Annäherung bei altem Streitthema
Bei den Koalitionsverhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP ist offenbar wieder die Zuständigkeit für die Lehrer ein Thema geworden. Mehrere Medien berichteten, dass die Bundesländer künftig Dienstgeber aller Lehrer werden sollen und damit vom Bund die AHS- und BMHS-Pädagogen übernehmen könnten. Allerdings gibt es sogar in der ÖVP Widerstand dagegen - und die SPÖ stellte Freitagabend schließlich klar, dass sie überhaupt dagegen ist.
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Laut „Wiener Zeitung“ wurde das jahrelange, in unterschiedlichen Intensitäten geführte Tauziehen um die Lehrerkompetenzen zugunsten der Länder entschieden. Im Gegenzug soll der Bund für das Qualitätsmanagement zuständig sein, er würde die Zielvorgaben für die Lehrer machen, berichtet das ö1-Mittagsjournal - mehr dazu in oe1.ORF.at.
Zwischen Ländern und Bund aufgeteilt
Verhandelt wird die Frage in der vom burgenländischen Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) und Seniorenbund-Obmann Andreas Khol (ÖVP) geleiteten Staatsreform-Arbeitsgruppe. Der „Standard“ vermeldete unter Berufung auf Verhandlerkreise, die Sache sei bereits zur Chefsache erhoben worden.
Landeslehrer (Pflichtschullehrer) sind die rund 80.000 Pädagogen an den Volks-, Haupt-, Sonder-, Polytechnischen und Berufsschulen. Ihr Dienstgeber ist das jeweilige Land - bezahlt werden sie allerdings fast vollständig vom Bund. Bundeslehrer sind jeweils knapp über 20.000 Pädagogen an den allgemeinbildenden höheren Schulen (AHS) und den berufsbildenden mittleren und höheren Schulen (BMHS). Ihr Dienstgeber ist der Bund, der sie auch bezahlt.
Debatte schon seit Jahren
In den vergangenen Jahren drängten die Landeshauptleute immer wieder auf eine „Verländerung“ aller Lehrer, die scheidende Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) pochte zunächst auf das Gegenteil und damit auf eine Bundeszuständigkeit für die Pflichtschullehrer. Später gab sie sich mit dem Status quo zufrieden, „um sich nicht in Endlosdebatten zu verheddern“. In dieser Frage verlaufen die Konfliktlinien nicht so sehr entlang der Fraktionsgrenzen, sondern eher entlang des Zuständigkeitsfeldes. Während die SPÖ-Bundesposition gegen eine „Verländerung“ war, machten sich einige SPÖ-Landespolitiker wiederholt dafür stark.
Freitagabend stellte SPÖ-Beamtenministerin Gabriele Heinisch-Hosek in einer Aussendung klar, dass ihre Partei die Verländerung ablehnt: „Wir hätten neun verschiedene Verwaltungssysteme. Für SchülerInnen und auch das Lehrpersonal würde vieles komplizierter werden“, so Heinisch-Hosek. „Ich kann mir daher eine Verländerung der Verwaltungszuständigkeit für Lehrerinnen und Lehrer nicht vorstellen“, so die Ministerin. Vorstellbar wäre aus Sicht der SP-Politikerin aber die Errichtung gemeinsamer Bildungsdirektionen mit den Ländern. Das wäre „ein echtes Zukunftsprojekt“, so Heinisch-Hosek: Sie würden eine einheitliche Verwaltung garantieren und daher den größten Sinn machen. Wie Heinisch-Hoseks Sprecherin gegenüber ORF.at betonte, sei die Ablehnung klare Parteilinie - obwohl der Vorschlag aus einer Verhandlergruppe kommt, der Heinisch-Hosek nicht angehört.
ÖVP-Wirtschaftsflügel skeptisch
Skepsis herrscht aber sowieso auch in Teilen der ÖVP - etwa beim Wirtschaftsflügel. So befürchtet der Bildungsexperte der Industriellenvereinigung (IV), Christian Friesl, in der „Wiener Zeitung“, die Länder könnten ihren personalpolitischen Einfluss auf Direktorenbestellungen verstärken. „Es täte sowohl ÖVP als auch SPÖ gut, nach vorne zu schauen und nicht Machtansprüche zu sichern“, betont Friesl. Ähnliche Warnungen kommen aus der Wirtschaftskammer.
Opposition warnt vor Politeinfluss an Schulen
Für eine solche Regelung brauchten SPÖ und ÖVP zudem weitere Stimmen, da eine Zweidrittelmehrheit nötig ist. Die Grünen kämen dafür nicht infrage: Bildungssprecher Harald Walser warnte vor einer fatale Fehlentwicklung. „Der Parteiproporz in den Schulen muss ein Ende haben, das geht nicht, wenn in Zukunft neun Landeshauptleute als Dienstgeber auftreten.“
Auch der Bildungssprecher des Teams Stronach (TS), Robert Lugar, warnte am Freitag in einer Aussendung davor, dass bei einer „Verländerung“ „die rot-schwarzen Landesfürsten noch mehr Macht bekommen und die Personalpolitik in den Schulen endgültig bestimmen“ würden.
FPÖ-Bildungssprecher Walter Rosenkranz sprach zwar nicht prinzipiell gegen eine Zuständigkeit der Länder für die Lehrer aus, vorausgesetzt, dass es künftig eine einheitliche Personalhoheit gibt. Sollte von SPÖ und ÖVP eine „Verländerung“ aber nur, wie von ihm befürchtet, dazu „missbraucht werden, um einzelnen Landeshauptleuten und anderen Parteibonzen ihre Machtpositionen zu sichern und die Bildungspolitik noch mehr als bisher zu verpolitisieren“, müsse die FPÖ die Idee ablehnen.
Experten wollen Vereinheitlichung beim Bund
Experten haben in den vergangenen Jahren zwar immer auf eine Vereinheitlichung gedrängt, wollten die Kompetenzen allerdings beim Bund sehen. Die Psychologin Christiane Spiel wiederholte diesen Standpunkt auch im ö1-Mittagsjournal: So könnte die Trennung zwischen Volks- und Hauptschullehrern leichter überwunden werden, einheitliche Qualitätssicherungssysteme seien leichter. Und sie führte als Negativbeispiel die Kindergartenpädagogik an, bei der die Länderzuständigkeit viele unterschiedliche Regelung zur Folge habe – mehr dazu in oe1.ORF.at.
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