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Brandschutzmittel als Umweltzeitbombe

Im ganzen Land werden zurzeit Keller, Dächer und Fassaden wärmegedämmt. Für die Umweltschutzorganisation Greenpeace eine gute Entwicklung. Doch die Verkleidung aus Kunststoff birgt auch Risiken. Die Platten aus Polystyrol - besser bekannt als Styropor - werden mit hochgiftigen Brandschutzmitteln imprägniert, was in 30 Jahren zu einem ernsten Recyclingproblem führen kann.

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„Grundlegend ist für uns die Wärmedämmung ökologisch eines der sinnvollsten Dinge, die man machen kann“, erklärt Herwig Schuster von Greenpeace. Da sei die Frage nach den Dämmmaterialien immer ein Sekundäres. Doch das perfekte Material gebe es bisher noch nicht, räumt Schuster im Gespräch mit ORF.at ein. „Jedes Material auf dem Markt hat den einen oder anderen Nachteil.“

Biodämmstoffe bleiben Nischenprodukt

Ökologisch am unbedenklichsten seien Materialen aus Schafwolle oder Hanf, doch hier „stoßen wir auf ein Verfügbarkeitsproblem“, erklärt Schuster. „So viele Schafe gibt es nicht auf der Welt, und große Flächen mit Hanf anzubauen tritt rasch in Konkurrenz mit Biotreibstoffen und Lebensmittel.“ Damit bleiben Biodämmstoffe ein Nischenprodukt.

Deutlich besser verfügbar sind die auf dem Massenmarkt üblichen Kunststoffdämmprodukte. „Sie haben den Vorteil, dass sie so billig sind, dass dank ihnen eine Dämmung mittlerweile auch für Hausbesitzer interessant wird, die über kein großes Budget verfügen“, erklärt der Greenpeace-Experte. Dass die Kunststoffplatten fossil sind, ist für Greenpeace weniger das Problem. Solange auf der Welt bis zu 98 Prozent der Ölvorkommen zur Energiegewinnung verheizt werden, seien die zwei, drei, vier Prozent zur Kunststoffgewinnung kein Rohstoffthema.

Brandschutzmittel bis in die Arktis nachweisbar

Ein durchaus problematisches Thema sieht Schuster jedoch in den in den Dämmplatten verarbeiteten Brandschutzmitteln. Sie werden dem Material beigemischt, da Styropor ohne sie leicht entflammbar wäre. In vielen kommt das Brandschutzmittel Hexabromcyclododecan (HBCD) vor. Hexabromcyclododecan ist ein persistentes und bioakkummulierendes Umweltgift, es verbleibt also dauerhaft in der Natur und reichert sich in Organismen an, wie Greenpeace im vergangenen Jahr in ihrem eigenen Magazin schrieb. Es steht zudem im Verdacht, die Fortpflanzung zu schädigen.

„Der Stoff wurde sogar in der Arktis nachgewiesen, weil er auch die Verfrachtung über weite Entfernungen überdauert. Wegen der Kombination dieser kritischen Stoffeigenschaften wurde er von der Europäischen Chemikalienagentur bereits 2008 als besonders besorgniserregend eingestuft“, heißt es in dem Artikel. Seit rund acht Monaten besteht ein weltweites Herstellungs- und Anwendungsverbot für HBCD. Doch wegen jahrelanger Übergangsfristen wird es vermutlich noch Jahre dauern, bis dieser Stoff gänzlich vom Markt verschwunden ist.

In 30 Jahren ein großes Recyclingproblem

Dadurch wirft sich ein Recyclingproblem auf. Die heute handelsüblichen Wärmedämmsysteme haben eine durchschnittliche Lebensdauer von 30 bis 40 Jahren. Dann werden enorme Mengen an Styropor zu ersetzen sein. „Eine stoffliche Verwertung wird es aufgrund der Flammschutzmittel nicht geben“, erklärt Schuster. „Diese Dämmmaterialien wird man als problematischen Abfall entsorgen müssen.“ Da sei ein massiver Forschungsauftrag in Richtung chemischer Industrie gefragt, um Flammschutzmittel zu entwickeln, die ökologisch vertretbar einsetzbar sind, fordert Greenpeace.

Trotzdem stehe die Wärmedämmung immer noch an erster Stelle, bekräftigt Schuster. Die Sanierungsquoten könnten durch Festlegung höherer Baustandards und die Vereinheitlichung der Bauvorschriften in den einzelnen Bundesländern noch vorangetrieben werden, glaubt die Umweltschutzorganisation. Wobei Kunststoffprodukte weiterhin den Massenmarkt dominieren würden, so Schuster. „Im Sinne der Ökobilanz muss man das Entsorgungsproblem halt in Kauf nehmen.“

Gabi Greiner, ORF.at

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