Blamage für Zuma
Noch nie sind nach Angaben der südafrikanischen Regierung so viele Staatsmänner zu einer Trauerfeier zusammengekommen wie nach dem Tod Nelson Mandelas. Der Starredner des Tages dürfte US-Präsident Barack Obama sein. Unter frenetischem Jubel verglich er die Verdienste Mandelas mit den Lebenswerken des indischen Staatsgründers Mahatma Ghandhi, des US-Präsidenten Abraham Lincoln und des US-Bürgerrechtlers Martin Luther King.
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Mandelas Leistungen für Freiheit und Demokratie gehörten in die Reihe dieser historischen Größen, sagte Obama bei der zentralen Trauerfeier für den verstorbenen Friedensnobelpreisträger und ehemaligen südafrikanischen Präsidenten am Dienstag in Johannesburg. Mandela habe die 27 Jahre im Gefängnis genutzt, um zu lernen und seine Argumente zu schärfen, um sich mit noch mehr Leidenschaft für Menschlichkeit und Freiheit einzusetzen.
Die mehrstündige offizielle Gedenkfeier im FNB-Stadion in Johannesburg, die gegen 11.00 Uhr bei strömenden Regen mit einer Stunde Verzögerung begonnen hatte, endete Dienstagnachmittag mit gemeinsamem Gesang. Das Stadion hatte sich schon während der von Buhrufen begleitenden Rede von Südafrikas Präsident Jacob Zuma immer mehr geleert.
„Letzter großer Freiheitskämpfer“
Obama würdigte in seiner sehr persönlichen Rede Mandela als einen „Giganten der Geschichte“. „Mandela bewirkte auch, dass ich ein besserer Mensch werden wollte“, sagte Obama. Mandela sei der letzte große Freiheitskämpfer des 20. Jahrhunderts gewesen. Der am Donnerstag im Alter von 95 Jahren Verstorbene habe in seinem Leben die Südafrikaner miteinander versöhnt und Millionen Menschen in aller Welt inspiriert. Obama, der von seiner Frau Michelle begleitet wurde, war wegen der scharfen Sicherheitsbestimmungen fast zwei Stunden zu spät im Stadion in Soweto erschienen.

Reuters/Kai Pfaffenbach
Historische Geste zwischen zwei verfeindeten Staatschefs
Handshake Obama - Castro
Zu einer historischen Geste kam es abseits der Zeremonie zwischen zwei alten politischen Kontrahenten: Obama schüttelte dem kubanischen Präsidenten Raul Castro am Dienstag die Hand. Castro lächelte, als Obama ihm auf dem Weg zum Podium die Hand reichte - Video dazu in iptv.ORF.at. Mandela habe auch für Lateinamerika und die karibischen Staaten „ein unerreichbares Beispiel“ gegeben, sagte später Castro in seiner Rede. Südafrikas Nationalheld sei dem „revolutionären Kampf für Frieden, Gerechtigkeit und Versöhnung“ verpflichtet gewesen.
Obama war bei der Trauerfeier mit großem Jubel empfangen worden. Dagegen wurde Zuma im FNB-Stadion in Johannesburg mehrfach ausgebuht. Selbst während der ersten Ansprachen kam es zu heftigen Missfallensäußerungen vieler Teilnehmer, sobald das Bild Zumas auf den Bildschirmen im Stadion gezeigt wurde. Auch während seiner Ansprache ertönten Buhrufe. Zumas Rede stand im krassen Kontrast zu der Obamas, der direkt zum Publikum sprach. Zuma las von einem Manuskript ab, das er dicht vor seinen Augen hielt. Kommentatoren kritisierten seine Rede als steif und unpersönlich. Er nannte Mandela einen „furchtlosen Friedenskämpfer“.
Lärm und Unruhen unterbrechen Protokoll
Nach der Rede Obamas verließen viele der Trauergäste das Stadion, um der Ansprache ihres ungeliebten Präsidenten zu entgehen. Der indische Präsident Pranab Mukherjee musste seine Rede unterbrechen, weil die Zuschauer so laut lärmten, sangen und mit Musikinstrumenten störten. Die Massen wurden auch deshalb ungeduldig, weil immer wieder die Leinwände ausfielen. ANC-Vizepräsident Cyril Ramaphosa rief die Zuschauer zur Disziplin auf. Mandela sei ein disziplinierter Mensch gewesen, diesem Beispiel sollten sie folgen.

AP/Matt Dunham
Graca Machel, Mandelas dritte Frau
„Werde Segen nicht spenden, bevor ihr nicht still seid“
Zum Ende der Trauerfeier sorgte der südafrikanische Erzbischof Desmond Tutu für Erheiterung. Angesichts der Unruhe forderte der Geistliche vor seinem Segen absolute Ruhe: „Ich werde euch meinen Segen nicht spenden, bevor ihr nicht alle still seid. Seid diszipliniert, (...) ich möchte einen Stift fallen hören“, sagte der Friedensnobelpreisträger. Plötzlich wurde es absolut still im Stadion. Auf der Tribüne schmunzelten Mandelas Witwe Machel und seine Ex-Frau Madikizela-Mandela.
Daraufhin spendete Tutu den Segen. In mehreren südafrikanischen Sprachen betete er für den am Donnerstag im Alter von 95 Jahren verstorbenen Mandela und die Nation. Als er schließlich sagte: „Wir versprechen Gott, dass wir dem Beispiel Nelson Mandelas folgen“, konnte die Menge nicht länger schweigen und rief lauthals: „Ja!“ Der Trauerakt wurde an 90 Orten im Land auf Großleinwänden, in drei weiteren Stadien von Johannesburg sowie in mehreren Fernsehsendern für die Öffentlichkeit übertragen.
Ban: „Held für die Welt“
Unter den Teilnehmern im FNB-Stadion befanden sich laut Regierungsangaben rund 90 amtierende und ehemalige Staats- und Regierungschefs. UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon bezeichnete Mandela in einer emotionalen Rede als „Helden für die Welt“. „Die Welt hat einen geliebten Freund und Mentor verloren“, sagte er, „heute sind alle vereint.“ Er wünsche sich, dass die Botschaft Mandelas der Friedfertigkeit noch lange in der Welt nachhallen werde, so General Thanduxolo Mandela bei strömendem Regen in dem nicht ganz gefüllten Stadion. Der Vizechef der Regierungspartei ANC bezeichnete Mandela als einen „Lehrer“ für seine Landsleute.
TV-Hinweis
Die Feier und darüber hinausgehende Berichterstattung sind in einem Themenschwerpunkt in tvthek.ORF.at zu sehen.
Die Staatsoberhäupter Brasiliens, Indiens und Kubas sowie Chinas Vizepräsident Li Yuanchao würdigten die internationalen Verdienste des Friedensnobelpreisträgers. „Mandela ist ein Vorbild für alle, die Freiheit, Gerechtigkeit und Weltfrieden anstreben“, sagt Brasiliens Präsidentin Dilma Roussef. Mandela sei eine Inspiration für alle gewesen, die gegen Unfreiheit und Unterdrückung kämpften, so Roussef. „Dieser große Führer gehört ins Pantheon der Menschheit.“ Die Brasilianer trügen „mit Stolz afrikanisches Blut in ihren Adern“.
Als „Visionär“ gewürdigt
In Indien werde Mandela als ein „Visionär“ tief bewundert, sagte Indiens Präsident Pranab Mukherjee. Der Freiheitskämpfer habe „das Unmögliche für sein Volk durchgesetzt“. Der Welt habe er „die wahre Bedeutung von Vergebung und Versöhnung“ gezeigt. Sein Leben erinnere die Inder an die friedfertigen Prinzipien von Mahatma Gandhi. Sein ganzes Leben habe Mandela der Entwicklung und dem Fortschritt in Afrika gewidmet, betonte Chinas Vizepräsident Li. Er werde auch in China hochverehrt. „Mandelas Geist wird ewig leben“, sagte er zum Schluss seiner Rede auf Englisch.
Erstmals seit dem Tod ihres Mannes trat auch Mandelas Witwe Graca Machel wieder in der Öffentlichkeit auf. Von der Menge im Stadion und vor den Großbildleinwänden ringsum bejubelt, erschien Machel im Stadion. Die 68-Jährige äußerte sich bei ihrer Ankunft nicht.

APA/EPA/Dai Kurokawa
Großbritanniens Premierminister David Cameron (hinten)
Symbolträchtiger Ort für Mandela
Das FNB-Stadion ist ein symbolträchtiger Ort: 1990 hatte der gerade nach 27 Jahren aus dem Gefängnis entlassene Mandela hier im Stadion der Township Soweto vor 100.000 jubelnden Menschen eine flammende Rede für die Demokratie gehalten. Die Arena war auch Schauplatz des letzten öffentlichen Auftritts Mandelas. Am 10. Juli 2010 feierten vor Beginn des Endspiels der Fußball-WM 85.000 Menschen begeistert den damals schon schwer kranken, aber tapfer lächelnden Mandela.
Gemeinsam an der Trauerfeier nehmen Obama und seine Amtsvorgänger George W. Bush, Bill Clinton und Jimmy Carter teil. Der britische Premier David Cameron reiste ebenso in Begleitung der Ex-Regierungschefs Gordon Brown, Tony Blair und John Major an. Außerdem ist Großbritannien durch Thronfolger Prinz Charles vertreten.
Genau 20 Jahre nach Nobelpreisverleihung
Die nationale Polizeibehörde ist nach eigenen Angaben gut vorbereitet für das Großereignis und hat sich mit den Sicherheitsdiensten der ausländischen Gäste „eng abgestimmt“. Für die Sicherheitsvorkehrungen wurden 11.000 Soldaten abgestellt. Die Regierung stehe durch die hochrangige Riege an Trauergästen vor „einer sehr schweren Aufgabe“, räumte Monyela ein. Die rund vierstündige Feier findet im FNB-Stadion in Johannesburg statt.
Das größte Stadion des Kontinents bietet Platz für mehr als 90.000 Menschen. Der Leichnam Mandelas wird nicht im Stadion aufgebahrt sein. Der Staatsakt findet auf den Tag genau 20 Jahre nach der Verleihung des Friedensnobelpreises an Mandela und den damaligen südafrikanischen Präsidenten Frederik Willem de Klerk statt.
Leichnam wird drei Tage lang durch Pretoria getragen
Von Mittwochfrüh an soll der Leichnam Mandelas drei Tage lang im Amphitheater vor dem Regierungskomplex in Pretoria aufgebahrt werden. Davor sollen die sterblichen Überreste des Freiheitskämpfers jeden Morgen auf anderen Routen durch die Straßen von Johannesburg getragen werden. Die Menschen sind aufgerufen, Mandela dabei die letzte Ehre zu erweisen. Die Staatstrauer für Mandela begann am Sonntag mit einem nationalen Gebetstag. Beigesetzt werden soll der Nationalheld am Sonntag in Qunu am Ostkap, wo er aufgewachsen war. Hier werden etwa 9.000 Trauergäste erwartet. Tags darauf wird in Südafrika der „Versöhnungstag“ gefeiert, bei dem heuer in Pretoria ein Mandela-Denkmal enthüllt wird.
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