Rollfeld in Tacloban gestürmt
Chaos und Warten auf internationale Hilfe prägt auch vier Tage nach dem verheerenden Taifun „Haiyan“ das Bild auf den Philippinen. Nur langsam erreicht die von zahllosen Staaten zugesagte Hilfe das Katastrophengebiet. Nach wie vor sind ganze Landstriche nicht erreichbar - das Ausmaß der Katastrophe ist somit auch vier Tage nach „Haiyan“ weiter nicht abschätzbar.
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In den Katastrophengebieten war die Lage weiter völlig unübersichtlich. Hunderte Städte und Dörfer lägen in der Schneise der Verwüstung, die der Taifun hinterlassen habe, sagte die Hilfskoordinatorin Natasha Reyes von Ärzte ohne Grenzen. „Niemand weiß, wie es in diesen ländlichen und entlegenen Gebieten aussieht, und es wird noch einige Zeit dauern, bis wir das volle Ausmaß kennen.“ Nach Angaben der Regierung, so die UNO-Nothilfekoordinatorin Valerie Amos gegenüber BBC, sollen die Helfer ab Mittwoch auch in die abgelegendsten Regionen vorgedrungen sein.
Behindert werden die Rettungsarbeiten derzeit aber vom Tropensturm „Zoraida“, dessen erste Ausläufer mit starken Regenfällen am Dienstag unter anderem die Basis der Hilfe im Notstandsgebiet, die Stadt Tacloban auf der Insel Leyte, erreichten. Nach Angaben des philippinischen Wetterdienstes soll „Zoraida“ nicht so heftig werden wie zunächst befürchtet.
Wettlauf mit der Zeit
„Haiyan“ zog am Freitag mit Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 380 Kilometern pro Stunde über die Philippinen. Es handelte sich um den bisher schwersten Taifun, der jemals auf Land traf. In den am schwersten betroffenen Landstrichen warten noch immer zahllose Menschen auf Hilfe. Seit Tagen müssen sie ohne Lebensmittel, Wasser und medizinische Versorgung auskommen. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen (UNO) haben rund 660.000 Menschen durch „Haiyan“ ihre Häuser verloren oder mussten vor den bis weit ins Landesinnere vorgedrungenen Wassermassen fliehen.
Angesichts der verzweifelten Lage der Menschen in den von der Außenwelt abgeschnittenen Gebieten werden die Rettungs- und Hilfseinsätze immer mehr zu einem Wettlauf gegen die Zeit. Zwar läuft die internationale Hilfe immer stärker an, die Hilfsgüter kommen wegen der schweren Zerstörungen allerdings nur langsam bei den Überlebenden an.

Reuters/Romeo Ranoco
Die Bergung der Leichen hat aufgrund der Seuchengefahr oberste Priorität
Spendenkontos:
„Nachbar in Not“: 400 400 440 01, BLZ 20111, Kennwort: Philippinen
Caritas: 7.700.004, BLZ 60.000, Kennwort: Taifun Katastrophe
Österreichisches Rotes Kreuz: 40014400144, BLZ 20.111, Kennwort: Überflutungen Philippinen
Ärzte ohne Grenzen: 930.40.950, BLZ 60.000, Kennwort: Philippinen
World Vision: 80080081800, BLZ 20.111, Kennwort: Philippinen
Arbeiter-Samariterbund: 93.028.745, BLZ 60.000 Kennwort: ASBÖ Auslandshilfe
Kindernothilfe Österreich: 92144077, BLZ 60.000, Kennwort: Taifun Philippinen
Volkshilfe: 1.740.400, BLZ 60.000, Kennwort: Katastrophenhilfe
Johanniter Auslandshilfe: 684.047.707, BLZ 12.000, Stichwort: Philippinen
UNICEF: 1.516.500, BLZ 60.000, Kennwort: Kinder Philippinen
Hilfswerk Austria International: 90001002, BLZ 60.000, Kennwort: Philippinen
Diakonie Katastrophenhilfe: 28711966333, BLZ 20.111, Kennwort: Taifun
SOS-Kinderdorf: 1.566.000, BLZ 60.000, Kennwort: Philippinen
Kaum Entspannung in Tacloban
Auf dem schwer beschädigten Flughafen von Tacloban spielten sich am Dienstag Szenen wie aus einem Endzeitfilm ab. Überlebende versuchten die Rollbahn zu stürmen, um einen Platz auf den Hilfsflugzeugen zu ergattern. In der völlig zerstörten Stadt selbst blieb die Lage chaotisch. Die lokalen Behörden sprachen zwar von einer Stabilisierung - so würden inzwischen bis zu 50.000 Lebensmittelpakete pro Tag verteilt -, viele Plätze waren aber weiter mit Leichen übersät. Die Toten müssten schnell begraben werden, um den Ausbruch von Seuchen zu verhindern, sagte ein UNO-Mitarbeiter.
