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Wenn um Kleider Flammen züngeln

„Die Tribute von Panem“ ist eine Erfolgsgeschichte. Zuerst erwiesen sich bei Teenagern die Bücher und Hörspiele als Straßenfeger. Dann zogen gar nicht so wenige Erwachsene nach. Zum richtigen Hype wurde die Geschichte über die faschistische Science-Fiction-Welt Panem jedoch mit Veröffentlichung des ersten Films. Nun läuft mit „Catching Fire“ Teil zwei in den heimischen Kinos an.

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Fans wissen es ohnehin, allen anderen sei es der Vollständigkeit halber gesagt: Die Handlung der Filme entspricht nicht jener der Bücher. Einiges wurde von hier und dort zusammengemischt und dramaturgisch verdichtet. Jennifer Lawrence ist wieder in der Hauptrolle der Katniss zu sehen, Woody Harrelson (Trainer Haymitch), Lenny Kravitz (Modeschöpfer Cinna) und Donald Sutherland (Präsident Snow) sind erneut dabei und diesmal auch Philip Seymour Hoffman (als Spieldesigner). Der Cast kann sich also sehen lassen.

Kurz zur Story: Ein faschistisches System regiert seit langem (mindestens seit rund 100 Jahren). Vor 75 Jahren hat eine Revolution stattgefunden. Seither finden zur Strafe jedes Jahr die Hungerspiele statt: Aus jedem der zwölf Distrikte wird ein Jugendlicher bzw. eine Jugendliche gezogen, die dann in einer Art Jeder-gegen-jeden-Spiel im Dschungel gegeneinander kämpfen müssen, bis nur einer oder eine übrig bleibt.

Katniss (Jennifer Lawrence) und Primrose (Willow Shields)

Studiocanal/Murray Close

Katniss (Jennifer Lawrence) und ihre kleine Schwester Prim (Willow Shields)

Liebe, Revolution, innere Zerrissenheit

Das ganze wird Reality-TV-mäßig im Fernsehen übertragen und von einer aberwitzigen Show begleitet. Im ersten Teil musste Katniss in den Ring und gewann gemeinsam mit Peeta (aufgrund einer List konnten beide überleben). Sie wurde zum Symbol des Widerstands - und vom bösen Präsidenten Snow deshalb nun in Teil zwei wieder in die Dschungelarena geschickt, und zwar mit einer Auswahl an Hungerspiele-Gewinnern aus den letzten 25 Jahren. Draußen brodelt es - die Zeichen stehen auf Revolution.

Den Film kann man auf zwei Ebenen betrachten. Man kann ihn entweder ernst nehmen und gnadenlos verreißen oder ganz einfach fragen: Was wird dem Fan an Action, Spannung und Liebe geboten? In der ersten Hälfte des Streifens reißt es Katniss hin und her, sie muss gehorchen, eine Show für die Faschisten abziehen und eine Jubeltour durch alle Distrikte machen, obwohl sie eigentlich überall nur den Widerständlern signalisieren will, dass sie auf deren Seite steht. Tut sie es, ist sie samt ihrer Familie in Gefahr.

Kostümfilm mit „Twilight“-Qualitäten

Die Kostüme sind erneut großartig, das kennt man schon aus Teil eins. Wenn sich die Zeremonienmeisterin mit einem Kleid aus orangefarbenen Schmetterlingen von der grau-düsteren Umgebung der unterworfenen Distrikte abhebt, Katniss’ weißes Kleid Flammen züngeln lässt und dadurch zum schwarzen Widerstandsvogel-Symbolkleid wird, darf man den fürs Kostüm Verantwortlichen gratulieren.

Auch die Liebe kommt nicht zu kurz. Da ist der im Dorf zurückgebliebene Freund, der noch immer auf ein Leben mit Katniss hofft. Da ist der ungeliebte, für eine Zweckgemeinschaft missbrauchte Hungerspiele-Verbündete Peeta, und in der Arena kommt noch ein junger Beau mit Schmachtblick dazu. Dramatik und Gefühlswirrungen sind garantiert, wenn auch auf „Twilight“-Niveau. Es könnte ja sein, dass sich dieser Peeta doch noch als Prinz entpuppt. Sprich: Die erste Hälfte hat einiges zu bieten.

Alltag in der Arena des Todes

Doch nach der ersten folgt unweigerlich die zweite Hälfte, und da muss Katniss wieder in die Arena. Der Kampf um Leben und Tod ist diesmal nicht spannend. Man versteht nicht ganz, wer jetzt warum Katniss unterstützt. Und dann werden die Gefahren verglichen mit Teil eins etwas lieblos im Schnelldurchlauf aneinandergereiht. Gefahr? Abgewendet. Gefahr? Abgewendet. Gefahr? Abgewendet. Zwischendurch stirbt der eine oder die andere, wenig bis gar nicht betrauert.

Effie Trinket (Elizabeth Banks) und Peeta (Josh Hutcherson)

Studiocanal/Murray Close

Kostümfuror: Elizabeth Banks als Effie Trinket, Josh Hutcherson als Peeta Mellark

Das Ende ist nachgerade skurril. Ein nächster Teil ist bereits in Arbeit, erwartbar war, dass es einen Cliffhanger geben würde - dass also die Handlung abgeschlossen wird, aber irgendetwas offen bleibt, weshalb man dann der Fortsetzung entgegenfiebert. Nicht so hier. Völlig unvermittelt hört der Film plötzlich auf. Es wirkt, als wäre er mitten in einer Szene abgewürgt. Fazit: erste Hälfte weit besser als die zweite, es bleibt Hoffnung für Teil drei.

Freude am Faschistenspiel

Wenn man den Film ernst nimmt, muss man freilich seine Faschismuskritik hinterfragen. Es gibt solche und solche Science-Fiction-Dystopien: durchdachte, in denen ein System regelrecht seziert und wo man voltenreich von Perversion zu Perversion weitergereicht wird. Ein Beispiel dafür ist Terry Gilliams „Brazil“. Und solche, in denen sich die Filmemacher an der faschistischen Ästhetik erfreuen, nachdem sie verbrämt kritisiert wurde.

„Tribute von Panem“ fällt in die zweite Kategorie. Was soll man als Zuseher spannend finden, wenn es nach der Autorin bzw. den Regisseuren der Filme geht? Die Hungerspiele. Also das, was die Faschisten im Film für ihr Publikum und damit gleichzeitig für das Kinopublikum vorbereiten. Natürlich gibt es die Rahmenhandlung, und das Spiel wird als moralisch verwerflich kritisiert. Aber letztlich soll der Thrill darin bestehen, dem Spiel zuzuschauen.

Eine Freude für die Produzenten

In den Büchern ist noch deutlich mehr Platz für die Rahmenhandlung, die Hungerspiele sind, wenn man so will, eher „eingebettet“, aber deshalb beileibe nicht weniger brutal. Der Begeisterung des mehrheitlich jugendlichen Publikums tut das selbstredend keinen Abbruch. Der erste Film spielte weltweit fast 700 Millionen Euro ein. Der Gesetzmäßigkeit von Fortsetzungen folgend dürfte es diesmal kaum weniger werden.

Simon Hadler, ORF.at

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