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„Nie Hinweis auf Mittäter aufgetaucht“

Vier Tote und zehn teils schwer Verletzte hat eine für Österreich beispiellose Terrorserie gefordert, die mit einer Briefbombe am 3. Dezember 1993 im oststeirischen Hartberg ihren Anfang genommen hat. Erst am 1. Oktober 1997 führte eine Fahrzeugkontrolle zum Durchbruch in den jahrelang erfolglos verlaufenen Ermittlungen und zur Festnahme des im Anschluss als Einzeltäter verurteilten Franz Fuchs.

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Fuchs wurde am 10. März 1999 in sämtlichen Anklagepunkten für schuldig befunden und zu lebenslanger Haft verurteilt. Am 26. Februar 2000 erhängte sich der damals 50-Jährige, der bei seiner Festnahme durch die Explosion eines Sprengsatzes beide Hände verloren hatte, mit dem Kabel eines Rasierapparats in seiner Zelle. Der Fall beschäftigte angesichts von Zweifeln an der Einzeltäterthese aber auch weiterhin die Justiz. Gerüchte und Spekulationen über mutmaßliche Mittäter und Hintermänner sind bis heute nicht vollständig verstummt.

Franz Fuchs vor Gericht

APA/Harald Schneider

Fuchs wurde 1999 in allen Anklagepunkten für schuldig befunden

Ex-SoKo-Sprecher glaubt nicht an Mittäter

Geht es nach dem ehemaligen Sprecher der im Rahmen der Ermittlungen gegründeten „SoKo Briefbomben“, Robert Sturm, war Fuchs „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein Einzeltäter“. Grund dafür sei unter anderem, dass „nie ein Hinweis auf Mittäter aufgetaucht“ sei, so Sturm im „profil“-Interview. So wie Experten zuvor schloss Sturm mögliche Mittäter auch mit Blick auf die psychische Disposition von Fuchs aus: „Ein solcher Mensch hätte keine Mittäter geduldet. Er hätte nicht zugelassen, dass jemand weniger perfekt arbeitet als er.“

Doch selbst aus Kreisen der Ermittler wurden immer wieder Zweifel an dieser Annahme laut. Unter anderem wurde die Staatsanwaltschaft Graz 2008 wegen Angaben eines ehemaligen Fahnders vom Innenministeriums beauftragt, alte Beweise, die auf mögliche Mittäter hindeuten könnten, nochmals zu überprüfen. Die Hoffnung auf neue Erkenntnisse wurde von der Staatsanwaltschaft allerdings bereits im Vorfeld verworfen. Vielmehr sei bereits im Verfahren gegen Fuchs der Verdacht auf Mittäter „wiederholt und exakt geprüft worden“.

Fortführung der Ermittlungen gefordert

Eine Fortführung der Ermittlungen wurde 2009 aber auch von der ehemaligen Flüchtlingsbetreuerin Maria Loley, einem Opfer des Briefbombenterrors, gefordert. So wie der 2008 verstorbene Wiener Altbürgermeister Helmut Zilk, der ebenfalls Opfer einer Briefbombe wurde, stützt auch Loley ihre Zweifel an der Einzeltätertheorie auf die Aussagen eines ehemaligen SoKo-Ermittlers, wonach Fuchs nicht über das geschichtliche Wissen zum Verfassen der Bekennerschreiben verfügt habe. Mit Mahmoud Abou-Roumie machte auch ein weiteres Opfer nie einen Hehl daraus, nicht an die Einzeltäterthese zu glauben. „Ich bezweifle, dass er allein war“, aber er habe sich damit abgefunden, dass es so sein soll, so der durch eine Briefbombe an der Hand verletzte Gemeindearzt von Stronsdorf (Niederösterreich) gegenüber der APA.

Ehemaliges Wohnhaus des Bombenattentäters Franz Fuchs in Gralla (Archivbild)

APA/Hans Klaus Techt

Wohnhaus und Bombenwerkstatt von Franz Fuchs in Gralla

Neben handfesten Beweisen - darunter etwa der auch in den Briefbomben verwendete Sprengstoff, Bombenpläne und auf einem Computer abgespeicherte Bekennerschreiben, die im Wohnhaus von Fuchs sichergestellt wurden - ist laut „profil“ ebenso interessant, „was nicht gefunden wurde“. Demnach gebe es keinerlei Spur zu einem chemischen Labor, wo der Sprengstoff hergestellt wurde. Auch eine Schreibmaschine, mit der die Kuverts beschriftet wurden und jener Drucker, von dem die Bekennerschreiben stammten, seien von den Ermittlern vergebens gesucht worden.

Dazu kommt, dass mit Ausnahme der 22-bändigen Taschenbuchausgabe eines Bertelsmann-Lexikons keinerlei historische Quellen sichergestellt worden seien. Allein aus letzterem Grund wurde immer wieder angezweifelt, dass Fuchs die mit „Bajuwarische Befreiungsarmee“ gezeichneten Bekennerschreiben tatsächlich allein verfasst hat. Auch vor Gericht kam dieser Punkt bereits zur Sprache, wobei laut Gutachten die Briefe als Arbeit eines „interessierten, aber wenig gebildeten Laien“ bezeichnet wurden.

„Wohl eine ganze Armee“

Vom Justizministerium wurde bereits 2008 eine Wiederaufnahme des Verfahrens nicht gänzlich ausgeschlossen. Ob ein derartiger Schritt nötig sei, habe demnach die Staatsanwaltschaft zu entscheiden. Wenn die Anklagebehörde aber sage, „dass seinerzeit allen Hinweisen nachgegangen wurde, sehen wir vorerst keinen Anlass“. Auch der ehemaligen Chef der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit, Michael Sika, betrachtete die gefundenen Spuren und Indizien für ausreichend, um weitere Täter auszuschließen.

Es habe sich herausgestellt, „dass Fuchs alleine war“, so Sika 2007 in der ORF-Dokumentation „Der Fall Briefbomben - Die offenen Fragen“. Sehr wohl sei während der Ermittlungen aber ein „Aggressionspotenzial in der Bevölkerung“ festgestellt worden, weswegen es zumindest „im Geiste eine ganze Armee“ gegeben habe, „die hinter ihm stand“.

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