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Das Geschäft mit der Prominenz

Im Kampf um Macht und Einfluss in der US-Hauptstadt Washington sind abseits von handfesten Politagenden Partys der Gradmesser für die Wichtigkeit und das Ansehen der eigenen Person. Doch noch wichtiger ist man, wenn man diese Partys auch ausrichten darf.

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So gilt Tammy Haddad als die Partyqueen von Washington. Die ehemalige TV-Produzentin hat sich innerhalb weniger Jahre einen fixen Platz in der Hauptstadtprominenz gesichert. Sie organisiert Festlichkeiten wie etwa Geburtstagsessen, Abschiedspartys und andere Events für das Who’s who der Politprominenz. Die großgewachsene dunkelhaarige Frau mit der markanten weißen Strähne kennt jeden, und jeder kennt sie, wie Mark Leibovich, Autor des Buches „This Town“, im „New Republic“ schreibt.

„Tam-Cam“ immer dabei

Haddad wurde zu Anfang durch ihre „Tam-Cam“ bekannt, die sie zu jeder hochrangig bestückten Party, auf der sie eingelassen wurde, mitnahm. Sie führte damit kleine Interviews mit Prominenten, die sie bereits kannte, und stellte die Filmchen online.

Haddad wurde dadurch immer bekannter, gleichzeitig wollten dadurch immer mehr Prominente mit der „Tam-Cam“ abgelichtet werden. Noch heute sieht man sie laut Leibovich mit ihrer Kamera auf den von ihr ausgerichteten Festivitäten. Die Interviews beschreibt Leibovich als aufdringlich, aber kurz und schmerzlos. Wie ein leichter kleiner Einlauf, so einer seiner Informanten in einem Interview.

Die Erfindung einer Subökonomie

„Mein Job ist es, bei den Erfolgreichsten, den Aufstrebendsten und Leuten mit dem meisten Einfluss zu sein“, so Haddad zu Leibovich. Dieser Klüngel hat laut Leibovich in Washington bereits immer existiert, jetzt trage er allerdings bereits eine ganze Subökonomie, wie etwa die Geschäfte von Haddad bewiesen.

Selbst ernannte Strategen, Konsulenten und Agenten „kleben wie Seepocken auf der Geldbarke und ernähren sich von Grünem“, beschreibt Leibovich leicht poetisch diese Form der Wirtschaft in Washington. In den letzten Jahren sei die Hauptstadt zu einem Schmelztiegel von schnellem Vermögen, schnellem Erfolg und schneller Vergebung bis zum nächsten Akt geworden. Das notorische Self-Branding von allem und jedem stößt Leibovich sauer auf. Und Haddad gilt ihm als Vorzeigebeispiel in dieser ausufernden Kultur des Generierens der eigenen Wichtigkeit - quasi der Adabei-Effekt in Machtgefilden.

Dutzende Prä- und Afterpartys

Deshalb seien die meisten Partys in Washington auch nur noch selbstreferenziell, und die Einladungen in die abgeschlossenen Zirkel dienten wiederum nur als Beweis dafür, dass man zähle. Als Beleg zählt Leibovich etwa das White House Corresondents’ Association Dinner auf. Davor und danach gebe es rund zwei Dutzend Prä- und Afterpartys. Haddad mache dabei kräftig mit. Vor allem Einladungen zu ihrem Brunch am Tag des Dinners seien heiß begehrt. Haddad sei die menschliche Schöpfkelle an diesen Buffets, lästert Leibovich.

Promifaktor im Tiefflug

Einst galten als Washington-Insider mit ihren Elitedinners und Gartenpartys einige hundert Mächtige, die sich aus aktiven und ehemaligen Kongressmitgliedern, dem Kabinett und Personal des Weißen Hauses sowie reichen Prominenten, Botschaftern und einflussreichen Journalisten der Referenzmedien wie etwa der „Washington Post“ zusammensetzte - eine mehr oder weniger überblickbare Gruppe, so Leibovich.

Heute ufere diese Gruppierung immer mehr aus. Laut Leibovich tummeln sich nun in dem Umfeld der Eliten mehrere Zehntausend. Möglich gemacht haben das laut Leibovich Twitter, Blogs und Co. Die Standards der lokalen Prominenz seien tief gefallen, so Leibovich weiter.

Haddad habe es geschafft, sich in den Kreis von US-Präsident Barack Obama „einzunisten“. Zu Beginn seiner Amtszeit im Weißen Haus habe Obama genau diesen Promirummel abgelehnt - jetzt sei er selbst ein Teil dieser „Show“, so der Washington-Insider, dank Haddad.

Von Pittsburgh nach Washington

Haddad wuchs in Pittsburgh auf. Ihre Familie stammt ursprünglich aus Syrien. Ihr Vater war Eigentümer einer Tankstelle. Nach dem Studium an der University of Pittsburgh war sie jahrelang Produzentin von „Larry King Live“ - einer Talkshow auf dem US-Nachrichtensender CNN, die von 1985 bis zum Ruhestand Kings Ende Dezember 2010 gesendet wurde. Hier traf sie zum ersten Mal mit der US-Politprominenz zusammen. Der Grundstein für ihre spätere Arbeit wurde hier gelegt. Sie produzierte auch weitere Polittalkshows etwa für MSNBC „Hardball with Chris Matthews“. Diese Phase endete mit ihrer Scheidung von Matthews 2007.

Gezielt im Obama-Umfeld unterwegs

Und dann erfand sie sich selbst und begann, im Umfeld der Politprominenz von Washington tätig zu werden, wie Leibovich schreibt. Ihre ersten Lorbeeren verdiente sie sich mit der Organisation von Partys mit Politikern und Prominenz. Haddad arbeitete hart daran, Freunde im Obama-Umfeld für sich zu gewinnen. So richtete sie etwa Partys für den Sohn des Stabschefs von First Lady Michelle Obama aus. Auch Abschiedspartys von Sekretären und Beratern von Obama wurden von ihr organisiert. Ihr Ruf, gute Verbindungen zu Obama und seinem Umfeld zu haben, wuchs dadurch stetig.

Charity-Engagement mit Nebeneffekt

Haddad engagiert sich auch im Charity-Bereich. Sie sammelt bei entsprechenden Events Geld für die Epilepsieforschung. Doch auch hier steckt ein Quäntchen Kalkulation dahinter: Die Tochter des Wahlkampfleiters von Obama 2008 und Chefberaters bis 2011, David Axelrod, leidet unter der Krankheit. Ein weiteres Tor in Richtung Obama war damit geöffnet.

Haddad hat sich mit der Zeit ein kleines Beratungs- und Medienimperium aufgebaut. So beriet und berät sie Medien wie etwa „Politico“, „Newsweek“, Bloomberg, „National Journal“, „Washington Post“, den Verlagskonzern Conde Nast und den US-Kabelsender HBO. Ihre Arbeit umfasst Videoproduktionen, Eventplanung. Ihre Verbindungen in die US-Medienlandschaft nutzt sie auch geschickt, um ihren Politklienten Zugang zu Journalisten zu schaffen. So bucht sie etwa Politiker für Interviews in Zeitungen und Zeitschriften.

Lob für Toiletten in der „Air Force One“

Haddad vermittelte „Newsweek“ mit ihren White-House-Kontakten etwa ein Interview mit Obama, nachdem sich das Politmagazin monatelang vergeblich darum bemüht hatte. Gleiches gilt für ein Exklusivinterview mit Michelle Obama. Das Interview mit dem Präsidenten wurde in der „Air Force One“ geführt und sorgte für Aufsehen. Auch Haddad war anwesend - niemand wusste allerdings, was ihre Rolle dabei war. Sie twitterte jedoch fleißig und lobte die „Cadillac-Qualität der ledernen Klodeckel“ in der Toilette, „die den Ansprüchen eines Sumo-Ringers gerecht wird“, wie Leibovich mit Verweis auf Haddad schreibt.

Haddad sitzt also an der begehrten Nahtstelle zwischen Politik und Berichterstattung und kann durch ihren Ruf und Bekanntheit beide Felder bedienen. Inwieweit das positiv gewogene Berichte oder gar Hofberichterstattung auslöst, darüber kann nur spekuliert werden.

Peter Bauer, ORF.at

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