„Anti-Terror-Aktion“ gestartet
Nach der Gewalteskalation in der Ukraine haben sich die Oppositionsführer und Präsident Viktor Janukowitsch offenbar auf einen Waffenstillstand geeinigt. Zudem seien weitere Verhandlungen vereinbart worden, „um das Blutvergießen zu beenden und die Lage im Land zu stabilisieren“, hieß es am Mittwoch nach einem Treffen auf der Website der Präsidentschaft.
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Auch gegenüber den beiden Oppositionsführern Witali Klitschko und Arseni Jazenjuk soll Janukowitsch die Zusage für einen Waffenstillstand gemacht haben. Ein angeblich geplanter Sturm von Sicherheitskräften auf den Maidan sei laut Klitschko und Jazenjuk wieder abgesagt worden. Die Krisengespräche zwischen Janukowitsch und der Opposition sollen nun am Donnerstag fortgesetzt werden. Das sagte Klitschko nach Angaben der russischen Nachrichtenagentur Itar-Tass.
Unmittelbar vor dem neuerlichen Krisentreffen zeigten sich beide Seiten noch unversöhnlich. Die Führung warf ihren Gegnern Nähe zu Terroristen vor, Klitschko kritisierte Janukowitsch als „blutigen Diktator“. Ein erstes Krisengespräch zwischen Janukowitsch und Oppositionsführer Klitschko hatte in der Nacht auf Mittwoch kein Ergebnis gebracht. Der Präsident habe einen Abbruch des Polizeieinsatzes abgelehnt und die Räumung des Platzes gefordert, sagte Klitschko gegenüber dem TV-Sender Hromazke. Der Oppositionspolitiker warf Janukowitsch vor, die Situation falsch einzuschätzen. Den Demonstranten auf dem Maidan rief Klitschko davor zu, die Besetzung werde fortgesetzt: „Wir gehen hier nicht weg, das ist eine Insel der Freiheit.“

Reuters/Vasily Fedosenko
Auch am Mittwoch brannten auf dem Unabhängigkeitsplatz wieder Barrikaden
Erneut Gebäude besetzt
Nach dem Verlust ihres Hauptquartiers im Gewerkschaftshaus haben ukrainische Regierungsgegner am Mittwoch in Kiew andere Gebäude besetzt. Aktivisten stürmten örtlichen Medien zufolge das gegenüberliegende Hauptpostamt, das Haus des Rundfunk- und Fernsehkomitees sowie das Agrarministerium. Das Gewerkschaftshaus wurde durch ein Großfeuer verwüstet.
Nach Angaben der Zeitung „Kyiv Post“ soll auch das Rathaus wieder von Regierungsgegnern besetzt worden sein. Weiter keine Entspannung gibt es zudem auf dem teilweise immer noch besetzten Unabhängigkeitsplatz (Maidan). Immer wieder flogen Sprengsätze und Pflastersteine in Richtung der dort postierten Bereitschaftspolizei. Die Protestierenden legten zudem auf den brennenden Barrikaden, die sie von den Beamten trennten, Holz nach. Unterstützer brachten Nahrungsmittel, Kleidung und Medikamente. Die Polizisten reagierten mit Blendgranaten und Gummigeschoßen auf Angriffe.
Mindestens 26 Tote
In Kiew hatten sich am Dienstag die Ereignisse überschlagen. Nach heftigen Krawallen setzte die Regierung der Opposition ein Ultimatum bis zum Abend, die Proteste zu beenden, dann begannen die Sicherheitskräfte mit der gewaltsamen Räumung des Maidan. Laut offiziellen Angaben wurden 26 Menschen getötet, darunter zehn Polizisten. Mehr als 600 Menschen wurden verletzt. Inoffizielle Quellen setzen die Opferzahlen weit höher an. Für die bei den blutigen Straßenkämpfen Verletzten stellte das nahe gelegene Michailowski-Kloster seine Räume zur Verfügung. Die Organisation Ärzte ohne Grenzen will Kliniken medizinische Ausrüstung zur Verfügung stellen.
In der Europäischen Union wurden am Mittwoch die Rufe nach Sanktionen gegen die Führung um Staatschef Janukowitsch lauter. Der russische Außenminister Sergej Lawrow rief die EU unterdessen auf, die ukrainische Opposition davon zu überzeugen, in Verhandlungen mit der Staatsführung zu treten. Er warf „radikalen Kräften“ vor, einen Umsturz zu versuchen.
Regierung weist Schuld von sich
Das Außenministerium der Ukraine hat internationale Partner am Mittwoch in einer Erklärung aufgerufen, „bei der Schätzung der Situation im Land maximal objektiv zu sein“. Die Führung der Ukraine habe „durch praktische Handlungen ihre Ergebenheit der friedlichen Krisenbeilegung in einem konstruktiven Dialog mit der Opposition bestätigt“, die Führer der Opposition haben aus Sicht der ukrainischen Regierung jedoch „die radikalen Protestierer zum gewaffneten Kampf bzw. zum Blockieren des ukrainischen Parlaments aufgerufen“, heißt es im Dokument weiter: „Also hat die Opposition die Verantwortung für die Gewalt übernommen.“

Reuters/Konstantin Grishin
Rauchende Barrikaden zeugen am Mittwoch von den Ausschreitungen vom Vortag
Janukowitsch drohte mit „anderen Tönen“
Die Opposition habe die „Grenzen überschritten“, als sie ihre Anhänger auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew „zu den Waffen gerufen“ habe, sagte zuvor auch Janukowitsch in einer Ansprache. Die Regimekritiker seien „Kriminelle, die vor Gericht gehören“, so Janukowitsch weiter. Der Staatschef warf den proeuropäischen Regierungsgegnern den Versuch einer gewaltsamen Machtübernahme vor. Sollten sich die Oppositionsführer nicht von radikalen Kräften distanzieren, werde er „andere Töne anschlagen“.
Wechsel an Armeespitze
Der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch ernannte unterdessen Marinechef Admiral Juri Iljin zum neuen Armeechef. Dessen Vorgänger, Generaloberst Wolodimir Samana, wurde zum Mitglied des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates ernannt. Eine Erklärung für den Wechsel und den Zeitpunkt gab es nicht.
Zuvor hatten die Sicherheitsdienste eine landesweiten „Anti-Terror-Aktion“ angekündigt. Am Abend teilte das Verteidigungsministerium mit, die Streitkräfte hätten dabei das Recht zum Schusswaffengebrauch. Zudem hätten die Soldaten das Recht, „den Verkehr von Fahrzeugen und Fußgängern einzuschränken oder zu untersagen“. Die Soldaten dürfen demnach auch Personenkontrollen vornehmen und Menschen festnehmen, die „illegale Handlungen“ vorgenommen haben.
Mit Waffengewalt, Brandstiftung, Entführungen und Mord versuchten die „Extremisten“, ihre Ziele durchzusetzen, hieß es vom SBU. „Das sind konkrete Terrorakte.“ Organisationen, die als terroristisch eingestuft werden, dürfen laut Gesetz „liquidiert“ werden. Der SBU teilte zudem mit, gegen „einzelne Politiker“ wegen eines versuchten Staatsstreichs zu ermitteln.
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