Zweite Erhöhung innerhalb weniger Tage
Russland setzt Gaspreise- sowie -lieferungen nun als politisches Druckmittel ein und erhöht den Gaspreis für die Ukraine erneut deutlich: auf 485,5 US-Dollar (352 Euro) für 1.000 Kubikmeter. Der Preis gelte bereits ab April, sagte Alexej Miller, der Chef des Staatskonzerns Gasprom, am Donnerstag nach Agenturberichten bei einem Treffen mit Ministerpräsident Dimitri Medwedew.
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Begründet wurde das mit neuen Ausfuhrzöllen. Erst am Dienstag war der Preis wegen Kiews Milliardenschulden um fast 44 Prozent auf 385,5 Dollar angehoben worden. Nachdem Moskau einseitig ein Abkommen über die Stationierung der Schwarzmeerflotte auf der Krim aufgekündigt hatte, strich Gasprom nun weitere 100 Dollar Rabatt von dem 1.000-Kubikmeterpreis.
Der ukrainische Energieminister Juri Prodan warf Russland in einer Reaktion vor, den Preis zu hoch zu schrauben. „Die ukrainische Wirtschaft sollte einen solchen Gaspreis nicht bezahlen.“ Der Preis sei ein „politischer“, sagte Prodan vor der Presse in Kiew und verlangte Verhandlungen mit Gasprom.
Auch Westeuropa Rute ins Fenster gestellt
Doch auch der EU wurde zumindest indirekt die Rute ins Fenster gestellt. Gasprom fordert von der Ukraine auch die Auffüllung ihrer Gasspeicher, um Lieferengpässe in Westeuropa zu vermeiden. Es bestünden ernsthafte Sorgen, dass der Weitertransport nach Europa gefährdet sein könnte, weil die Speicher nicht mehr ausreichend gefüllt seien, erklärte Miller mit dem neuen Chef des ukrainischen Unternehmens Naftogas. Derzeit schulde die Ukraine Gasprom 2,2 Milliarden Dollar, 500 Millionen mehr als zuletzt angenommen, erklärte der Konzern weiter. Medwedew forderte die Ukraine zur Zahlung des Geldes auf.
Moskau versucht zu beruhigen
Der russische Vizeministerpräsident, Arkadi Dworkowitsch, hatte noch am Mittwoch eine Unterbrechung der Gaslieferungen nach Europa ausgeschlossen. „Die Tatsache, dass ich heute hier bin, spricht dafür, wie die Beziehungen in Russland eingeschätzt werden“, sagte Dworkowitsch am Mittwoch bei der Deutsch-Russischen Rohstoffkonferenz in Dresden. Er könne verstehen, dass die deutsche Regierung derzeit eine Art „Pause“ im Verhältnis eingelegt habe.
Miller hatte zuvor in Brüssel mit dem deutschen Außenminister, Frank-Walter Steinmeier, und EU-Energiekommissar Günther Oettinger Gespräche über eine weitere Zusammenarbeit geführt. Moskau habe auch in Zeiten des Kalten Krieges immer zuverlässig Gas nach Westeuropa gepumpt, habe Miller bei dem Treffen am Vortag betont. Das teilte der russische Staatskonzern am Mittwoch in Moskau mit. „Zudem ist Gasprom heute der einzige Gaslieferant, der Milliarden in die Infrastruktur der europäischen Gasversorgung investiert.“
Böse Erinnerungen an Gaskrise
Es wurden zwar nach der Gaskrise 2009 Maßnahmen von der EU getroffen, um ähnliche Probleme künftig vermeiden zu können, doch bei einem völligen Abdrehen des Gashahns dürfte sich eine komplett neue Situation ergeben. In der EU hieß es Mitte März, der Ukraine könnte durch die sogenannte „Reverse Flow“-Möglichkeit geholfen werden. Das bedeutet, dass Gas nicht nur in eine Richtung aus Russland in die EU strömen kann, sondern auch wieder zurückfließen kann, wenn notwendig.
Allerdings würde damit das Problem ebenfalls nicht gelöst, denn die Gasspeicher in der EU sind zwar nach dem sehr milden Winter und dem schon hereingebrochenen Frühling voller als üblich, aber eben auch nur begrenzt nutzbar. Sie müssen im Laufe der nächsten Monate neuerlich mit Gas aus Russland gefüllt werden.
Österreich: Über 60 Prozent Gas aus Russland
Die EU ist im Durchschnitt zu 29,8 Prozent von Gasimporten aus Russland abhängig. Österreich kommt nach einer BP-Statistik 2012 auf 61,8 Prozent, wie aus Zahlen hervorgeht, die die belgische Zeitung „Le Soir“ (Donnerstag-Ausgabe) veröffentlichte. Österreich hat 2012 insgesamt 4,7 Milliarden Kubikmeter Gas aus Russland importiert. 1,3 Milliarden Kubikmeter kamen aus Norwegen, weitere 1,6 Milliarden Kubikmeter aus anderen europäischen Staaten, geht aus der jüngsten BP-Statistik hervor.
Vollständig von russischem Gas abhängig sind laut „Le Soir“ Finnland, die Ukraine und Weißrussland. Danach folgen die Slowakei mit 92,7 Prozent, Polen (82,6), Ungarn (81,4), Tschechien (79,3), Griechenland (66,0) Österreich (61,8), die Türkei (57,5), Deutschland (34,6), Italien (20,4), Frankreich (16,1) und die Niederlande (14,5). Keine russischen Gasimporte gibt es für Dänemark, Spanien, Irland, Großbritannien, Portugal und Schweden.
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