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Abschaffung in Österreich gefordert

Tausende Österreicher hatten dagegen geklagt, nun hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) die umstrittene Vorratsdatenspeicherung (VDS) von Internet- und Handydaten für ungültig erklärt. Laut dem Urteil verstößt die EU-Richtlinie gegen Grundrechte und muss reformiert werden. Vor allem muss die verdachtslose Speicherung von Verbindungsdaten künftig „auf das absolut Notwendige beschränkt“ werden, so der EuGH.

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Die Kritik des EuGH fiel unerwartet heftig aus, praktisch in allen beanstandeten Punkten wurde die Richtlinie für EU-rechtswidrig erklärt. Laut dem Urteil ist die Verpflichtung zur Vorratsdatenspeicherung ein Eingriff von großem Ausmaß und besonderer Schwere in die Grundrechte des Privatlebens und den Schutz personenbezogener Daten. Trotz des EuGH-Urteils bleiben die heimischen Gesetze zur Vorratsdatenspeicherung allerdings unverändert gültig, bis das laufende Verfahren des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) abgeschlossen ist.

VfGH will bis Herbst entscheiden

In einer ersten Reaktion zeigte sich dieser „zufrieden, dass der Europäische Gerichtshof unseren Bedenken gegen die Vorratsdatenspeicherung gefolgt ist“. Das VfGH-Verfahren werde jetzt fortgesetzt, bis Herbst soll entschieden werden, so VfGH-Sprecher Christian Neuwirth am Dienstag.

Grundlage für das EuGH-Urteil waren Klagen aus Österreich und Irland. In Österreich hatten die Kärntner Landesregierung, ein Angestellter eines Telekommunikationsunternehmens sowie insgesamt über 11.000 Privatpersonen im Rahmen der Bürgerinitiative Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (AKVorrat) vor dem VfGH die österreichische Regelung beanstandet. Der VfGH ersuchte in dem Rechtsstreit den EuGH um eine Vorabentscheidung.

AKVorrat: „Vorratsdatenspeicherung aufheben“

Der AKVorrat sprach von einem „historischen Urteil“. „Nun ist der österreichische Verfassungsgerichtshof am Zug, die Vorgaben aus dem Urteil umzusetzen und die Vorratsdatenspeicherung aufzuheben“, hieß es in einer Aussendung. Der Verfassungsrechtler Heinz Mayer rechnet mit einer Aufhebung durch den VfGH. Ein völliger Verzicht auf die Vorratsdatenspeicherung wie von Kritikern gefordert sei aber nicht zu erwarten, so Mayer. Es werde „sicher eine neue Richtlinie kommen“ - und Österreich dann ein entsprechendes Gesetz ausarbeiten, so Mayer.

Parlament könnte für rasches Aus sorgen

„Das ist ein sensationeller Sieg für 11.139 Bürger“, so der grüne Justizsprecher Albert Steinhauser, der AKVorrat federführend bei der Klage unterstützt hatte, bei einer Feier vor dem Parlament. Nach dem EuGH-Urteil müsse jetzt das Parlament die Vorratsdatenspeicherung in Österreich aufheben, forderte Steinhauser.

Die Grünen

Die Grünen

Die Grünen bejubeln das Urteil vor dem Parlament

Die grüne EU-Abgeordnete Ulrike Lunacek wertete das EuGH-Urteil als „Befreiungsschlag für die Bürgerrechte“. Der tiefe Eingriff in das Menschenrecht auf Datenschutz und Privatsphäre habe zu keiner erkennbaren Verbesserung der Strafverfolgung geführt. „Die österreichische Regierung kann sich nun nicht mehr darauf berufen, durch die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung gezwungen zu sein. Das Parlament könnte sie umgehend abschaffen“, so Lunacek.

Auch NEOS forderte nach dem Urteil die Abschaffung der Vorratsdatenspeicherung in Österreich. „Parlamentarischer Handlungsbedarf ist nun gegeben“, so Menschenrechtssprecher Nikolaus Scherak in einer Aussendung.

