Von Cahill zu Hammond zu Moog
Wie die heutige U-Musik ohne Synthesizer und E-Orgeln als deren Vorläufer klingen würde, ist schwer vorstellbar. Genau so schwer vorstellbar ist, dass es sie in dieser Form heute geben würde, hätte es vorher nicht das Telharmonium gegeben. Eigentlich sind E-Orgel und Synthesizer historische Abfallprodukte aus dem, was der US-Erfinder Thaddeus Cahill 1897 mit seinem Instrument erreichen wollte.
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De facto ist eine - echte - E-Orgel bis heute technisch nichts anderes als ein Telharmonium. Dass sie nicht 200 Tonnen wiegt, liegt lediglich daran, dass inzwischen elektrische Verstärker erfunden wurden. Beide Instrumente erzeugen den Ton über elektromagnetische Tonräder. Vereinfacht gesagt erzeugt dabei eine Ausbuchtung in einem sich drehenden Rad einen Spannungsunterschied in einer vis-a-vis liegenden Magnetspule, der als Ton hörbar gemacht werden kann.
Aus Fehlern werden Qualitäten
Genau jene „Kinderkrankheiten“, über die sich Cahill zeitlebens bei seinem Telharmonium ärgerte, sind für den E-Orgel-Sound verantwortlich, wie man ihn heute als gegeben hinnimmt. Man nehme das je nach Toneinstellung unterschiedlich gut wahrnehmbare Klicken der Tonräder und die damals unkontrolliert auftretenden - und heute gewollten - Überlagerungen von Schwingungen im Halbtonbereich: Fertig ist der dreckige Orgelsound, den Souljazz-Pioniere wie Jimmy Smith als Kapital erkannten und ohne den schließlich kaum eine Band der 60er und 70er Jahre auskam.
Eine echte Hammond B-3, das stilprägende und legendärste Orgelmodell, wiegt allerdings immer noch 193 Kilogramm - den obligatorischen Leslie-Verstärker gar nicht mitgerechnet. Bands wie Procul Harum, Deep Purple und den Doors machte das keine Sorgen. Um Transport, Aufbau und Abbau kümmerte sich irgendwer aus dem Tourtross. Wer sich nicht aus praktischen und wirtschaftlichen Gründen auf die Besetzung Gitarre, Bass und Schlagzeug reduzierte, brauchte etwas anderes, Leichteres - Stichwort E-Piano.
Zurück in die Zukunft
Die Möglichkeiten, den Klang zu ändern, blieben beim E-Piano zwar beschränkt. Doch wieder einmal sollte der technische Fortschritt aus alten Ideen plötzlich ganz neue machen: Cahills Konzept, aus einzelnen Frequenzen synthetisch neue Klänge zu mischen, war durch die Erfindung des Transistors plötzlich ohne tonnenschwere Infrastruktur möglich geworden. Daran dachte wohl auch der US-Elektrotechniker Robert Moog in den 50er Jahren.
1964 präsentierte Moog den ersten Moog Synthesizer unter seinem eigenen Namen, der zum Synonym für die ganze Instrumentengattung werden sollte. Es folgte der Minimoog, ohne den die ganzen 70er Jahre anders geklungen hätten. Es sollte allerdings noch Jahre dauern, bis aus den Rädchen und Knöpfchen von Moogs Geräten, bei denen man sich jeden Sound händisch erarbeiten musste, bequeme vorgefertigte Sounds wurden - so wie sie das letzte je gebaute Telharmonium aus dem Jahr 1907 schon hatte.
Lukas Zimmer, ORF.at
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