Experte befürchtet großes Blutvergießen
Vor einem Jahr haben sie zu den Waffen gegriffen, jetzt wollen sie die Entscheidung erzwingen: Dorf für Dorf erobern die Bürgerwehren den westmexikanischen Bundesstaat Michoacan, am Wochenende kesselten sie Apatzingan ein. Die Bezirksstadt in der Region Tierra Caliente gilt als Hochburg des Drogenkartells Caballeros Templarios (Tempelritter), die Erzfeinde der selbst ernannten Gemeindepolizisten.
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Die Männer sind mit modernen Sturmgewehren und schusssicheren Westen ausgerüstet, in Pick-up-Jeeps patrouillieren sie durch die von ihnen kontrollierten Ortschaften. „Die Bürger haben nach uns gerufen“, sagte der Anführer der Bürgerwehr von La Ruana und einer der prominentesten Sprecher der Bewegung, Hipolito Mora, im Interview der Zeitung „Cambio de Michoacan“.
Brennende Fahrzeuge und Brandsätze
Doch die Bürgerwehren sind nicht überall willkommen. Ihr Vormarsch auf Apatzingan wird von heftigen Auseinandersetzungen begleitet. Immer wieder stellen Unbekannte Lastwagen und Busse quer zur Straße und zünden die Fahrzeuge an. In Apatzingan wurden Brandanschläge auf die Rathäuser und Geschäfte verübt. Örtliche Medien berichten von Schießereien.
Wer hinter den Angriffen steckt, ist unklar. Die Bürgerwehren machen Handlanger der Tempelritter für die Attacken verantwortlich. Mindestens zwei Menschen wurden bei Gefechten in Mugica und Antunez erschossen. Die Selbstverteidigungsgruppen nahmen mehrere mutmaßliche Informanten des Kartells fest. Einer direkten Auseinandersetzung gehen die Caballeros Templarios bisher aus dem Weg.
Streitkräfte machtlos
Am Wochenende rückten zusätzliche Einheiten der Streitkräfte und rund 1.500 Bundespolizisten in den bereits stark militarisierten Bundesstaat ein. Sie lösten mehrere Straßenblockaden auf und patrouillierten im Stadtzentrum von Apatzingan. Den bürgerkriegsähnlichen Zuständen auf dem Land konnten sie bisher jedoch kein Ende setzen.
Offiziell lehnt die mexikanische Regierung die Selbstverteidigungsgruppen ab. Die Bürgerwehren stünden außerhalb der Rechtsordnung und würden von den Behörden nicht anerkannt, sagte Innenminister Miguel Angel Osorio Chong am Freitag. Tatsächlich werden die Gruppen von den völlig überforderten Sicherheitskräften in der Region wohl zumindest geduldet.
Bürgerwehren haben im Westen Mexikos Tradition, die jüngste Offensive ist aber selbst für diese Region ungewöhnlich. Im Kampf gegen die Terrorherrschaft der Tempelritter griffen die Bürger in der Tierra Caliente vor knapp einem Jahr zu den Waffen und besetzten einzelne Dörfer. Jetzt wollen sie eine Entscheidung in ganz Michoacan erzwingen.
„Wird heftige Kämpfe geben“
Drahtzieher des massiven Aufmarschs ist offenbar Jose Manuel Mireles. Nachdem der Chef der Bürgerwehr von Tepalcatepec bei einem Flugzeugabsturz verletzt wurde, liegt er unter Polizeischutz in einem Krankenhaus in Mexiko-Stadt und soll von dort seine Männer per Telefon dirigieren.
Die Nationale Menschenrechtskommission macht die Schwäche des Staates für die jüngste Eskalation verantwortlich. „Die Bürgerwehren versuchen, Funktionen zu übernehmen, die nicht sie, sondern der Staat erfüllen sollte“, sagte Ombudsmann Raul Plascencia im Interview der Zeitung „El Universal“. Sicherheitsexperte Alejandro Hope befürchtet, dass das Kräftemessen blutig endet. „Wenn die Bürgerwehren Apatzingan erobern wollen, wird es heftige Kämpfe geben“, schreibt er in einer Analyse für das Internetportal Insight Crime. „Meine Prognose: Michoacan wird 2014 zu den gewalttätigsten Bundesstaaten gehören.“
Denis Düttmann, dpa
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