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Die Erfolgsgeschichte eines Brettspiels

„Mensch ärgere dich nicht“: Als der Münchner Spieleschöpfer Josef Friedrich Schmidt 1914 das bis heute beliebte Brettspiel auf den Markt gebracht hat, hat es ihm tatsächlich anfangs hauptsächlich Ärger gebracht. Zu Kriegsbeginn mangelte es gänzlich an Interesse an einem unterhaltsamen Brettspiel.

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Doch Schmidt ging trotzdem mit dem Spiel, mit dessen Prototypen er seiner Frau und seinen drei Kindern so große Freude bereitet hatte, in die Massenproduktion. Der schleppende Verkauf veranlasste den Spieleerfinder schließlich zu einer ungewöhnlichen Marketingaktion: Er verschickte 3.000 Exemplare an Lazarette, wo sie den verwundeten Soldaten als willkommene Abwechslung dienten.

Nach dem Krieg brachten die Soldaten die Spiele mit nach Hause, wo sich auch ihre Familien an dem neuen Brettspiel erfreuten, das sich daraufhin rasend schnell im deutschsprachigen Raum verbreitete. Dafür sorgte auch der verhältnismäßig niedrige Preis des Spiels, das in der Basisvariante für vier Spieler nur aus einem Kartonspielbrett und 16 Spielfiguren besteht.

Der Vorläufer aus Indien

So ganz originell war die Erfindung Schmidts dabei gar nicht. Das Grundkonzept - Spielsteine von einer Brettseite auf eine andere zu bringen - geht zurück auf ein altes indisches Spiel namens „Pachisi“, das auch auf Sri Lanka, in Malaysia, Burma, im Iran und in anderen arabischen Ländern verbreitet ist. Es soll durch die Mauren nach Spanien gebracht worden sein und sich von dort in ganz Europa verbreitet haben.

In England entwickelte sich Ende des 19. Jahrhunderts daraus die vereinfachte (eher für Kinder gedachte) Variante „Ludo“, in der Schweiz die bis heute beliebte Adaption „Eile mit Weile“. Im Gegensatz zu diesen Vorbildern strich Schmidt für sein „Mensch ärgere dich nicht“ alle taktischen und strategischen Regeln, ebenso die Symbolik des „Pachisi“-Spiels. Was blieb, war: würfeln, einen Weg entlangziehen, Gegner zurück an den Start schicken und so schnell wie möglich alle Figuren ins Ziel bringen.

Gewinnen ohne Wissen, Talent und wenig Taktik

Das ist nicht sehr kompliziert, im Gegenteil: Sobald ein Kind bis sechs zählen und eine gewisse Aufmerksamkeitsspanne aufrechterhalten kann, kann es „Mensch ärgere dich nicht spielen“, laut Anleitung kann das Spiel ab fünf Jahren gespielt werden. Weil man, um zu gewinnen, so gut wie kein Wissen, kein Talent und quasi keine Strategie benötigt, ist die Ausgangslage für alle Spielteilnehmer immer fair, egal ob ein Erwachsener mit einem kleinen Kind spielt oder alle Spieler gleich alt sind.

„Mensch ärgere dich nicht“ sei ein „weises Spiel, ein erzieherisches Spiel, bei dem man sehr gut verlieren lernen kann“, heißt es etwa im Film „Herrliche Zeiten“ aus dem Jahr 1950. Irgendwer ärgert sich dann trotz aller Pädagogik immer, wenn eine Figur rausgeworfen wird, sei es, weil man hofft zu gewinnen - oder nur ein baldiges Ende herbeisehnt.

Mehr als 90 Mio. verkaufte Spiele

Schmidts Kinder jedenfalls sollen begeistert gewesen sein, ebenso die Soldaten in den Lazaretten. Der Rest ist Geschichte - über 90 Millionen Mal verkaufte sich „Mensch ärgere dich nicht“ laut Schätzungen der Firma Schmidt Spiele bis heute. Unzählige Nachahmer und Varianten - vom Kartenspiel bis zur Computerversion - sind im Umlauf.

Das Patent auf „Mensch ärgere dich nicht“ wurde für die Firma, in der auch der Würfelspielklassiker „Kniffel“ erfunden wurde, zur jahrelangen Goldgrube. 1997 ging das bayrische Unternehmen dennoch in Konkurs. Name und Markenzeichen gingen im Zuge der Unternehmensauflösung an die Berliner Firma Karl Blatz Spiele GmbH.

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