang Sally“
Auch Musiker setzten dem Mustang Denkmäler: der französische Chansonnier Serge Gainsbourg etwa 1968 mit dem gleichlautenden Titel auf dem Album „Initials B.B.“. Bereits 1965 hatte der US-Songwriter Bonny „Mack“ Rice „Mustang Sally“ (in der Erstversion „Mustang Mama“) geschrieben, wirklich bekannt wurde der Song mit dem Cover von Wilson Pickett 1966. Etliche Interpreten wie die Blues- bzw. Rocklegenden John Lee Hooker, BB King, Buddy Guy, Eric Clapton und Bruce Springsteen hatten bzw. haben den Song, in dem es um das wilde Leben und einen nagelneuen Mustang geht („Mustang Sally, think you better slow your mustang down“), in ihren Repertoires.

ORF.at/Georg Krammer
Ewiger Konkurrent: Chevrolet Camaro (Route 66 Auto Museum, Santa Rosa, New Mexiko, 2009)
Seinen Namen hat der Mustang von der P-51 Mustang, einem US-Kampfflugzeug, die Bezeichnung „Pony Car“ wiederum kommt vom Pferdelogo bzw. Mustang als Bezeichnung für die wildlebenden Pferde Nordamerikas. Andere als „Pony Car“ bezeichnete Sportwagen waren etwa der Chevrolet Camaro und der Pontiac Firebird, gebaut ab 1966 bzw. 1967 und eingestellt 2002, wobei der Camaro seit 2009 wieder produziert wird. Einzig der Mustang „überlebte“ durchgehend in bisher sechs Generationen.
Sechs Generationen bis nach Europa
Der Mustang I wurde bis 1973 produziert (darunter der Shelby GT 350 und der Mach I als Sportversionen mit jeweils über 300 PS). 1974 kam der laut Ford „völlig neu designte“ Mustang II auf den Markt. Die Serie gab es nicht als Cabriolet. Von der zweiten Serie produzierte Ford gut 1,1 Mio. Stück. In der dritten Modellgeneration (1979 bis 1993) lief 1983 erstmals wieder ein Cabrio vom Band. Als europäisches „Pendant“ gab es damals den in Deutschland (1970 bis 1978) gebauten Ford Capri. Von 1994 (dem 30-Jahr-Jubiläum) bis 2004 baute Ford die vierte Generation als Coupe und Cabrio in drei Varianten mit einer Motorleistung zwischen knapp 150 und 220 PS. Die fünfte Generation (seit 2004) war wieder deutlich stärker motorisiert, das Coupe mit mindestens 218 PS. Seit 2014 ist in den USA die sechste Generation auf dem Markt.
Europaversionen des Mustang wurden nicht angeboten, abgesehen von einem „Gastspiel“ als Ford T5 in Deutschland zwischen 1964 und 1979. Mit dem 50-Jahr-Jubiläum soll sich das ändern. Zum Jahreswechsel 2014/2015 kommt der Mustang als Coupe und Cabrio mit Vier- oder Achtzylindermotor (2,3 bzw. 5,0 Liter Hubraum) und 310 bzw. 430 PS auf den Markt.
Georg Krammer, ORF.at
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