Themenüberblick

Chodorkowski gab auf

Michail Chodorkowski hat den Kampf aufgegeben. Nach seiner Begnadigung durch den russischen Präsidenten Wladimir Putin hat der Ex-Ölmagnat deutlich gemacht, vor keinem Gericht um sein früheres Vermögen streiten zu wollen. Sein einst 40 Milliarden Dollar schweres Unternehmen Yukos wurde zerschlagen und verstaatlicht. Doch frühere Manager und Aktionäre halten an ihrer Forderung nach Entschädigung durch den russischen Staat fest.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Derzeit sind zwei Verfahren mit Streitwert in Milliardenhöhe anhängig, die Beobachtern zufolge in diesem Jahr entschieden werden könnten. „Als ich nach Russland kam, steuerte das Land noch in die richtige Richtung“, sagte der frühere Yukos-Finanzchef, der in Ohio geborene Bruce Misamore.

„Dann kam Herr Putin, wurde zum Despoten und hat das Unternehmen zurückgestohlen. Seitdem ist in Russland nichts mehr, wie es früher war.“ Misamore, der nach der Verhaftung seines Chefs in die USA floh, kämpft weiter um finanzielle Entschädigung.

Russland betont gelassen

Damit steht er nicht allein. Frühere Yukos-Manager haben den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg angerufen. Aktionäre des Ölkonzerns schalteten den Ständigen Schiedshof in Den Haag ein. Vor beiden Tribunalen dürften in diesem Jahr Entscheidungen fallen. Die russische Regierung gibt sich derweil betont gelassen. Das Justizministerium hat eine außergerichtliche Einigung ausgeschlossen.

Ein Großteil von Yukos wurde in der Zwischenzeit vom staatlichen Ölkonzern Rosneft einverleibt. Geleitet wird der unter anderem dank dieses Manövers weltgrößte börsennotierte Ölkonzern von Igor Setschin, einem früheren Berater Putins. Der Prozess gegen Chodorkowski, der ihm zehn Jahre Straflager und Gefängnis einbrachte, war immer wieder als politisch motiviert kritisiert worden.

Hoffnung auf „viele Milliarden“

Verbündete beharren darauf, dass Chodorkowski wegen Steuerhinterziehung und Betrugs verurteilt wurde, weil er Putin-Gegner finanzierte und die Korruption auf höchster staatlicher Ebene anprangerte. Das Vorgehen gegen Chodorkowski, der mit vorgehaltener Waffe auf einem sibirischen Ölfeld festgenommen wurde, wurde als Warnsignal an andere Oligarchen gesehen, sich nicht in die Politik einzumischen.

Rechtsexperten beschreiben die Chancen auf einen uneingeschränkten Sieg der Kläger als gering. Das Straßburger Menschenrechtstribunal hatte 2011 Russlands Fiskus vom Vorwurf freigesprochen, Yukos im Vergleich zu anderen Steuerzahlern diskriminiert zu haben - ein Punktesieg für die russische Regierung. Dennoch rügte das Gericht, dass beim unnachgiebigen Eintreiben der Steuerschuld die Eigentumsrechte von Yukos verletzt worden seien. Eine Entscheidung des Gerichts über eine mögliche Entschädigung steht noch aus. Misamore zufolge erhoffen sich die Kläger „viele Milliarden“.

Kompromiss erwartet

Der Forschungsdirektor des Deutsch-Russischen Forums in Berlin, Alexander Rahr, rechnet mit einem Kompromiss. Das Straßburger Gericht werde eine diplomatische Entscheidung fällen. „Russland wird nicht an den Pranger gestellt.“

In dem zweiten großen Verfahren hat die Menatep-Gruppe mit Sitz in Gibraltar, über die Chodorkowski einst Yukos kontrollierte, eine Schiedsgerichtsklage über mehr als 100 Milliarden Dollar eingereicht. Die Holding-Gesellschaft wirft Russland vor, Yukos ohne Entschädigung enteignet zu haben. Es ist nach Streitwert der größte Wirtschaftsprozess, der jemals geführt wurde. Auch US-Investoren bei Yukos verlangen eine Entschädigung. Für ihre Forderung in Höhe von zwölf Milliarden Dollar haben sie das Außenministerium in Washington eingeschaltet.

Freiwilliger Verzicht Chodorkowskis?

Chodorkowski, einst reichster Russe, hat seinen Kontrollanteil an Menatep nach seiner Verhaftung an seinen Geschäftspartner Leonid Newslin übertragen. Dieser setzte sich nach Israel ab. Er habe nicht die Absicht, sich das zurückzuholen, was von seinem Vermögen übrig sei, bekräftigte Chodorkowski jüngst.

Unklar blieb allerdings, ob diese Erklärung eine Bedingung für die Freilassung des Putin-Kritikers war. Dennoch bleibt ihm eine Rückkehr aus dem nach der Freilassung angesteuerten Exil nach Russland wohl verwehrt: Nach einem Gerichtsurteil müsste er dort gemeinsam mit seinem früheren Geschäftspartner Platon Lebedew Steuernachzahlungen in Höhe von 500 Millionen Dollar leisten.

Megan Davies und Douglas Busvine, Reuters

Link: