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Viele Ermordete werden nie gefunden

17 Leichen haben Sicherheitskräfte Anfang Dezember an einem Hügel nahe Guadalajaras im Westen Mexikos gefunden. Seit dem 9. November waren zuvor allein im Grenzgebiet der Bundesstaaten Jalisco und Michoacan 67 verscharrte Körper entdeckt worden. Die Polizisten, die auf die Grabstellen stießen, waren auf der Suche nach zwei Kollegen, die Anfang November in der Gegend verschwunden waren.

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In beiden Fällen gehen die Behörden von einer Verstrickung des Drogenkartells Jalisco Nueva Generacion aus. Es ist eine häufige Vorgehensweise von Mafia-Banden, Massengräber auszuheben und darin teilweise verstümmelte und verbrannte Leichen zu vergraben. Die Verschwundenen werden Wochen, Monate später, vielleicht auch nie gefunden. Weit mehr als 70.000 Menschenleben hat in den vergangenen sieben Jahren die Gewalt gefordert, die die Mafia-Banden in ihrem Krieg um territoriale Kontrolle entfesselten. Die Entdeckung verscharrter Leichen ist zu einer schaurigen Konstante für Mexiko geworden.

Offene Rechnungen

Im vergangenen Monat stießen die Sicherheitsbehörden erneut auf mehrere versteckte Gruben. Mehr als hundert Leichen wurden gefunden - neben Jalisco und Michoacan auch in anderen Bundesstaaten wie Guerrero, Sonora, Zacatecas und Morelos. Im August wurden im Bundesstaat Mexico die Leichen von zwölf Jugendlichen entdeckt, die im Mai in einem Ausgehviertel von Mexiko-Stadt entführt worden waren. Bei der Verschleppung und Ermordung der Jugendlichen wurde wohl eine offene Rechnung in einem Konflikt zweier Drogenbanden beglichen, die in der Hauptstadt konkurrieren.

Versteckte Massengräber, in allen Himmelsrichtungen Mexikos, die Regierungen geizen in Bezug auf die Fälle mit Zahlen und Bestätigungen. Morelos’ Gouverneur, Graco Ramirez, beschränkte sich auf die Beteuerung, dass die Opfer in seinem Bundesstaat nicht in Zusammenhang mit Verbrechen stünden, die während seiner Amtszeit geschehen seien, sondern höchstens mit früheren. In einigen Fällen geben Mitglieder der Mafia selbst im Polizeiverhör den Hinweis auf das eine oder andere Grab. In anderen Fällen sind es aber auch lokale Polizisten, die plötzlich Bescheid wissen.

„Polizisten als Komplizen“

Bei den Gräbern im Grenzgebiet von Jalisco und Michoacan hätten lokale Sicherheitsbeamte im Verhör durch die mexikanische Armee Hinweise auf die Fundstellen geliefert, sagte der Ermittler Javier Oliva, Professor für Politikwissenschaft an der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko (UNAM) .

„Und das heißt, dass die Polizisten nachweislich heimliche Komplizen der Verbrecher waren“, so Oliva weiter. Er hält die lokalen Behörden für unfähig, sich dem gewaltigen Sicherheitsproblem zu stellen: „Der Beweis dafür ist, dass die zwei Gouverneure der betroffenen Bundesstaaten nicht ein Wort über das Thema verloren haben.“

Der Ermittler geht davon aus, dass die Funde des vergangenen Monats mit den geheimen Friedhöfen in Zusammenhang stehen, die in Durango und Tamaulipas gefunden wurden. In den Bundesstaaten wurden 2011 die beiden bisher größten Massengräber mit mehr als 250 beziehungsweise 193 Leichen entdeckt. Tamaulipas grenzt an die USA.

Gendatenbank für Verschwundene

Die Generalbundesanwalt Mexikos hat eine Genbank eingerichtet. Darin lagern mindestens 400 Proben, die Angehörige für die Suche nach verschwundenen Familienmitgliedern hinterlegt haben und mit denen geprüft werden soll, ob sich die Gesuchten unter den entdeckten Leichen befinden.

Der Ermittler und Wissenschaftler Oliva befürchtet, dass die lokalen Behörden unfähig sind, der Unsicherheit Herr zu werden - und dass dieses Versagen Folgen für die Gesellschaft haben könnte: „In Mexiko haben wir keine Pause für den Schmerz gehabt, und ich glaube, das ist sehr schwerwiegend für das Funktionieren des Gesellschaftssystems in unserem Land.“

Sandra Parra, dpa

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