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„Wollt ihr mehr oder weniger Marokkaner?“

Der Rechtspopulist Geert Wilders ist nicht gerade für seine Zurückhaltung beim Thema Ausländer bekannt. Doch nun hat er mit seinen verbalen Attacken den Bogen überspannt. Führende Politiker und Bürger warfen Wilders Hetze und Rassismus vor, es hagelte Anzeigen gegen seine Partei für die Freiheit (PVV). Aber auch innerhalb der Partei wollen viele den extrem rechten Kurs nicht mehr mittragen.

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„Wollt ihr in dieser Stadt mehr oder weniger Marokkaner?“, rief Wilders Mittwochabend in Den Haag seinen Anhängern auf einer Wahlveranstaltung zu. „Weniger, weniger“, dröhnte die lautstarke Antwort zurück - und das 16-mal. „Das werden wir dann regeln“, versprach Wilders unter lautem Applaus. Verbreitet über Soziale Medien sorgte diese Aussage bei vielen Niederländern für Entsetzen.

Zahlreiche Bürger erstatteten Anzeige

Marokkanische Organisationen und auch zahlreiche Bürger erstatteten Strafanzeigen gegen den Politiker. Die Staatsanwaltschaft - die derzeit noch Ermittlungen wegen Hetze prüft - erklärte, man habe bereits aufgehört zu zählen, so viele Beschwerden seien bereits eingetroffen. Am Samstag gingen in Amsterdam 3.000 Menschen bei einem Antidiskriminierungsmarsch auf die Straße.

Eine Frau hält in Amsterdam ihren niederländischen und marokkanischen Pass in der Hand

Reuters/Cris Toala Olivares

Tausende protestierten am Samstag in Amsterdam gegen Wilders

Die Strafanzeigen gegen Wilders haben nach Einschätzung von Juristen diesmal gute Chancen. Bisher hatte er lediglich die Ausweisung krimineller Ausländer verlangt. Ein Gericht in Amsterdam hatte den Politiker 2011 vom Vorwurf der Anstachelung zum Hass freigesprochen, da sich seine Kritik gegen den Islam und nicht gegen eine spezifische Bevölkerungsgruppe gerichtet hatte.

„Atmosphäre von Deportation“

Auf den Sozialen Netzwerken Twitter und Facebook reagierten Zehntausende Menschen mit Abscheu. Eine Facebook-Gruppe mit dem Titel „Ich zeige Wilders an“ hatte innerhalb kürzester Zeit mehr als 93.000 Anhänger. Ministerpräsident Mark Rutte bekam von den Äußerungen „einen schlechten Geschmack im Mund“. Das renommierte „NRC Handelsblad“ schrieb: „Mit dem Mobilisieren eines Saales für ‚weniger Marokkaner‘ schafft Wilders eine Atmosphäre von Deportation.“ Vielfach wurde eine Parallele zu Adolf Hitler gezogen.

Und auch innerhalb der Partei gärt es. Unter anderem traten drei Lokalpolitiker in der Provinz Friesland, der Vorsitzende der PVV-Gruppe im Europaparlament und zwei nationale Parlamentsabgeordnete aus der Partei aus. Zehn weitere Vertreter auf regionalen, nationalen und internationalen Posten überlegen öffentlich ihren Abschied.

Schwierige Personalsuche

Das stellt Wilders so kurz vor der EU-Wahl am 22. Mai vor ein großes Problem. Denn obwohl ihm Umfragen prophezeien, dass seine Partei mit 16,6 Prozent die stärkste Kraft werden könnte, hat die Partei schon lange Probleme, die eroberten Posten mit qualifiziertem Personal zu besetzen. Das liegt einerseits daran, dass Wilders wo wenig Macht wie möglich innerhalb seiner Partei abgeben will, andererseits legt er die Latte für Bewerber hoch. So erklärte er bereits vor den letzten Wahlen 2010, er habe „nicht genug Personen gefunden, denen ich vollkommen vertrauen kann“. Deshalb verzichtete er damals auf den Antritt in mehreren Kommunen.

Und auch diesmal trat die Wilders-Partei erneut nur in Den Haag und Almere an. In Den Haag wurden die Rechtspopulisten zweitstärkste Fraktion, in Almere bei Amsterdam verbuchten sie wie schon 2010 einen Sieg. Städte, wo Wilders ein Debakel gedroht hätte, wurden gemieden - so konnte er die Wahl erneut als gelungenen Auftakt zur Europawahl verkaufen, wo „wir die Niederlande zurückerobern von den Dieben in Brüssel“, wie Wilders im Wahlkampf nicht müde wurde, zu betonen.

Wilders: „Nehme kein Wort zurück“

Wilders verteidigte am Samstag seine Äußerungen. „Ich habe die Wahrheit gesagt, es tut mir nicht leid, und ich werde mich nicht für die Wahrheit und die Äußerung meiner politischen Ideale entschuldigen“, sagte er am Abend auf einer Pressekonferenz. „Ich habe nie gesagt, dass alle Marokkaner das Land verlassen sollen“, sagte er weiter.

Er habe lediglich „die Kriminellen und diejenigen, die gehen wollen,“ gemeint. Wilders kritisierte, dass ihn Medien und Politiker mit den Nazis verglichen hätten. „Ich weiß nicht, wo das enden wird, aber ich hoffe, es endet gut für die PVV.“ Wilders sagte, er wisse nicht, ob weitere Mitglieder seiner Partei den Rücken kehren wollten.

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