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Was der Vermieter fragen darf

Der Wohnungsmarkt in Ballungsräumen ist hart umkämpft, und Vermieter können aus einer immer größeren Gruppe von Bewerbern wählen. Wer seine Traumimmobilie bekommen will, muss daher viel von sich preisgeben. Neben persönlichen Fragen zu Familienstand oder Hobbys ist aber vor allem die finanzielle Situation der große Knackpunkt.

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Als Sabine R. im letzten Jahr eine neue Wohnung suchte, bekam sie von den Maklern schon bei der Wohnungsbesichtigung einen Zettel zur „Selbstauskunft“ in die Hand gedrückt. Dort sollte sie neben den persönlichen Daten auch ihr monatliches Nettoeinkommen eintragen. Zudem wurde sie vom Makler darüber informiert, dass sie bei einem Mietanbot auch die letzten drei Gehaltszettel vorlegen müsse. Diese Forderung ist mittlerweile nichts Ungewöhnliches mehr, rechtlich ist der „Finanzstriptease“ jedoch umstritten.

Tiefe Einblicke in die Bilanz

Ein Bonitätsnachweis sei mittlerweile üblich, bestätigt auch Christian Friesenegger, Geschäftsführer bei Re/Max. „Es ist einer der wichtigsten Punkte für den Vermieter, dass jemand als Mieter zuverlässig scheint.“ Und da reichen auch Berufsbezeichnungen wie „Arzt“ oder „Angestellte“ nicht mehr, auch länger andauernde Beschäftigungsverhältnisse sind - wenn auch vorteilhaft - in vielen Fällen nicht ausreichend. Fast immer werde ein Einkommensnachweis verlangt, der zeige, „dass die Miete maximal 30 bis 40 Prozent des Einkommens nicht übersteigt“, so Friesenegger.

Kompliziert wird es da aber vor allem für Selbstständige, erzählt die Unternehmerin Nicole Schaffer. „Während Angestellte einfach den letzten Lohnzettel einreichen können, muss ich die Bilanz vom letzten Jahr offen legen“, kritisiert sie. Das sei schließlich etwas, „was niemanden etwas angeht“. Wer um den Jahreswechsel eine Wohnung sucht, steht zudem vor dem Problem, dass ein Einkommensteuernachweis vom abgelaufenen Jahr noch nicht vorliegt und daher noch ein aktueller Nachweis von der Steueranwaltskanzlei eingeholt werden muss.

„Es geht nur um das Format“

„Das ist in einem Ausmaß kompliziert, sowohl für mich als auch für die Immobilienverwaltungen selbst, die dann einfach sagen, bei so vielen Angeboten, reihen sie nach den einfachsten Mitteln“, glaubt sich Schaffer hier im Nachteil. Es gehe dabei den Hausverwaltungen gar nicht um die Einkommenshöhe, ist Schaffer überzeugt, sondern ums Format. Vor allem bei besseren Wohnungen sei sie von Maklern darauf hingewiesen worden, dass es für sie mit der größeren Anzahl an Unterlagen schwierig werde. „Auch wenn sich der Makler für einen einsetzt, letztendlich trifft die Hausverwaltung die Entscheidung“, sagte Schaffer, und dort gehe es um ein einfaches Ranking.

Dass Selbstständige gegenüber Angestellten im Nachteil seien, kann Rudolf North, Geschäftsführer der WKO-Fachgruppe Immobilien- und Vermögensverwaltung nicht nachvollziehen. Ein Einkommensbescheid müsse sowieso jährlich fürs Finanzamt gemacht werden, so North, und das reiche Hausverwaltungen meist als Bonitätsbestätigung. Zudem seien Hausverwaltungen in der Überprüfung der Unterlagen erfahren genug, so dass es hier üblicherweise zu keinen Vorselektionen komme.