Die Verwaltung in der einmal 220.000 Einwohner zählenden Stadt liegt völlig danieder. Nur 20 der 293 Polizisten der Stadt erschienen zur Arbeit. Die Armee schickte Soldaten, um Plünderer zu stoppen. Angesichts der Massen an Flüchtlingen, die aus der Stadt strömten, kamen Hilfstransporte auf den Straßen nur schwer hinein.
USA schicken Flugzeugträger
Unterdessen läuft die internationale Hilfsmaschinerie weiter an. Aus aller Welt traf Hilfe auf den Philippinen ein. Energiekekse des Welternährungsprogramms, Fertigbauteile für Hütten aus Malaysia, Räumgerät aus Japan. Der Regierungssender zeigt unter anderem eine Lufthansa-Maschine, die mit Medizingerät und Decken aus Frankfurt in Manila gelandet ist. Zudem wurden von vielen Ländern Hilfsgelder freigegeben, und zahlreiche Organisationen starteten einen wahren Spendenmarathon.
Die USA schickten unterdessen den Flugzeugträger „George Washington“ und vier weitere Schiffe von Hongkong ins Katastrophengebiet. Das Schiff könnte von dem Taifun zerstörte Flughäfen teilweise ersetzen und hat eine große Anlage zur Aufbereitung von Trinkwasser an Bord. Auch Großbritannien schickte ein Schiff der Marine und ein Transportflugzeug.
Die mit 5.000 Marinesoldaten und 80 Flugzeugen besetzte „George Washington“ wird allerdings erst in zwei bis drei Tagen den Inselstaat erreichen. „Wir fahren so schnell wir können“, sagte ein Offizier des Marinekonvois. Das Wetter sei aber sehr schlecht. Hohe Wellen und ein starker Wind schränkten das Tempo ein.

APA/AP/Aaron Favila
Plünderungen stellen Polizei und Militär vor große Herausforderungen
Opferzahl weiter offen
Über die Gesamtzahl der Todesopfer gibt es unterdessen nach wie vor keine Angaben. Ein Polizeichef hatte 10.000 genannt. Geht es nach dem philippinischen Präsidenten Benigno Aquino, könnten diese Schätzungen zu hoch gewesen sein. Aquino sprach am Dienstag gegenüber CNN von mindestens 2.000 bis 2.500 Toten. Von den Behörden bestätigt wurden bisher 1.774 Todesopfer.
Allein auf der Insel Samar, wo „Haiyan“ am Freitag als erstes über die Küste hereinbrach, sind bisher über 500 Menschen in Massengräbern beigesetzt worden, sagte die zuständige Gouverneurin Sharee Ann Tan im Rundfunk. 2.000 Menschen würden vermisst. In Tacloban wurden nach Angaben von Bürgermeister Alfred Romualdez bisher 250 Leichen geborgen. Viele Tote würden auch noch in umliegenden Dörfern vermutet.
„Die Probleme sind immens, das Gebiet ist riesig, aber wir tun alles Menschenmögliche“, versicherte Innenminister Mar Roxas. Die Versorgung sei aber längst noch nicht ausreichend, so der Minister laut CNN weiter. Als „gute Nachricht“ wertete Roxas, dass zumindest der Mobilfunk wieder funktioniert. Auf Strom werden die Menschen aber noch mindestens zwei Monate warten müssen, so Energieminister Jericho Petilla.
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