SPD-Fraktionschef unter Druck
Der Umgang mit der Edathy-Affäre entzweit zusehends die Koalitionspartner in Deutschland. Vor allem in der CSU ist nach dem Rücktritt des deutschen Landwirtschaftsministers Hans-Peter Friedrich (CSU) der Ärger groß. Nun kommt SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann unter Druck.
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CSU-Chef Horst Seehofer warf der SPD am Samstag in der Affäre rund um den Kinderpornografie-Verdacht gegen den früheren SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy Vertrauensbruch vor. „Ich fordere die SPD auf, an diesem Wochenende ihr Verhalten und ihre Widersprüche aufzuklären“, sagte Seehofer auf einem kleinen Parteitag in Bamberg vier Wochen vor der Kommunalwahl in Bayern. „Es stellen sich eine ganze Menge Fragen an die SPD.“
Es sei auch „ein ganz ungewöhnlicher Vorgang“, wenn aus den Reihen einer Koalition heraus Rücktrittsforderungen an Minister gestellt würden, wie das bei Friedrich geschehen ist. Friedrich habe „für die Gesamtkoalition in bestem Wissen und Gewissen“ gehandelt, so Seehofer weiter. „Vor diesem Hintergrund sind das Verhalten der SPD und ihre Geschwätzigkeit schärfstens zurückzuweisen“, sagte der CSU-Chef. Unter den drei Parteivorsitzenden von CSU, CDU und SPD werde zudem über die Art und Weise der Zusammenarbeit zu reden sein.
Forderungen nach Rücktritt Oppermanns
In der CSU mehren sich die Rücktrittsforderungen an Oppermann. „Er muss die Konsequenzen ziehen“, sagte der bayerische Vorsitzende der Jungen Union, Hans Reichhart. Aus Sicht der CSU hat Friedrich der SPD durch frühzeitige Information lediglich größeren Ärger erspart - wenn Edathy ins Kabinett aufgerückt wäre und dann als Regierungsmitglied hätte zurücktreten müssen. „Es war eine gut gemeinte politische Lösung“, sagte Hans Michelbach, Vorsitzender der CSU-Mittelstandsunion.
Seehofer nannte es zudem „völlig unglaublich“, dass ein Politiker eigene Recherchen beim Bundeskriminalamt (BKA) anstelle. Oppermann hatte angegeben, im Oktober 2013 den Chef des deutschen BKA, Jörg Ziercke, angerufen zu haben, um sich Friedrichs Warnung bestätigen zu lassen. CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl verlangte im Magazin „Focus“ eine eidesstattliche Erklärung der beteiligten SPD-Politiker zu der Frage, mit wem sie über den Fall Edathy gesprochen haben.
Oppermann verteidigte den Anruf bei Ziercke in der „Bild am Sonntag“: Er habe die Information von Friedrich „einordnen“ wollen. Es sei seine Aufgabe als damaliger Parlamentarischer Geschäftsführer gewesen, sich um Abgeordnete „in Schwierigkeiten“ zu kümmern. Oppermann bestätigte Zierckes Aussage, dass dieser ihm bei dem Telefonat keine Einzelheiten genannt und den Vorgang auch nicht kommentiert habe. Dennoch hab er den Eindruck gewonnen, dass ein Ermittelungsverfahren nicht ausgeschlossen sei. Er habe „schwere Fehlentscheidungen“ bei der Regierungsbildung vermeiden wollen, so Oppermann weiter.
„Das kommt ja sowieso raus“
Oppermann war am Donnerstag mit der Aussage an die Öffentlichkeit gegangen, der damalige Innenminister Friedrich habe SPD-Chef Sigmar Gabriel im Oktober informiert, dass der Name Edathy im Zusammenhang mit internationalen Ermittlungen aufgetaucht sei. Friedrich musste daraufhin am Freitag wegen des Verdachts des Geheimnisverrats zurücktreten. Über die Details, wer wem wann was gesagt hat, gibt es allerdings unterschiedliche Darstellungen.
