Swoboda Profiteur des Machtkampfs?
Rechtsextreme bildeten die „dritte Säule der Opposition“ in der Ukraine, sie übernähmen die logistische Organisation der Proteste in Kiew. Das sagte Eric Aunoble, Historiker und Ukraine-Experte der Universität Genf.
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Die anderen beiden Antiregierungskräfte, jene von Arseni Jazenjuk und von Witali Klitschko, hätten „einen geringen Einfluss auf die Mehrheit der Bevölkerung“. Auch ihre Glaubwürdigkeit sei eher schwach, schätzt Aunoble. So spreche etwa der Ex-Boxweltmeister Klitschko kaum Ukrainisch, da seine Muttersprache Russisch sei.
Neben den beiden Parteien repräsentiere die Freiheitspartei Swoboda den radikalen Nationalismus. Sie verstehe es im Moment, Kapital zu schlagen aus den Unzufriedenen im Lande - egal aus welcher politischen Ecke diese stammten, sagte Aunoble der Nachrichtenagentur sda.
Rabbiner ruft zum Verlassen Kiews auf
„Bei den letzten Wahlen hat Swoboda ungefähr zehn Prozent der Stimmen geholt.“ Und obwohl die Partei auf den traditionellen ukrainischen und demnach antirussischen Nationalismus baue, finde sie immer mehr auch Anklang bei Bewohnern russlandfreundlicher Regionen. Noch vor wenigen Jahren nannte sich Swoboda Nationalistische Ukrainische Partei. Und sie habe von Symbolen der deutschen SS Gebrauch gemacht, betonte Aunoble.
Der World Jewish Congress bezeichnete Swoboda im Vorjahr als neonazistisch. Andere jüdische Organisationen innerhalb und außerhalb der Ukraine werfen der Partei seit längerem Antisemitismus vor. Ein Rabbiner in Kiew rief seine Gemeinde am Samstag aus Sorge vor Angriffen auf jüdische Einrichtungen dazu auf, die Stadt zu verlassen, berichtete die israelische Tageszeitung „Haaretz“. Es gab wiederholt Angriffe auf die jüdische Bevölkerung. Im Jänner wurden zwei Juden auf der Straße attackiert und einer von ihnen schwer verletzt.
Janukowitsch in Rolle des Antifaschisten
Gegen die Opposition konnte sich Präsident Viktor Janukowitsch daher als Antifaschist in Szene setzen. Er präsentierte sich als Beschützer vor einer noch größeren Gefahr. Seine prorussischen Anhänger fürchteten den Nationalismus, der ihnen gefährlich werden konnte. Laut Aunoble ist diese Furcht größer als die Unzufriedenheit mit dem Regime. Und das, obwohl die Bevölkerung genau wisse, dass die Regierung sich munter aus der Staatskasse bediene.
Zweiter Gewinner: Rechter Sektor
Die zweite Gruppierung, die als Gewinner aus dem Machtwechsel hervorgehen dürfte, ist der Rechte Sektor (Prawy Sektor). Dabei handelt es sich um eine informelle Vereinigung von rechtsradikalen und neofaschistischen Splittergruppen. Erstmals trat die paramilitärische Organisation bei Protesten Ende November in Kiew in Erscheinung. Zu den „Selbstverteidigungskräften“ des Maidan steuerte sie Hunderte Kämpfer bei, die meist an vorderster Front agierten und die Barrikaden bewachten.
Philologe als Anführer
Landesweit schätzt die Gruppierung selbst das Mobilisierungspotenzial auf 5.000 Menschen, Tendenz stark steigend. Die Mitglieder sind für ihr martialisches Auftreten bekannt. Sie tragen Tarnfleckuniformen, Helme und Skimasken. Anführer Dmitri Jarosch gibt offen zu, über Schusswaffen zu verfügen. „Es sind genug, um das ganze Land zu verteidigen“, sagte der 42 Jahre alte Philologe aus der Stadt Dnjeprodserschinsk dem US-Magazin „Time“ Anfang Februar.
Der Rechte Sektor sieht sich in der Tradition ukrainischer Partisanen, die etwa während des Zweiten Weltkriegs immer wieder sowohl gegen die Besatzer aus Nazi-Deutschland als auch gegen die sowjetische Armee gekämpft hatten. Ziel ist eine „nationale Revolution“ und die Beseitigung der „inneren Okkupation“ durch die Überreste des sowjetischen Machtapparats. Die Mitglieder lehnen liberale und demokratische Werte ab.
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