Terrorgefahr und heikle politische Themen
Im Vorfeld der Olympischen Winterspiele im russischen Sotschi ist Politik zumeist genauso sehr ein Thema wie Sport, mitunter sogar noch mehr. Die Debatte über den autokratischen Stil der russischen Regierung, ihr Umgang mit Minderheiten, nicht zuletzt auch Terrorszenarien überschatteten ständig die Vorbereitungen.
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Sponsoren, die bei dem Großspektakel präsent sind, verlange das einen besonders „vorsichtigen Balanceakt“ ab, hieß es dazu vorige Woche in der „Financial Times“. Sotschi 2014 sei für sie eine „riskante Wette“. Alternativen bleiben ihnen jedoch kaum.
Bei Olympia präsent zu sein ist vor allem für die großen Konsumgüterkonzerne quasi Pflicht. Bei so gut wie keinem anderen Großereignis erreicht man über die Dauer von Wochen via Übertragungen in die ganze Welt eine derartige Markenpräsenz. Deshalb lassen sich das Unternehmen wie Coca-Cola, McDonald’s, Visa und zahlreiche andere auch stolze Summen kosten. Dafür biete das sportliche Großevent die einmalige Möglichkeit, sich ein kleines bisschen im Glanz von Olympia zu sonnen, so die Londoner Zeitung.
Werbeetats in Rekordhöhe
Das Gegenteil des gewünschten Effekts - und wohl die Katastrophe für jeden Vermarktungsstrategen - ist es allerdings, wenn eine Marke plötzlich mit negativen Ereignissen assoziiert wird. Insofern sei Sotschi wegen der „potenziellen Sicherheitsrisiken und der Menschenrechtskontroversen in Russland“, die heuer mehr Aufmerksamkeit erregen als bei Olympischen Spielen zuvor (mit Ausnahme Chinas), ein ziemliches Glatteis.
Die Werbeausgaben, berichtete die britische Wirtschaftszeitung, würden in diesem Jahr ein Rekordniveau erreichen. Der US-Kabelnetzbetreiber Comcast bzw. seine Medientochter NBC Universal habe rund 775 Mio. Dollar (fast 570 Mio. Euro) in die Übertragungsrechte für Sotschi investiert, der Sender habe Werbezeiten für 800 Mio. Euro verkauft, „ein Rekord für Winterspiele“. Russland hatte lange vor dem Endspurt Sponsoringeinnahmen (nur über nationale Partner) in einer Höhe von 1,1 Mrd. Dollar (rund 800 Mio. Euro) gemeldet.
Worst-Case-Szenario für Markenführung
Zu den nationalen Sponsoren zählen unter anderem die Fluglinie Aeroflot, die Sberbank, der Telekommunikationskonzern Rostelekom und der Energiekonzern Rosneft. Unter den internationalen Großsponsoren finden sich unter anderem Konzerne wie Coca-Cola, McDonald’s, Visa, Samsung und Panasonic.
Ernste Sicherheitsbedenken bestehen, obwohl die russischen Behörden die Olympiastadt am Schwarzen Meer derzeit praktisch in eine Festung verwandeln, vor allem wegen mehrerer Terroranschläge in der rund 700 Kilometer von Sotschi entfernten Stadt Wolgograd mit über 30 Toten im Dezember. „Neben der Berichterstattung über einen potenziellen Terroranschlag zu werben wäre ein Desaster“, die Werber würden ihre teuren Spots wohl zurückziehen.
Nicht von Strudel „der Politisierung aufsaugen“ lassen
Doch so weit muss es gar nicht kommen: Alleine die Debatten über die Rechte von Homosexuellen, den umstrittenen „Propaganda“-Paragrafen und den Umgang des Kreml mit politischen Gegnern sind ein Minenfeld für Werber. Ihnen müsse es gelingen, die „einzigartige und wunderbare“ Seite der Spiele für sich zu nutzen, möglichst ohne an einem negativen Aspekt auch nur anzustreifen. Sie dürften sich, so Robert Mathias, Vorstandschef bei Ogilvy Public Relations für Nordamerika, keinesfalls „in die Politisierung der Spiele saugen lassen“.
Mehrere internationale Spitzenpolitiker meiden die Spiele aus - mehr oder minder offenem - Protest: Deutschlands Bundespräsident Joachim Gauck, sein französischer Amtskollege Francois Hollande, US-Präsident Barack Obama, EU-Justizkommissarin Viviane Reding. Österreich wird bei den 22. Olympischen Winterspielen, die zwischen 7. und 23. Februar stattfinden (anschließend von 7. bis 16. März die Paralympics) offiziell durch Bundeskanzler Werner Faymann und Sportminister Gerald Klug (beide SPÖ) vertreten sein.
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