Die lange Spur der Inquisition
Die Mühlen der kirchlichen Justiz in Rom mahlen mitunter langsam. Mehr als dreieinhalb Jahrhunderte mussten vergehen, bis der Vatikan mit dem einstigen Ketzer Galileo Galilei 1992 seinen Frieden machen konnte.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Immerhin 13 Jahre waren zuvor noch notwendig gewesen, um die Arbeit der von Papst Johannes Paul II. im November 1979 eingesetzten Kommission zu beenden, die den bekannten toskanischen Gelehrten aus Pisa rehabilitieren sollte. Karol Wojtyla nahm den 100. Geburtstag des genialen Albert Einstein zum Anlass, den „Fall Galileo“ überprüfen zu lassen. Was lange währt, wird endlich gut? Die späte Gerechtigkeit für Galilei ließ einige Fragen offen.

Reuters/Marco Bucco
Galileos Grabstätte in der Basilika Santa Croce von Florenz
„In gutem Glauben“
„Merkwürdigerweise zeigte sich Galilei als aufrichtig Glaubender weitsichtiger als seine theologischen Gegner“, hielt Johannes Paul II. in seiner historischen Wiedergutmachungsrede am 31. Oktober 1992 an der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften fest. Und er zitierte Galilei aus einem Brief: „Wenn schon die Schrift nicht irren kann, so können doch einige ihrer Erklärer und Deuter in verschiedener Form irren.“
Auch das wollte der polnische Papst aus der Welt schaffen, wenn auch nicht ganz: Enttäuscht waren manche darüber, dass Johannes Paul II. meinte, die Richter hätten bei ihrem Prozess gegen Galilei „in gutem Glauben“ gehandelt. Absolution so auch für die Inquisition?
Kopernikus-Thesen bestätigt
Und worum ging es vor bald 400 Jahren? Galilei, der äußerst begabte Naturwissenschaftler, Mathematiker und Philosoph, Sohn eines Musikers aus einem pisanischen Patriziergeschlecht, begründete die moderne Astronomie. Mit einem von ihm selbst verbesserten Fernrohr aus Holland wies der begeisterte Astronom und Tüftler die Strukturen der Milchstraße und der Mondoberfläche nach, entdeckte die ersten vier Jupiter-Monde und widmete sich den Sonnenflecken.
Das alles gefiel dem damals übermächtigen Vatikan sehr. Die päpstlichen Gelehrten schätzten ihn - bis der unbeirrbare Galilei das Weltbild der Kirche einstürzen ließ. Die glaubte noch, dass sich alles um die Erde dreht.
Galilei (1564 bis 1642) schaffte es mit seinem intensiven Blick in das Sonnensystem, das wissenschaftlich zu beweisen, was von Nikolaus Kopernikus bereits 1514 als Theorie aufgestellt worden war: Die Sonne ist der Stern unseres Systems, um den sich alle Planeten drehen, also auch die Erde. Das heliozentrische Weltbild.
„Und sie bewegt sich doch“
Dieses scheint gegen die Bibel zu stehen, ein Dominikaner-Mönch denunzierte Galilei deshalb 1615. Das päpstliche Inquisitionsgericht verurteilte die Abkehr vom „ptolemäischen Weltbild“ als Irrtum, verbot Galilei die Verbreitung und setzte die Kopernikus-Schrift auf den Index. Doch der toskanische Astronom ließ nicht locker. Er studierte weiter das Sonnensystem und landete so zum entscheidenden Showdown vor Gericht.
Diesmal brachten ihn die Jesuiten vor die vatikanische Justiz. Das Inquisitionsgericht urteilte dann 1633, er müsse abschwören. Offen ist, ob Galilei, zunächst zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, die ihm abgetrotzte Abschwörung mit dem berühmten Spruch quittierte: „Und sie (die Erde, Anm.) bewegt sich doch!“
Immerhin war Papst Urban gnädig genug, die Haftstrafe in eine Art Hausarrest umzuwandeln: Der ketzerische Wissenschaftler wurde auf seinen Landsitz in Arcetri bei Florenz verbannt. 77-jährig starb der erblindete Physiker, der das Weltbild revolutioniert hatte, dort am 8. Jänner 1642.
„Nie wieder ein Fall Galilei“
„Jahrhunderte nach Galileis historischem Triumph“ wolle sich die Kirche also mit der Wissenschaft versöhnen, schrieb der „Corriere della Sera“ vor rund 20 Jahren ironisch. „Nie wieder ein Fall Galilei“, gefordert von Johannes Paul II., der Weltoffenheit und Weiterbildung erreichen wollte, bleibt eine Hoffnung. Auch ein Papst kann sich in derartigen Fragen schließlich irren. So wie Pius XII., der 1952 Darwins Evolutionstheorie nur als Hypothese gelten lassen wollte. Konflikte entstehen, wenn eine enge Auslegung der Heiligen Schrift mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen kollidiert.
Hanns-Jochen Kaffsack/dpa
Link: