Heftige Kritik an Plänen
Haben Nutzer kostenloser Apps bisher unter anderem mit ihren Daten und Werbeeinblendungen für die jeweilige Anwendung bezahlt, könnten sie in Zukunft statt Geld die Rechenleistung ihres Smartphones zur Verfügung stellen.
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Der britische Plug-in-Entwickler Icoplay stellt nun eine Zusatzsoftware vor, die vor allem Entwicklern von Handygames eine neue Einnahmequelle ermöglichen soll. Das Plug-in Icominer berechnet mit Hilfe der Grafikeinheit eines mobilen Geräts im Hintergrund Einheiten der virtuellen Bitcoin-Währung. Da die Berechnungen für ein einzelnes Gerät zu komplex sind, werden sie auf viele Geräte aufgeteilt. Je mehr Geräte rechnen, desto höher ist die Chance für den Entwickler, auch Bitcoins zu erhalten.
Heftige Kritik an erstem Vorschlag
Die ersten Reaktionen auf den Vorschlag waren sehr negativ. Vor allem die Idee, dass die Spieler davon nichts bemerken sollen, rief Kritik hervor. Zudem wollte Icoplay für sein Plug-in 80 Dollar pro App-Entwickler verlangen - und musste sich den Vorwurf gefallen lassen, als Einziger von dem Konzept tatsächlich profitieren zu können. Viele Nutzer hatten auch Angst, dass das Plug-in im Hintergrund zu viel Akku verbraucht - ein gerade bei Smartphones besonders heikler Punkt.
Als Reaktion auf die Kritik änderte Icoplay das Konzept laut eigenen Angaben wieder ab. So sollen Nutzer durch die Einblendung eines Logos davon informiert werden, wenn ihr Gerät im Hintergrund Bitcoins berechnet, und die Funktion auch abdrehen können. Die User sollen auch genau darüber informiert werden, was auf ihrem Handy oder Tablet geschieht. Zudem können App-Entwickler bestimmen, wie viel Prozessorkraft und damit Akkuleistung das Plug-in zugeteilt bekommt.
Neue Wege der Monetarisierung
Laut Icoplay soll das Modell vor allem eine neue Möglichkeit der Monetarisierung von Spielen sein. Es sei ein Experiment, um aus der „komfortablen“ Ecke des Free-to-Play (F2P) rauszukommen und andere Wege auszuprobieren, so ein Vertreter in einem Artikel auf der Website Pocketgamer. Daher sei das Plug-in nun auch kostenlos, schreibt Icoplay auf seiner eigenen Website, der Anbieter will laut eigenen Angaben damit keinen Cent mehr verdienen. Allerdings könnten auch die App-Entwickler mit dem Plug-in keine Millionäre werden. Dazu sei nicht zuletzt auch die Kursentwicklung von Bitcoin zu unsicher.
Die heftigen Reaktionen in einschlägigen Spielerforen und das Zurückrudern der Plug-in-Entwickler zeigen, dass zumindest informierte Nutzer mittlerweile durchaus darauf achten, was auf ihren Handys abseits der tatsächlich gewollten Apps passiert - ob das auch für die Mehrheit der Smartphone-Nutzer gilt, ist fraglich. Sicher ist aber, dass gerade durch die Datenskandale der jüngsten Zeit viele Nutzer sehr hellhörig geworden sind, wenn es um „versteckte“ Funktionen auf ihren Geräten geht.
Warnung vor datenhungrigen Apps
Daten- und Konsumentenschützer warnen immer wieder vor Apps, die allzu datenhungrig sind oder auch versuchen, direkt oder indirekt zusätzliche Einnahmen zu generieren. So hat zuletzt die Zahl der kostenlosen Spiele zugenommen, die für bestimmte Gegenstände im Spiel entweder die „Mitarbeit“ von Facebook-Kontakten des Spielers oder direkt Geld einfordern. Oft stellt sich der tatsächliche Spielspaß erst mit dem Erwerb der Zusatzartikel ein oder das Spiel kann nur mit einer bestimmten Zahl von Facebook-Kontakten weitergenutzt werden.
Werbung als „Bezahlung“
Laut einer Studie im Auftrag der Arbeiterkammer (AK) vom vergangenen Jahr zielen viele Apps ohnedies darauf ab, möglichst viele Daten von ihren Nutzern zu sammeln, um diese dann an Dritte weiterzugeben. Mit diesen Daten würden bestehende Datensammlungen angereichert, um sie noch besser für die Werbung verwertbar zu machen - auch Facebook verdient sein Geld bekanntlich mit Werbung. Viele Gratis-Apps sammelten zudem mehr Daten als eigentlich nötig - oder auch erlaubt. Oft würden gleich fertig programmierte Module bereitgestellt, die die App-Entwickler einfach in ihre Anwendungen einbauen müssten.
Mobile Version des Gridcomputing
Dabei ist die grundlegende Idee des Plug-ins, nämlich komplexe Berechnungen, die üblicherweise nur mit rechenstarken Computern erledigt werden können, auf zahlreiche schwächere Geräte zu verteilen, bewährt und auch auf mobilen Geräten ausbaufähig. Mit der konstanten Steigerung der Leistungsfähigkeit mobiler Geräte können nun auch Smartphones und Tablets für verteiltes Rechnen genutzt werden.
Dabei ändern sich naturgemäß die Anwendungen: Statt Hochenergiephysik oder der Suche nach außerirdischem Leben wie bei SETI@home, ist mobiles Gridcomputing vor allem für kleinere Bereiche interessant, in denen schnell mehr Rechenleistung benötigt wird. Forscher der Universität Braunschweig skizzierten etwa die Möglichkeit, dass sich in einem Zug mehrere Handys ad hoc zu einem solchen Grid zusammenschließen, um die Wettervorhersage am Zielort zu berechnen. Dazu könnten sie auch Daten, die ihnen von Handys aus einem entgegenkommenden Zug, der aus dem Zielort kommt, übermittelt wird, nutzen.
Rechenkraft gegen Lademöglichkeit?
Auch Firmen könnten laut den Forschern auf die Rechenkraft der Handys ihrer Mitarbeiter zugreifen und ihnen im Gegenzug etwa den Strom für das Aufladen der Geräte zur Verfügung stellen. Damit wäre auch sichergestellt, dass die Handys etwa nur während des Ladens für Berechnungen herangezogen werden und den Geräten - und damit dem Nutzer - nicht plötzlich der Saft ausgeht.
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