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Präsident nimmt Regierungsrücktritt an

Nach monatelangen Protesten von Regierungsgegnern in der Ukraine hat die Führung des Landes zentrale Forderungen der Opposition erfüllt. Ministerpräsident Nikolai Asarow reichte am Dienstag seinen Rücktritt ein, um eine politische Lösung des Konflikts zu ermöglichen. Das Parlament in Kiew nahm zudem die umstrittenen Gesetze zur Einschränkung des Demonstrationsrechts zurück.

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Präsident Viktor Janukowitsch nahm das Rücktrittsgesuch an. Auch den Rücktritt des Rests der Regierung habe der Staatschef akzeptiert, teilte das Präsidialamt in Kiew am Dienstag auf seiner Website mit. Das Kabinett werde aber geschäftsführend im Amt bleiben, bis eine neue Regierung gebildet sei. Ein Nachfolger für das Amt des Ministerpräsidenten wurde zunächst nicht genannt.

Vitali Klitschko

APA/EPA/Sergey Dolzhenko

Oppositionsführer Witali Klitschko mit weiteren Oppositionspolitikern im ukrainischen Parlament

Er habe um seine Entlassung gebeten, um einen „politischen Kompromiss für eine friedliche Lösung des Konflikts“ zu ermöglichen, erklärte Asarow. Er sprach in seiner Rücktrittserklärung von einer „persönlichen Entscheidung“, die zur Bewahrung der „Einheit und Integrität der Ukraine“ diene. Laut Artikel 115 der ukrainischen Verfassung zieht die Demission des Ministerpräsidenten den Rücktritt der gesamten Regierung in Kiew nach sich.

Klitschko: Ein Schritt zum Sieg

Oppositionsführer Witali Klitschko sprach zwar von einem Erfolg der Protestbewegung - zur Lösung der politischen Krise reicht Asarows Rücktritt allerdings nicht aus. Der „logische Schritt“ sei ein Rücktritt von Janukowitsch, sagte der 42-Jährige am Dienstag in Kiew weiter. Die Demonstranten auf dem Unabhängigkeitsplatz würden laut Klitschko jedenfalls erst nach Hause gehen, wenn die komplette Führung der Ex-Sowjetrepublik ausgetauscht worden sei. „Die Regierung Asarow hätte bereits vor über zwei Monaten zurücktreten müssen“, sagte Klitschko. Das Parlament müsse zudem eine Amnestie für inhaftierte Regierungsgegner beschließen, forderte er.

Janukowitsch hatte am Wochenende dem Oppositionsführer Arseni Jazenjuk und Klitschko angeboten, die Posten des Ministerpräsidenten und des Vizeministerpräsidenten zu übernehmen. Diese hatten es jedoch abgelehnt, unter Janukowitsch in einer Regierung zu dienen. Klitschko sprach damals von einem „vergifteten Angebot“, das die Opposition spalten solle.

Auch Timoschenko ruft zum Weiterkämpfen auf

Die inhaftierte Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko rief ebenfalls die Demonstranten zum Weiterkämpfen auf. Asarows Rücktritt sei „ein erster erfolgreicher Schritt, doch noch nicht genug“, so Timoschenko laut einer am Dienstag veröffentlichten Mitteilung. Die Regierungsgegner seien auf die Straße gegangen, um den Rücktritt der ganzen Führung zu erzwingen. „Wenn ihr jetzt stoppt, ohne den vollen Sieg zu erlangen, dann werden alle Opfer verraten sein“, betonte die 53-Jährige.

Parlament hebt Anti-Demo-Gesetze wieder auf

Das Parlament stimmte unterdessen bei einer Sondersitzung für die Aufhebung der umstrittenen Gesetze, mit denen vor zwei Wochen das Demonstrationsrecht drastisch verschärft worden war. 361 von insgesamt 412 registrierten Abgeordneten stimmten am Dienstag für die Abschaffung von insgesamt neun Gesetzen, nur zwei stimmten dagegen, wie im Fernsehen zu sehen war. Am Vorabend hatte Janukowitsch nach Gesprächen mit der Opposition angekündigt, dass das Parlament die umstrittenen Gesetze zurücknehmen werde.

Auch im Ausland heftig kritisiert

Die im Schnellverfahren erlassenen Gesetze - die Strafen etwa für das Tragen von Helmen, das ungenehmigte Errichten von Bühnen und das Besetzen öffentlicher Gebäude vorsehen - hatten zu einem erneuten Anschwellen der seit November andauernden Proteste geführt. Diese schlugen in der Folge teilweise in Gewalt um. Im Zentrum von Kiew gab es heftige Straßenschlachten, radikale Demonstranten errichteten Barrikaden und besetzten Ministerien, sechs Personen starben. Die EU und die USA hatten die Gesetze zur Unterdrückung der Opposition in Kiew scharf kritisiert.

Zu viel Macht für Präsident

Zu Beginn der Parlamentssitzung am Dienstag stimmten die Abgeordneten die Nationalhymne an, bevor sie eine Schweigeminute im Gedenken an die bei den Protesten getöteten Demonstranten abhielten. Das Parlament soll auch über eine Amnestie für festgenommene Demonstranten beraten. Im Gespräch ist zudem die Einsetzung einer Kommission zur Änderung der Verfassung, die nach Ansicht der Opposition dem Präsidenten zu viel Macht gibt.

Bedingung für die Amnestie ist allerdings, dass sich die Aktivisten aus besetzten Ministerien zurückziehen und ihre im Zentrum mittlerweile allgegenwärtigen Barrikaden abbauen. In Kiew nahmen am Dienstag Tausende Demonstranten auf dem zentralen Unabhängigkeitsplatz an einem Gottesdienst teil. Die Proteste dehnten sich zuletzt auch zunehmend auf die Provinzen aus. Regierungsgegner hielten am Dienstag in zehn der 25 Provinzen die Lokalverwaltung besetzt.

Die Proteste waren Ende November durch die überraschende Entscheidung der Regierung ausgelöst worden, ein über Jahre mit der EU ausgehandeltes Assoziierungsabkommen nicht zu unterzeichnen. Das geschah offenbar auf massiven Druck Moskaus.

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