Friedrich bestritt seinerseits am Rande des Parteitags vor Journalisten energisch Angaben Oppermanns, er habe in dem Gespräch mit Gabriel gesagt, vielleicht werde es zu strafrechtlichen Ermittlungen gegen Edathy kommen. Friedrich will Gabriel nur aus politischen Gründen informiert haben und nicht, um vor Ermittlungen zu warnen. Er bestätigte aber, dass es eine Abstimmung über die Erklärung gegeben hat. Er habe im Auto gesessen, als er am Mittwochabend mit Oppermann am Telefon gesprochen habe: „Oppermann hat mir gesagt: Das kommt ja sowieso raus.“ Dann habe Oppermann „irgendwas vorgelesen“.
Oppermann verteidigt Erklärung
Oppermann sagte gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ (Samstag-Ausgabe), er habe seine Erklärung mit dem entsprechenden Wortlaut am Mittwochabend mit Friedrich abgestimmt. Die Erklärung sei am Donnerstagvormittag vor der Veröffentlichung an Friedrichs Büro übermittelt und die Einigung über die Erklärung von dort auch bestätigt worden, so Oppermann.
Gegenüber der „Bild am Sonntag“ wies der SPD-Politiker jegliches Fehlverhalten zurück. Er sei sich der Brisanz der Informationen bewusst gewesen und habe sich in jeder Hinsicht gesetzeskonform verhalten. Mit der Erklärung habe er konkrete Presseanfragen ehrlich beantworten wollen, daher habe er sich entschieden, die ganze Wahrheit auf den Tisch zu legen. Friedrichs Rücktritt bedauere er: „Er hat eine Ermessensentscheidung getroffen und sich dabei sehr anständig gegenüber dem künftigen Regierungspartner verhalten. Dass er dafür mit dem Rücktritt bezahlen musste, ist bitter und tragisch.“
Keine Kritik an Gabriel
Friedrich wies zudem den Vorwurf zurück, er habe das Dienstgeheimnis verletzt: Die Informationen über Edathy seien politisch relevant gewesen. Wenn es strafrechtlich relevante Informationen gewesen wären, „hätte ich nichts gemacht“, so Friedrich. „Ich wusste, er ist auf einer Liste mit irgendwelchem unangenehmem Zeug“, sagte Friedrich. „Es waren Fotos, (...) aber keine Kinderpornografie.“ Mehr habe er nicht gewusst.
Er habe Gabriel informieren müssen. „Meiner Ansicht nach gab es da keine andere Möglichkeit.“ Friedrich räumte ein, dass er auch den Rückhalt der CDU verloren hatte: „Mangelnde Unterstützung war überall.“ An Gabriel selbst habe Friedrich nichts auszusetzen. Dessen Darstellung des Hergangs sei korrekt. Laut Seehofer soll Friedrich seine Parteiämter behalten und CSU-Bezirksvorsitzender in Oberfranken bleiben. Den Nachfolger oder die Nachfolgerin Friedrichs will Seehofer am Montag benennen. Im Rennen sind unter anderem Verkehrsstaatssekretärin Dorothee Bär (CSU) und die Bundesdrogenbeauftragte und Agrarexpertin Marlene Mortler.
„Zur Rolle der SPD ist alles gesagt“
Von der SPD äußerte sich am Samstag zunächst nur Generalsekretärin Yasmin Fahimi öffentlich. Wie bereits am Freitagabend Gabriel im ARD-Fernsehen attestierte sie Friedrich, dass er mit seiner Information an Gabriel im Oktober versucht habe, Schaden abzuwenden. „Zur Rolle der SPD ist alles gesagt“, sagte Fahimi. Die Information sei von Gabriel wie auch dem damaligen SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und Oppermann strikt vertraulich behandelt worden.
SPD-Chef und Vizekanzler Gabriel schloss am Freitag noch Rücktritte bei der SPD aus. Er habe Steinmeier und Oppermann informiert, weil sie Personalentscheidungen in der Fraktion vorbereiteten. „Die hätten sonst möglicherweise Personalentscheidungen getroffen, die wir heute vielleicht sehr, sehr bedauern würden“, sagte Gabriel in der ARD mit Blick auf die Ermittlungen gegen Edathy. Er betonte zudem, der Rücktritt belaste die Arbeit der Großen Koalition nicht nachhaltig.
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