Wo es „menschelt“ und wo die Fakten zählen

Es macht jedoch durchaus einen Unterschied, wer die Wohnung vermietet. In den letzten 15 bis 20 Jahren habe es eine Änderung in der Eigentümerstruktur gegeben, erklärt Anton Holzapfel, Geschäftsführer beim Österreichischen Verband der Immobilienwirtschaft (ÖVI). „Es gab früher sehr viele Besitzer von ein bis zwei Zinshäusern, die auch persönlichen Kontakt zu den Mietern hatten“, so Holzapfel. Mittlerweile habe sich die Struktur der Eigentümer gerade von großen Mietwohnungsbauten verändert. „Es gibt eine Reihe von institutionellen Investoren, und dort, wo der persönliche Kontakt zum Vermieter fehlt, da brauche ich dann formellere Kriterien.“

Dass die Vorgaben bei Immobilienunternehmen sehr definiert sind, bestätigt auch Fiesenegger. „Da gibt es wenig Spielraum. Über das Auswahlverfahren wird ein Raster gelegt. Da darf die Miete zum Beispiel maximal 35 Prozent des Nettoeinkommens ausmachen, die Kaution muss so und so hoch sein.“ Wer zu wenig verdient oder sein Einkommen gar nicht offenlegen will, fällt damit automatisch aus dem Kreis der Bewerber. Private Vermieter seien hier flexibler, und auch der persönliche Kontakt zähle deutlich mehr, so Friesenegger.

Durch die Wirtschaftskrise und die darauffolgende Flucht der Anleger in Immobilien ist zuletzt die Zahl der privaten Wohnungseigentümer jedoch wieder deutlich gestiegen. Diese neue Gruppe von Vermietern sei jedoch sehr unerfahren, erklärt Anton Legerer, Geschäftsführer von Vospernik Immobilien. Hier stehe das persönliche Kennenlernen der potenziellen Mieter im Vordergrund, schriftliche Unterlagen seien eher nebensächlich. Das sei zwar menschlich, doch gleichzeitig würden die Grenzen zu Diskriminierungen rasch überschritten, so Legerer. Der objektive Angelpunkt seien nun einmal die Einkommensverhältnisse, „alles andere ist sehr willkürlich und wenig objektiv“.

„Einkommen geht Vermieter nichts an“

Doch auch wenn Einkommensnachweise immer mehr zur Gepflogenheit werden, „rein rechtlich gehen sie den Vermieter nichts an“, erklärt Barbara Walzl-Sirk, Obfrau vom Mieterschutzverband. Ein Einkommensnachweis sei nur bei geförderten Wohnungen zulässig. „Die Vermieter möchten damit den Einmietbetrug eindämmen, aber ein Lohnzettel ist natürlich wenig aussagekräftig.“ Bekomme ein Interessent die Wohnung nicht, weil er seine finanzielle Situation nicht offenlegen wolle, „läuft das unter Diskriminierung“.

In Deutschland, wo den Mietern ein deutlich rauerer Wind entgegenschlägt, sieht man die Sache etwas anders. Dort wird die Frage nach dem Nettoeinkommen juristisch als zulässig gewertet, sofern nicht die gesamten finanziellen Verhältnisse offengelegt werden müssen. Das reine Nettoeinkommen gebe dem Vermieter einen wichtigen Anhaltspunkt über die Solvenz des Mieters im Verhältnis zur Mietzinshöhe, erklärt das deutsche Juraforum. Zudem hat der Mietinteressent sogar eine Auskunftspflicht, wenn die Miete 75 Prozent seines Einkommens übersteigt.

Wann Lügen zulässig sind

Damit endet aber auch schon die Pflicht zur Selbstauskunft. Denn sowohl Fragen nach zukünftiger Familienplanung oder gar einer Schwangerschaft sind in Deutschland wie auch in Österreich ebenso unzulässig wie Fragen nach Nationalität oder Religion. Auch die von deutschen Vermietern mittlerweile gerne verwendete Praxis, sich bei Vorvermietern nach dem Mietinteressenten zu erkundigen, ist hierzulande nicht erlaubt. „Bekommt jemand aufgrund fehlender Referenz die Wohnung nicht, liegt eine Diskriminierung vor“, erklärt Walter Rosifka, Wohnrechtsexperte der Arbeiterkammer Wien.

Doch ein Mieter, der beharrlich zu allen Fragen des Vermieters schweigt, wird kaum den Zuschlag für eine Wohnung erhalten. Bei unzulässigen Fragen darf der Interessent daher auch zu Notlügen greifen, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen, erklärt Rosifka. Einzig beim Einkommen rät der Experte zu wahrheitsgemäßen Antworten. Ist der Mietvertrag jedoch erst einmal unterschrieben und wird die Miete pünktlich bezahlt, dann ist auch ein möglicherweise falsch angegebenes Einkommen kein Kündigungsgrund mehr.

Gabi Greiner, ORF.at

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