„Wasserstände fallen wieder“
Der Scheitel einer der schwersten Sturmfluten der vergangenen Jahrzehnte hat Hamburg Freitagfrüh erreicht. „Die Wasserstände fallen bereits wieder“, sagte Thomas Butter von der Hamburger Innenbehörde. Die sehr schwere Sturmflut erreichte einen Wasserstand der Elbe von fast vier Metern über dem mittleren Hochwasser (6,09 Meter über normal null).
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Die Hochwasserschutzanlagen waren für diese Wasserstände nach Angaben der Behörden jedoch hoch genug. „Es war eine ernstzunehmende Sturmflut, aber wir sind froh, dass alles so über die Bühne gegangen ist“, sagte ein Sprecher der Hamburger Innenbehörde dem „Spiegel“ (Onlineausgabe).
Hamburg sperrte zu
Der Hamburger Hafen wurde in der Nacht auf Freitag geräumt und gesperrt. „Ab 2.30 Uhr durfte keiner mehr hereinfahren“, so die zuständige Behörde. Die Hochwasserschutztore wurden geschlossen. Der bekannte Fischmarkt am Hafen und einige Straßen entlang der Elbe standen unter Wasser. Ein Altersheim war vom Wasser eingeschlossen. Einige Menschen, die im Hafen wohnen, verließen ihre Häuser: „Das betrifft aber nur eine Handvoll Leute.“ Auch auf dem Flughafen und im Bahnverkehr kam es zu Ausfällen und Verspätungen.

Reuters/Morris Mac Matzen
Zahlreiche Flüge in Hamburg wurden gestrichen
Die Sturmflut in der Hansestadt gilt als „sehr schwere Sturmflut“ und zählt damit zur höchsten von drei Kategorien. Bei einer verheerenden Flut 1962 war der Pegelstand in Hamburg auf 4,03 Meter über dem mittleren Hochwasser gestiegen. Das war ein wenig mehr als Freitagfrüh, doch die Deiche waren damals deutlich niedriger und weniger stabil. Nach der Naturkatastrophe wurden sie erhöht und ausgebaut.
Schlimmste Befürchtungen traten nicht ein
„Xaver“ hatte vielen Teilen Deutschlands eine heftige Sturmnacht gebracht. Die Auswirkungen der Naturgewalten blieben an der Nordsee bis Freitagfrüh trotz aller Befürchtungen verglichen mit dem Oktober-Orkan „Christian“ deutlich geringer. Die Einsatzkräfte wurden vielerorts an den Küsten und im Binnenland weniger häufig angefordert, um umgeknickte Bäume zu räumen und um Bauzäune sowie Dächer zu sichern. In Hamburg rückte die Feuerwehr bis Donnerstagabed rund 300-mal aus. Dagegen war sie beim Oktober-Orkan schon an einem Tag allein knapp 2.000-mal im Einsatz gewesen.

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Der Hamburger Fischmarkt stand bereits am ersten Tag des Sturms unter Wasser
148 km/h auf Sylt gemessen
Nach Einschätzung von Schleswig-Holsteins Umwelt- und Küstenschutzminister Robert Habeck ist die Gefahr für die deutsche Küste vorüber. „Ich rechne nicht damit, dass sich die Situation noch einmal so zuspitzt, wie es gestern im Laufe des Tages den Anschein zu haben schien“, sagte der Grünen-Politiker am Freitag im Deutschlandfunk. Die Windprognosen seien etwas schwächer. Habeck geht davon aus, dass die Pegelstände „wohl nicht mehr ganz so doll“ steigen.
Nach Angaben des Deutsche Wetterdienstes (DWD) wurden in List auf Sylt in der Nacht um 1.00 Uhr Windgeschwindigkeiten von 148 Kilometern pro Stunde erreicht. Am Leuchtturm Kiel wurden 144 km/h gemessen. Auf dem Brocken im Harz erreichte „Xaver“ gar eine Spitzengeschwindigkeit von 155 km/h.
Halligen melden „Land unter“
Das Orkantief hatte Donnerstagmittag die deutsche Nordsee-Küste erreicht und wütete zunächst mit Böen von um die 120 km/h - am frühen Abend waren es in List auf Sylt 133 km/h. Die nordfriesischen Halligen meldeten bereits am frühen Donnerstagnachmittag „Land unter“. Inseln waren vom Festland abgeschnitten, die Fähren stellten den Betrieb ein. Auch in Richtung Helgoland ging nichts mehr. Im Westen Mecklenburg-Vorpommerns wurden Bäume umgerissen. Auch auf Flughäfen wie München, Düsseldorf und Köln/Bonn wirkte sich der Sturm aus. Am Freitag normalisierte sich die Situation.

Reuters/Fabrizio Bensch
Die Feuerwehr ist im Norden Deutschlands im Einsatz
Entwarnung in Niederlanden und Belgien
„Xaver“ hinterließ in den Niederlanden keine großen Schäden. Das teilten die Behörden am Freitag mit. Die Nordsee stieg gegen 4.00 Uhr in der südwestlichen Provinz Zeeland auf 3,99 Meter und damit den höchsten Stand seit einer Sturmflutkatastrophe von 1953. Rund 100 Inspektoren hatten die Deiche in der Nacht kontrolliert, teilte die Wasserbehörde mit. Vorsorglich waren die Schleusen der Flutwehr „Oosterscheldekering“ am Vorabend geschlossen worden. Zu vereinzelten Überschwemmungen kam es in Rotterdam und Dordrecht. Der Zugsverkehr im Norden der Niederlande, der gestoppt worden war, wurde in der Früh wieder aufgenommen.
Nach dem Durchzug von „Xaver“ blieben die befürchteten Überschwemmungen auch an der belgischen Küste aus. Ein regionaler Katastrophenplan wurde wieder aufgehoben, berichtete der öffentlich-rechtliche Radiosender RTBF am Freitag. Das Meer sei in der Nacht auf einen Wasserstand von bis zu 6,33 Metern gestiegen - der höchste Stand seit Jahrzehnten. Die Kommunen an der Küste waren aber den Angaben nach gut auf das Hochwasser vorbereitet. Im Badeort Bredene waren knapp 2.100 Bewohner vorsorglich in Sicherheit gebracht worden.
Mehrere Tote
Das Unwetter mit gefährlichen Böen und Schnee hatte am Donnerstag das Leben von Millionen Menschen lahmgelegt. Der Orkan forderte am Donnerstag drei Menschenleben. In Schottland starb ein Fahrer eines Lastwagens, als dieser umkippte. In der englischen Grafschaft Nottinghamshire tötete ein umstürzender Baum einen Mann in einem Park.
In Dänemark kostete der Orkan eine 72 Jahre alte Frau das Leben. Sie sei Beifahrerin in einem Van gewesen, den der heftige Wind am Donnerstag von einer Straße bei Holstebro in Jütland geblasen habe, berichtete die Nachrichtenagentur Ritzau. Darauf sei der Wagen mit der Seniorin und ihrem Sohn umgestürzt. Zufällig seien Streifenpolizisten vorbeigekommen, die die 72-Jährige aus dem Auto befreiten. Noch im Rettungswagen auf dem Weg ins Krankenhaus sei sie gestorben.
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