Presse ruft „Ende eines Gurus“ aus
Nachdem der deutsche Windparkentwickler Prokon Mitte der Woche Insolvenz angemeldet hat, bangen nicht nur Zehntausende Investoren um ihr Geld, kolportierte 1,4 Mrd. Euro. Es ist auch eine heftige Debatte über das Geschäftsmodell an sich entbrannt. Firmengründer Carsten Rodbertus muss sich ein „windiges“ Investmentmodell vorwerfen und möglicherweise bald auch unangenehme Fragen gefallen lassen.
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Die drohende Pleite der Prokon Regenerative Energien GmbH sei das „Ende eines Gurus“, titelte am Donnerstag das „Handelsblatt“. Die deutsche Wirtschaftszeitung nannte Rodbertus, dessen öffentliche Wahrnehmung immer schon irgendwo zwischen Messias und Rattenfänger schwankte, sinngemäß eine Art Prediger, der seinen Anlegern das Heil in Form grüner Energie und hoher Renditen versprochen habe. Nur konnte dieses Renditeversprechen auf Dauer nicht gehalten werden.
Unzählige Kleininvestoren hätten auf das „Weltbild ihres Gurus Rodbertus“ gesetzt, das ganz ohne „böse Banker“ auskommen hätte sollen. So sei eine „ungesunde Kreditstruktur“ entstanden, über die Finanzmarktexperten sich eigentlich „nur wundern konnten“. Probleme gab es schließlich, als zu viele Geldgeber plötzlich gleichzeitig ihr eingesetztes Kapital wieder zurückhaben wollten. Das Unternehmen bekam Liquiditätsschwierigkeiten. Der mehrfach in der Presse („Tagesspiegel“, „NDR“, „Süddeutsche Zeitung“) gezogene Vergleich mit einem Kartenhaus lag nahe.
Acht Prozent Zinsen trotz Verlusten
Eigentlicher Anlass war, dass Prokon Verluste geschrieben, seinen Anlegern aber trotzdem weiter um die acht Prozent Zinsen für ihr Geld (via Genussrechte) gezahlt hatte, wie Ende Oktober bekanntwurde. Das wurde natürlich vielen zu „heiß“, immer mehr Investoren zogen Geld ab. Insgesamt sollen sich die Abflüsse bis zuletzt auf 188 Mio. Euro summiert haben.

APA/EPA/Ulrich Perrey
Die Unternehmenszentrale von Prokon in Itzehoe (Schleswig-Holstein): Der Name steht für „Projekte“ und „Konzepte“ auf dem Sektor erneuerbare Energieformen
Rodbertus warnte seine Anleger für den Fall, dass weiter Kapital abfließt, vor der Gefahr einer Insolvenz. Seine Warnung wurde ihm vielfach als Erpressungsversuch ausgelegt, Anlegerschützer gingen auf die Barrikaden. Rodbertus entschuldigte sich schriftlich, musste aber schließlich einräumen, dass sein Unternehmen „keinerlei Rückzahlungen oder Zinsauszahlungen“ mehr vornehmen könne, wie etwa die deutsche „Welt“ aus einem Schreiben des Unternehmens zitierte. Mit der Presse ist der Prokon-Chef auf Kriegsfuß, er wirft den Medien eine „Skandalisierungswelle“ vor, die seinem Unternehmen geschadet habe.
Unklares Zukunftsszenario, ungeklärte Rechtsfragen
Wie es mit der Unternehmensgruppe nun weitergeht, ist vorerst unklar. Das Worst-Case-Szenario: Anleger sind ihr Geld los, da sie mit Genussscheinen eher am sprichwörtlichen Ende der Nahrungskette stehen. Der Idealfall: Es kommt de facto gar nicht zur Pleite. Drei Rechtsexperten seien mit Gutachten beauftragt, sagte der vom Amtsgericht Itzehoe bestellte vorläufige Insolvenzverwalter Dietmar Penzlin. Sie sollen die Frage klären, ob gekündigte Genussrechtsanteile von Anlegern überhaupt offene Forderungen gegen das Unternehmen im Sinne des Insolvenzrechts darstellten.
Nur dann nämlich wäre Prokon überschuldet, und das Amtsgericht könnte das Insolvenzverfahren eröffnen. Andernfalls läge keine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit vor, weil es keine weiteren nennenswerten offenen Forderungen gegen Prokon gäbe. Die Gutachten sollen in zwei bis drei Monaten vorliegen. Für eine Bewertung der Lage und einen Ausblick zur Zukunft des Unternehmens sei es aber noch zu früh, so Penzlin. Rodbertus soll seit 2011 die Veröffentlichung von Bilanzen schuldig geblieben sein, was die Sache nicht einfacher macht.
Firmenchef sieht Unterstützung bei Investoren
In einem auf der Website des Unternehmens veröffentlichten Schreiben vom Mittwoch hieß es, dass ein großer Teil der Anleger weiter hinter Prokon stehe. Innerhalb von zehn Tagen habe „sich die Hälfte (!) aller unserer Anleger aktiv hinter uns gestellt“. Von einem Aus sei - trotz angemeldeter Insolvenz - längst noch keine Rede. Prokon will nun, wie Vorstandschef Rodbertus am Donnerstag sagte, Windparks verkaufen, um sich Geld zu besorgen. „Damit werden wir auch den Nachweis erbringen, dass es stille Reserven im Unternehmen gibt, eben die Windparks.“ Bei einer Pressekonferenz räumte der Prokon-Gründer Fehler ein und versprach Veränderungen. In Zukunft soll es einen Beirat geben, damit Anleger besser über die Unternehmensführung informiert würden. Einzelheiten nannte er nicht.
Auch rechtliche Fragen könnten auf die Unternehmensführung zukommen. Die Staatsanwaltschaft Lübeck geht inzwischen mehreren in den vergangenen Monaten eingegangenen Strafanzeigen gegen Prokon nach. Die Prüfung, ob ein Anfangsverdacht wegen Betrugs und weiterer Wirtschaftsdelikte - ein Vorwurf lautet etwa Insolvenzverschleppung - besteht oder nicht, werde mindestens noch einige Wochen dauern, sagte Oberstaatsanwältin Wenke Haker-Alm. Sollte es diesen Verdacht geben, würden Ermittlungen aufgenommen.
„Grün“ oder nicht: Mehr Rendite ist gleich mehr Risiko
Alles in allem könnte mit dem Fall auch ein Imageschaden an der „grünen“ Energiebranche, aber auch alternativen Finanzierungsmodellen hängen bleiben. Das Forum Nachhaltige Geldanlagen e.V. (FNG) mahnte am Donnerstag in einer Presseaussendung eine „sachliche und differenzierte Debatte“ ein.
In der Öffentlichkeit sei „an einigen Stellen der Eindruck entstanden, nachhaltige Anlageprodukte seien generell risikoreich“ und der Wunsch, bei der Geldanlage (…) auch soziale und ökologische Ziele in den Blick zu nehmen, verführe Anleger „zu zweifelhaften Investmententscheidungen“. Ein Hinweis, den sich Investoren - egal was sie mit ihrem Geld tun - zu Herzen nehmen sollten: „Auch bei nachhaltigen Anlageprodukten besteht ein Zusammenhang zwischen Risiko und Rendite.“
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