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„Unkontrolliertes“ 156-Milliarden-Geschäft

Während die Machenschaften des US-Geheimdienstes National Security Agency (NSA) nach wie vor im Zentrum einer laufenden Datenschutzdebatte stehen, gibt es aus Sicht eines US-Senatsausschusses auch abseits davon besorgniserregende Entwicklungen. Die Rede ist vom lukrativen Handel mit Daten, aus dem mittlerweile eine milliardenschwere Schattenindustrie entstanden ist.

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Nach umfangreichen Untersuchungen, bei denen auch Vertreter von großen US-Datenhandelskonzernen vorgeladen wurden, soll ein nun vorgelegter 36 Seiten umfassender Bericht des U.S. Senate Committee on Commerce, Science & Transportation einen Einblick in die offenbar immer rigider vorgehende Branche geben. Dass es sich bei personenbezogenen Daten um eine wahre Goldgrube handelt, steht jedenfalls außer Frage: Von der weitgehend als unkontrolliert bezeichneten Branche werden laut dem Onlineportal Wire geschätzte 156 Milliarden Dollar (113 Mrd. Euro) umgesetzt - Tendenz stark steigend. Der demokratischen Senator Jay Rockefeller nannte diese Datenindustrie „besorgniserregender als die NSA“.

„Konsumenten werden stigmatisiert“

Die Zeiten, in denen man sich mit Profilen zufriedengab, aus denen lediglich grundsätzliche Informationen wie beispielsweise „sportbegeistert“ und „reiseinteressiert“ hervorgehen, scheinen jedenfalls schon lange vorbei. Mittlerweile wird mit weit persönlicheren Daten gehandelt, wie von den neun Platzhirschen der Branche (Acxiom, Experian, Epsilon, Reed Elsevier Equifax, TransUnion, Rapleaf, Spokeo und Datalogix) bei ihren Einvernahmen teils auch selbst eingestanden wurde.

Zu den zentralen Erkenntnissen der Untersuchung zählt, dass die Databroker in bisher anscheinend nicht gekanntem Ausmaß detaillierte Informationen über Konsumenten sammeln und profitreich weiterverkaufen. Allein bei Acxiom habe man es beispielsweise mit rund 700 Millionen personenbezogenen Datensätzen zu tun. Die Bandbreite der Informationen umfasse neben dem Auto in der Garage, der Art des Haustieres und dem verwendeten Shampoo auch Daten über Kreditwürdigkeit und nicht zuletzt Gesundheitszustand und eventuelle Gebrechen.

Soziale Netzwerke als Datenfundgrube

Die Folge sei, dass Konsumenten durch die erstellten Daten geradezu „stigmatisiert“ würden, so Senator Rockefeller laut dem Magazin „AdWeek“ (Onlineausgabe). Auch die Art und Weise, wie die Unternehmen zu ihren Informationen kommen, bewegt sich nach Ansicht der Untersuchungskommission zumindest in einem rechtlichen Graubereich.

Verwiesen wird aber auch darauf, dass Konsumenten - sei es bewusst, sei es unbewusst - via Internet, Smartphones und Tablets auch immer mehr private Daten preisgeben. Vor allem Soziale Netzwerke seien laut einem Databroker eine Fundgrube. Dem Senatsbericht zufolge steigt aber nicht nur das Datenvolumen - die Datenverkäufer verfügen auch über eine immer ausgereiftere Technologie, mit der die Informationen gesammelt, verwaltet und ausgetauscht werden können.

Liste von Vergewaltigungsopfern

Für die Kundschaft können damit geradezu maßgeschneiderte Datensätze abgeliefert werden - sei es zur Prüfung der Kreditwürdigkeit durch Versicherungen, Werbe- und Marketingzwecke oder sonstige Einsatzbereiche. Das Repertoire scheint laut Gawker jedenfalls keine Grenzen zu kennen. Berichtet wird von detaillierten Datensätzen, in denen sich Namen, Adressen sowie Krankheiten wie Krebs, Diabetes und Depressionen finden. Selbst eine Liste mit Vergewaltigungsopfern, so die Organisation World Privacy Forum, sei im Angebot eines Datenhändlers entdeckt worden.

Peter Prantner, ORF.at

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