Infos durch „geistigen Wettstreit“
Es war 2007, als der damalige US-Präsident George W. Bush fast gleichzeitig und nur wenige Kilometer entfernt die umstrittenen Verhörmethoden für Terrorverdächtige verteidigte: US-Kriegsveteranen brachen ihr Schweigen und schilderten ihre Verhörtechniken gegenüber Nazi-Kriegsgefangenen.
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Man habe Standards gehabt, die die Würde der Gefangenen nie verletzten, betonten die rund zwei Dutzend Männer anlässlich einer Ehrung 2007 in Washington, bei der sie zum ersten Mal seit sechs Jahrzehnten wieder versammelt waren. Mit dem Vorgehen der US-Regierung gingen sie hart ins Gericht, berichtete die „Washington Post“ damals.
Streng geheimes Verhörzentrum
Kaum etwas erinnert in Fort Hunt in Virginia heute an das, was vor über 60 Jahren dort passierte. Auf dem Gelände, das als Ausflugsziel dient, hatte die US-Armee 1942 ein streng geheimes Verhörzentrum eingerichtet.
Bis 1946 wurden dort fast 4.000 Kriegsgefangene, die meisten davon deutsche Wissenschaftler und U-Boot-Besatzungsleute, verhört. Tage, manchmal auch Wochen vergingen, ohne dass die US-Armee die Anwesenheit der Gefangenen dem Roten Kreuz meldete - ein klarer Verstoß gegen die Genfer Konvention.
Gewissensbisse beim Abhören
Die Verhöre seien aber ohne jede Gewalt abgelaufen, betonten die Veteranen gegenüber der „Washington Post“. „Ich habe nie jemanden geschlagen“, sagte der mittlerweile über 90 Jahre alte George Frenkel. „Wir kitzelten die Informationen in einem geistigen Wettstreit heraus. Ich bin stolz darauf, nie meine Humanität kompromittiert zu haben.“
Sie hätten sogar Gewissensbisse gehabt, die Zellen mit versteckten Mikrofonen abzuhören, schilderten die Veteranen. Diese Methode hatte sich allerdings nur so lange als brauchbar erwiesen, bis die Häftlinge erkannten, dass sie abgehört wurden. Und sie hätten sich schlecht gefühlt, wenn sie die Post der Gefangenen zensurierten. Manchmal seien sie mit einem Häftling auch essen gegangen, um ihn so zum Reden zu bringen.
Schach und Tischtennis
„Wir haben mit einer Partie Schach oder beim Tischtennisspielen mehr Information aus einem deutschen General herausbekommen, als sie es heute mit Folter können“, sagte Henry Kolm, der später als Physiker am MIT Karriere machte. Kolm stammte aus Wien, 1938 war seine Familie vor den Nazis über Belgien in die USA geflüchtet. Auch viele andere der Truppe, die in Fort Hunt die Vernehmungen durchführten, waren aus Nazi-Deutschland geflüchtet und wurden von der US-Armee aufgrund ihrer Sprachkenntnisse für Verhöre eingesetzt.
Respekt und Gerechtigkeit
Vor allem technische Details in der Rüstungsindustrie und der Raketenentwicklung sowie die Strategien der deutschen U-Boote waren die Ziele der Vernehmungen. „Wir haben es mit einem gewissen Maß an Respekt und Gerechtigkeit gemacht“, erinnerte sich John Gunther Deal, der es später zum US-Botschafter in Dänemark und Indien brachte.
Dass die US-Regierung Foltermethoden bei Verhören billigte, kritisierten die über 90 Jahre alten Männer unisono. Einer der Veteranen verweigerte sogar seine Auszeichnung, um seinem Protest gegen den Irak-Krieg und die Praktiken im Gefangenenlager Guantanamo Ausdruck zu verleihen.
Keine Unterstützung für Krieg
Es klinge für ihn so, wie wenn die Armee sagen würde: „Ihr habt damals gruselige Dinge getan, daher ist es okay, wenn wir sie jetzt machen“, meinte Arno Mayer, Professor für europäische Geschichte an der Universität Princeton.
„Ich fühle mich tief geehrt, hier zu sein, aber ich will klarstellen, dass meine Anwesenheit hier nicht bedeutet, dass ich den Krieg unterstütze“, sagte der 82-jährige Peter Weiss bei der Ehrung. Weiss ist auch Vizepräsident der US-Menschenrechtsorganisation Center for Constitutional Rights, die unter anderem den ehemaligen US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld wegen Kriegsverbrechen angezeigt hatte.
Prominente Überläufer
In Fort Hunt oder „Box 1142“ - so der Codename der Einrichtung - wurden auch zwei prominente deutsche Überläufer befragt: Wernher von Braun, das Raketenhirn der Nazis, der nach dem Krieg für die USA forschte, und Wehrmachtsgeneral Reinhard Gehlen, der mit den Resten seines Stabes „Abteilung Fremde Heere Ost“ im Chaos des Kriegsendes bald militärische Ostaufklärung für die USA betrieb. Aus der „Operation Gehlen“ entstand 1956 der deutsche Bundesnachrichtendienst, dem Gehlen auch als erster Präsident vorstand.
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