Pussy Riot für Chodorkowski-Kandidatur
Die beiden aus der Haft entlassenen Pussy-Riot-Mitglieder Maria Aljochina und Nadeschda Tolokonnikowa wollen offenbar künftig die russische Opposition vernetzen. „Was Wladimir Putin betrifft, hat sich unsere Haltung zu ihm nicht geändert“, sagte die 24-jährige Tolokonnikowa am Freitag bei einer Pressekonferenz in Moskau mit ihrer Bandkollegin Aljochina.
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„Wir wollen weiter tun, wofür sie uns inhaftiert haben. Wir wollen ihn weiterhin vertreiben.“ Im Internet-TV-Kanal Doschd (Regen) in Moskau betonten die beiden Mütter kleiner Kinder demonstrativ, dass sie die Haft nicht gebrochen habe. „Wir werden nicht ins Ausland ausreisen, wir haben genug in Russland zu tun“, so Tolokonnikowa.

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Die beiden Pussy-Riot-Mitglieder bei ihrer Pressekonferenz
Sie sei dafür, dass der vergangene Woche freigelassene Kreml-Kritiker Michail Chodorkowski für die Präsidentschaft kandidiere. Sie stimme mit dieser Haltung überein, sagte Aljochina. „Es geht nicht um finanzielle Hilfe, er ist eine unglaubliche Persönlichkeit, die zehn Jahre Haft überstehen musste“, unterstrich Aljochina. Offenbar will man auch die Fühler in Richtung des russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny ausstrecken. Eine Zusammenarbeit mit Nawalny sei durchaus denkbar, bestätigten die beiden Pussy-Riot-Mitglieder.
Putin-Kritik endete mit Haft
Während kremlkritische Journalisten die Frauen seit Tagen fast wie Heldinnen feiern, blenden Staatsmedien das Phänomen Pussy Riot völlig aus. Die beiden Musikerinnen und Aktivistinnen waren im Februar 2012 nach einer Protestaktion in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale gegen Putin und die orthodoxe Kirche wegen Rowdytums zu zwei Jahren Lagerhaft verurteilt worden. Ihre ebenfalls wegen der Aktion verurteilte Mitstreiterin Jekaterina Samuzewitsch kam später auf Bewährung frei. Die Urteile hatten weltweit Proteste ausgelöst.
Nawalny kaltgestellt
Nawalny hatte nach einem umstrittenen Urteil wegen Untreue Anfang Dezember auch seine Berufszulassung als Anwalt verloren. Der Gegner von Präsident Putin habe damit keine Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten mehr, berichteten Medien in Moskau. Die Anwaltskammer und Nawalny selbst bestätigten den Entzug der Lizenz.

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Der russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny bei einem Gerichtstermin
Der 37-jährige Kreml-Gegner und als Antikorruptionskämpfer bekannte Internetaktivist wirft der Führung in Moskau vor, ihn politisch kaltstellen zu wollen. Die im Sommer von einem russischen Gericht gegen ihn verhängten fünf Jahre Straflager wurden zur Bewährung ausgesetzt. Doch der Oppositionspolitiker darf nach dem Urteil bei keiner Wahl mehr kandidieren.
Wollen „Stimme der Gefangenen“ werden
Die beiden Pussy-Riot-Frauen wollen sich vorerst nicht an weiteren Aktionen gegen den Kreml beteiligen. Stattdessen kündigten sie am Freitag in Moskau Aktionen für einen humaneren Strafvollzug an. „In Russlands Straflagern gibt es Menschen, die sich am Rande des Todes befinden“, sagte Aljochina.
Aljochina und Tolokonnikowa äußerten sich bei der Pressekonferenz zu ihren Zukunftsplänen. Die neue Organisation Sona Prawa (Rechtszone) wolle eine „Stimme der Gefangenen“ sein, sagte Tolokonnikowa. Die schwere Lage weiblicher Inhaftierter in Russland werde bisher kaum wahrgenommen, hatte Tolokonnikowa in einem Interview zuvor betont. „Die Popularität kam ja einfach zu uns. Jetzt müssen wir arbeiten. Das ist unsere Verantwortung, unsere Pflicht, daraus etwas Gutes zu machen“, sagte Aljochina bei Echo Moskwy. „Das tun wir für unsere Kinder, die in diesem Land leben müssen.“

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Der Putin-Kritiker Michail Chodorkowski will sich ebenfalls für Gefangene einsetzen
Chodorkowski hatte bereits zuvor angekündigt, sich weder in der Politik engagieren noch für eine Rückgabe seines Vermögens einsetzen zu wollen. Jedoch wolle er politische Gefangene in Russland - „Putins Geiseln“, wie er sie nannte - unterstützen.
Erniedrigungen und verschimmeltes Essen
Aljochina und Tolonnikowa berichteten vor der Pressekonferenz in Interviews auch von den Zuständen in der Haft. Vor und nach jedem Besuch hätten sie sich ausziehen und in dreckigen Kammern im Intimbereich untersuchen lassen müssen. „Diese ganze Prozedur war nicht nur psychisch außerordentlich erniedrigend, sondern auch einfach physisch schmerzvoll. Ich halte das für Gewalt“, sagte Aljochina.
Tolokonnikowa erzählte von verdorbenem, übelriechendem und verschimmeltem Essen für Gefangene. Und sie beklagte, dass Frauen durch zu dünne Kleidung, unterkühlte Säle mit Durchzug gezielt mit Kälte gefoltert würden. Besonders politische Häftlinge seien einem „teuflischen Druck“ ausgesetzt, sagt sie. Als Tolokonnikowa selbst aus Protest im Hungerstreik nur Flüssigkeit zu sich nahm, habe sie ein rabiater Wächter festgehalten und ihr die privaten Trinkwasservorräte wegnehmen lassen. Ihr sei dann nur schmutziges Leitungswasser geblieben.
Russland ein „einziges Straflager“
Die 25-jährige Aljochina war nach ihrer Freilassung aus dem Straflager in Nischni Nowgorod über Moskau in die sibirische Stadt Krasnojarsk gereist, wo Tolokonnikowa zuletzt inhaftiert war. Am Freitag kehrten sie dann gemeinsam mit dem Flugzeug in die russische Hauptstadt zurück. Die beiden Frauen waren am Montag aufgrund eines vom Parlament beschlossenen Amnestiegesetzes vorzeitig aus der Haft entlassen worden.
Die beiden Mütter kleiner Kinder verbrachten ihre Haftzeit in Straflagern weit entfernt von ihren Familien. Nach ihrer Freilassung gaben sich beide Frauen weiter kämpferisch. Aljochina kritisierte die Amnestie als einen „PR-Trick“ Putins vor den Olympischen Winterspielen 2014 in der russischen Schwarzmeer-Stadt Sotschi. Tolokonnikowa rief dazu auf, das Sportereignis zu boykottieren, und kritisierte, ganz Russland sei ein „einziges Straflager“.
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