„Klare Grundlage“ gegen Spionage
Die Pläne für ein „No-Spy-Abkommen“, die Politiker in Berlin derzeit hegen, könnten sich bald als transatlantisches Trugbild erweisen. Denn selbst wenn Deutschland den USA angesichts der Enthüllungen des Informanten Edward Snowden eine Vereinbarung abringt, werden die US-Geheimdienste ihre Antennen in Deutschland kaum einfahren.
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Aus Regierungskreisen in Washington ist zu vernehmen, dass ein umfassendes Abkommen zum Verzicht auf gegenseitiges Spionieren unwahrscheinlich sei. Ohnehin will die US-Regierung zunächst die Ergebnisse der von Präsident Barack Obama eingeleiteten Überprüfung der geheimdienstlichen Arbeit abwarten.
Deutschland nicht unter „neun Augen“
Die Affäre um die offenkundige Bespitzelung der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Berlin verdeutlicht, dass die USA sie in Geheimdienstfragen nicht als vollwertigen Partner betrachten. Washington bestimmt, wer von seinen Freunden wo mitspielen darf. Die besten Kameraden sind dabei die englischsprachigen Staaten Großbritannien, Kanada, Neuseeland und Australien, mit denen Washington seit Jahrzehnten im Spionagebündnis „Five Eyes“ („Fünf Augen“) einen engen Austausch pflegt. Dann folgt eine Erweiterung um Frankreich, Norwegen, Dänemark und die Niederlande („Neun Augen“).
Deutschland darf nur im Kreis der „14 Augen“ mitmachen und ist damit einigermaßen unzufrieden. „Die Deutschen waren ein wenig mürrisch, dass sie nicht in die Neun-Augen-Gruppe eingeladen wurden“, zitierten die „New York Times“ und der „Guardian“ aus einem internen Dokument des britischen Geheimdiensts GCHQ. Die Empörung über die Merkel-Überwachung sei für Berlin auch ein Hebel, um in der Geheimdiensthackordnung aufzusteigen, vermutet der „Guardian“.
Wie besser zusammenarbeiten?
Deutschland lotet derzeit die Möglichkeiten für eine bessere Zusammenarbeit mit der National Security Agency (NSA) und anderen US-Geheimdiensten aus. Zunächst kam eine ranghohe Delegation aus dem Berliner Kanzleramt ins Weißen Haus, Anfang dieser Woche wurden dann die Präsidenten der deutschen Geheimdienste Bundesnachrichtendienst und Bundesverfassungsschutz vorstellig. Im Bundestag gibt es Bestrebungen, auch die Parlamente einzubinden.
Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele, der nach seinem Besuch bei Snowden auch in Washington ein Begriff ist, hat einen Brief an die Geheimdienstausschüsse von Senat und Repräsentantenhaus geschrieben. Berlin strebt ein rechtsverbindliches Abkommen an, das nicht nur Regierungsstellen, sondern auch die Bevölkerung vor US-Spionage schützen soll. Ganz wichtig ist den Deutschen ein Verbot der Wirtschaftsspionage.
„Klare Grundlage“
Das geplante Abkommen biete „die einmalige Chance, verloren gegangenes Vertrauen wiederzugewinnen“, sagte Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) am Mittwoch nach der Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Der Vorsitzende des für Geheimdienstaufsicht zuständigen Gremiums, Thomas Oppermann (SPD), verlangte klare Schranken bei der Überwachung von Bürgern. Zudem will Deutschland Zusicherungen der USA bekommen: „Wir brauchen nach den Verunsicherungen der vergangenen Wochen und Monate eine klare Grundlage. Dazu werden Zusicherungen gehören.“
Doch die Gefahr ist groß, dass die Erwartungen in Deutschland enttäuscht werden. US-Regierungskreisen zufolge werden den Forderungen aus Berlin nicht allzu große Chancen eingeräumt. Beide Seiten suchten zwar nach einer Verständigung bei der Arbeit der Geheimdienste, sagte ein mit dem Vorgang vertrauter Regierungsmitarbeiter. Eine Anti-Spionage-Vereinbarung werde aber nicht ernsthaft in Erwägung gezogen. Eine ranghohe Regierungsvertreterin ergänzte, dass der Begriff „No-Spy-Abkommen“ fehl am Platz sei. Eine derart umfassende Vereinbarung stehe derzeit nicht zur Debatte.
USA so unbeliebt wie zu Bush-Zeiten
Unterdessen spaltet die Frage, ob Snowden in Deutschland Asyl bekommen sollte, die Bevölkerung. Laut der ARD-Analyse „Deutschlandtrend“ sind nur noch 43 Prozent der Befragten mit der Arbeit Obamas zufrieden - im September 2012 waren es noch 75 Prozent. Bei der Wiederwahl vor einem Jahr hatte der US-Präsident in Deutschland Beliebtheitswerte wie kein anderer Politiker. Oft lagen sie bei mehr als 90 Prozent.
Nur noch gut ein Drittel der Bürger in Deutschland glaubt, dass die USA ein vertrauenswürdiger Partner sind. Laut ZDF-„Politbarometer“ sehen 61 Prozent das Verhältnis zu den USA wegen der Spionageaffäre sehr stark oder stark belastet. Auch die deutschen Geheimdienste werden sehr kritisch gesehen. 81 Prozent glauben, dass sie sich ähnlich verhalten wie die NSA und auch in befreundeten Ländern Telefone abhören und Daten sammeln.
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