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Neue Regeln für „grauen“ Kapitalmarkt?

Die Insolvenz des deutschen Unternehmens Prokon (Regenerative Energien GmbH), das sich mit der Entwicklung und dem Betrieb von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energie - vor allem Windkraft - befasst, dürfte mit großer Wahrscheinlichkeit politische Konsequenzen haben. Die Pleite beschäftigt nicht nur Justiz und Anlagerschutz, sondern auch die Regierung in Berlin.

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Der „graue“ Kapitalmarkt soll stärker an die Kandare genommen werden. Spätestens mit der am Mittwoch beim Landgericht Itzehoe (Bundesland Schleswig Holstein) angemeldeten Insolvenz schrillten nicht nur deutschlandweit bei Anlegern die Alarmglocken, sondern auch bei der Regierung in Berlin. Sie kündigte nun an, sie wolle künftig Kleinanleger besser vor riskanten Finanzprodukten schützen. Prokon hatte sich wesentlich über ein Genussscheinmodell mit privaten Geldgebern finanziert.

Nach einer Kabinettsklausur der deutschen Regierung am Donnerstag in Meseberg in Brandenburg kündigte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) an, Verbraucherminister Heiko Maas (SPD) und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) würden entsprechende Vorschläge dazu erarbeiten. Es müsse immer wieder darauf geachtet werden, wie sicher solche Anlageprodukte seien - auch bei neuen Formen der Bürgerbeteiligung im Zuge der Energiewende: „Das gilt sicherlich auch für Prokon“, sagte Merkel.

Rund 75.000 Anleger und 1.300 Beschäftigte

Der Betrieb am Standort Itzehoe nahe Hamburg ging vorerst weiter. Betroffen sind neben den rund 75.000 Anlegern auch insgesamt etwa 1.300 Beschäftigte, was der Politik zusätzlich Kopfzerbrechen bereitet. Verbraucherminister Maas erklärte: „Wo es Verbrauchern schwerfällt, sich selbst zu schützen, müssen wir für mehr Transparenz sorgen.“

Zur Finanzierung von Windkraftanlagen hatte Prokon bewusst auf Kredite von Banken verzichtet, sich stattdessen das Geld von Kleinanlegern geliehen und Genussrechte dafür ausgegeben. Dabei handelt es sich um kurzfristig kündbare Anlagen mit entsprechendem Ausfallrisiko. Durch den Verkauf dieser Anteile hatte Prokon etwa 1,4 Mrd. Euro eingenommen. Dabei wurden hohe Renditen von bis zu acht Prozent versprochen.

Als Genussscheininhaber eher schlecht bedient

Inhaber von Genussscheinen sind nach deutschem Recht simpel gesagt am Gewinn, den ein Unternehmen erwirtschaftet, beteiligt, in der Regel aber nicht in Entscheidungsprozesse (Stimmrecht) eingebunden. Bei einer Insolvenz werden Forderungen von Genussscheininhabern nachrangig bedient, das heißt, für sie besteht das Risiko eines Totalverlusts des eingebrachten Kapitals.

Prokon geriet wegen Kapitalkündigungen (dem Ausstieg von Anlegern) in eine Liquiditätsklemme. Am 10. Jänner hatte der Windkraftanlagenfinanzierer auf seiner Homepage die Anleger dazu aufgerufen, ihr Geld vorerst nicht aus der Firma zu ziehen und Kapitalkündigungen zurückzunehmen. Andernfalls drohe die Insolvenz.

Dieser Fall ist nun eingetreten: Am Mittwoch meldete das Unternehmen Insolvenz an, der Betrieb soll nach Worten des vorläufigen Insolvenzverwalters, Dietmar Penzlin, ohne Einschränkungen fortgeführt werden. Löhne und Gehälter sollen bis einschließlich April 2014 über Insolvenzgeld vorfinanziert werden. Rückzahlungen von Genussscheinkapital oder Zinsen seien derzeit nicht möglich. Forderungen könnten erst angemeldet werden, wenn tatsächlich ein Insolvenzverfahren eröffnet würde. Anlegerschützer erwarten ein kompliziertes Verfahren.

Finanzmarktaufsicht wird aktiv

Verbraucherminister Maas sagte, insbesondere auf dem „grauen“ Kapitalmarkt sei funktionierender Anlegerschutz von großer Bedeutung. „Wir sind uns mit dem Bundesfinanzministerium einig, dass die BaFin (Finanzmarktaufsicht, Anm.) den kollektiven Schutz der Verbraucher als wichtiges Ziel ihrer Aufsichtstätigkeit erhält.“ Nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ (Donnerstag-Ausgabe) prüft die Große Koalition auch ein Verbot für den Verkauf riskanter Finanzprodukte an Kleinanleger.

Einschränkungen beim Vertrieb sind bereits länger im Gespräch. Schon nach Bekanntwerden der Schieflage hatten Union und SPD angekündigt, Konsequenzen zu prüfen und den weniger regulierten Kapitalmarkt schärfer ins Visier zu nehmen. Im Gespräch sind unter anderem Vertriebsbeschränkungen, etwa Grenzen für den Verkauf von Genussrechten an Kleinanleger und für Nachrangdarlehen.

Die BaFin werde angewiesen, den Verbraucherschutz bei der Prüfung von Wertpapierverkaufsprospekten schon jetzt stärker in den Fokus zu nehmen und nicht zu warten, bis im Juli die Bestimmungen des neuen Kapitalanlagegesetzbuches voll wirksam würden, berichtete die Zeitung weiter. Das Finanzministerium habe darauf verwiesen, dass der Anlegerschutz in den vergangenen Jahren sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene bereits mehrfach verbessert worden sei. Auch der Verkauf von Genussrechten sei stärker reguliert als früher.

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