Für Bures Aufhebung „gut vorstellbar“

Die Regierung will das Urteil erst im Detail analysieren, um die Auswirkungen auf Österreich einschätzen zu können. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) soll sich die Entscheidung ansehen „ob und wie wir betroffen sind“, sagte Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) nach dem Ministerrat.

Verkehrsministerin Doris Bures (SPÖ) sieht sich durch das EuGH-Urteil in ihrer „kritischen Haltung“ gegenüber der Richtlinie bestätigt. „Auch bei der Verbrechensbekämpfung muss der Schutz der Grundrechte und der Datenschutz gewährleistet sein“, meinte sie in einer Aussendung. Für Bures ist eine Rücknahme der Gesetze in Österreich „gut vorstellbar“. SPÖ-EU-Abgeordneter Josef Weidenholzer sieht einen „Meilenstein im europäischen Grundrechtsschutz“. SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim forderte eine rasche Gesetzesnovelle in Österreich.

Brandstetter sieht richtige Balance in Österreich

Justizminister Wolfgang Brandstetter sieht hingegen keine unbedingte Notwendigkeit einer Anpassung der heimischen Vorratsdatenregelung. Man habe seiner Meinung nach bei der österreichischen Regelung schon die richtige Balance gefunden. Genau könne das aber erst nach eingehender Analyse beurteilt werden, so Brandstetter. Inwieweit die Gesetzgebung hierzulande angepasst werden müsse, habe der VfGH zu entscheiden. Auch der ÖVP-EU-Mandatar Hubert Pirker sieht nun „den österreichischen Gesetzgeber gefordert zu prüfen, inwieweit Änderungen nötig sind“.

FPÖ-Telekommunikationssprecher Gerhard Deimek sieht in dem EuGH-Spruch einen „bedeutenden Sieg für die Grundrechte in Europa“. Er plädierte dafür, die „Privatsphäre der Bürger“ wiederherzustellen. Team-Stronach-Klubchefin Kathrin Nachbaur begrüßte das Urteil und meinte, die EU müsse nun einsehen, „dass Grundrechte höher zu bewerten sind als die beinahe schon neurotische Überwachungssucht“.

EU-Kommission wird Urteil analysieren

Der fraktionslose EU-Mandatar Martin Ehrenhauser sprach von einem Teilerfolg bei der Verteidigung der EU-Grundrechte. Es sei ein Signal in die richtige Richtung. Es sei jetzt abzuwarten, wie Kommission und EU-Staaten reagieren.

Auf EU-Ebene begrüßte die für die Vorratsdatenspeicherung zuständige EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström „die Klarheit“, die das Urteil gebracht habe. „Die EU-Kommission wird das Urteil und seine Folgen genau analysieren“, so Malmström. Konkrete Antworten könnten derzeit nicht gegeben werden. Der normale Amtsweg sieht vor, dass die EU-Kommission in weiterer Folge einen neuen Entwurf vorlegen muss, dem dann wiederum im EU-Parlament und im EU-Ministerrat zugestimmt werden muss. Das dauert gewöhnlich mehrere Jahre.

ISPA: „Meilenstein in EU-Rechtsprechung“

Die Telekommunikationsbranche begrüßte das Urteil. „Wir betrachten das Urteil als Meilenstein in der EU-Rechtsprechung“, so Maximilian Schubert vom Verband der österreichischen Internetanbieter (ISPA). „Wir gehen davon aus, dass nun auch die österreichische Rechtslage auf die Kriterien der Verhältnismäßigkeit zurückgestellt wird“, so Philipp Graf, Geschäftsführer des Fachverbands Informationstechnologie in der Wirtschaftskammer.

Aufrechterhalten werden müsse der Ersatz der Kosten, die die Telekombetreiber zwangsweise für die Einrichtung der Vorratsdatenspeicherung aufbringen mussten, so Graf. Die Kostenschätzungen belaufen sich auf bis zu 20 Mio. Euro. „Die Betreiber hatten keinerlei Nutzen oder gar Zugriff auf diese Daten, sondern nur erheblichen Aufwand für die Speicherung und Beauskunftung“, so Graf.

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