Finanzielle Interessen unterstellt
Das Team Stronach (TS) ist offenbar richtig sauer auf die frühere ORF-Generaldirektorin Monika Lindner: Ihre Entscheidung, das Nationalratsmandat entgegen ihren vorhergegangenen Aussagen doch anzunehmen, „ist demokratiepolitisch schwer bedenklich und eine Verhöhnung des Parlamentarismus“, so die designierte TS-Vizeklubobfrau Waltraud Dietrich am Dienstag in einer Aussendung.
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Sie warf Lindner vor, dass die Annahme des Mandates vordergründig in Zusammenhang mit finanziellen Interessen stehe. Lindner hatte auf dem dritten TS-Listenplatz kandidiert, ihre Kandidatur aber lange vor der Wahl wegen Aussagen des damaligen TS-Klubobmanns Robert Lugar zurückgezogen und sich folglich im Wahlkampf nicht engagiert.
„Keine Form von Anstand und Charakter“
„Wenn Lindner sich jetzt plötzlich doch als freie Mandatarin ihren Sitz im Nationalrat fürstlich entlohnen lässt, dann ist das keine Form von Anstand und Charakter“, so Dietrich. Die anderen Kandidaten hätten für den Wahlerfolg gekämpft.
Dietrich vermutet finanzielle Motive hinter Lindners Entscheidung: „Wenn mediale Berichte stimmen, dass sich Frau Lindner im ORF erkundigt hat, ob sie neben ihrer ORF-Pension von kolportierten 10.000 Euro auch ein Nationalratsgehalt von über 8.000 Euro beziehen kann, dann ist offensichtlich, worum es ihr wirklich geht.“ Das sei „menschlich zutiefst enttäuschend und moralisch verwerflich“, meinte Dietrich.
Nachbaur: Vorgangsweise „nicht fair“
TS-Chef Frank Stronach, der derzeit wieder in Kanada ist, zeigte sich in einer ersten Reaktion gegenüber dem „Kurier“ „enttäuscht“. „Es ist, wie es ist. Ich bin nicht verärgert, ich bin höchstens enttäuscht. Aber auch da wird es darauf ankommen, wie sie sich benimmt.“ Stronach hofft, dass eine Zusammenarbeit möglich ist: „Vielleicht hat sie mit (Klubchefin, Anm.) Kathrin Nachbaur ausgemacht, dass sie unsere Anträge im Parlament unterstützt.“
Auch Nachbaur reagierte am Montag mit einem knappen Statement: „Ich nehme das zur Kenntnis“, sagte sie in einer Pause der Bundesdirektoriumssitzung in Salzburg gegenüber der APA. „Ich weiß, dass sie unser Parteiprogramm für gut befindet. Sie hat auch den Ehrenkodex unserer Partei unterschrieben“, so Nachbaur. „Ich nehme an, dass sie bei unseren Anträgen mitstimmt.“ Während sie am Montag noch zurückhaltend reagiert hatte, ließ Nachbaur am Dienstag über Facebook wissen, dass sie „enttäuscht“ sei: Es handle sich um ein Mandat des Teams Stronach, „ich finde ihre Vorgangsweise nicht fair“.
„Teuerste ‚wilde‘ Abgeordnete“
„Monika Lindner bekommt bereits für die ASVG-Rente und die ORF-Zusatzpension rund 10.000 Euro im Monat. Mit ihrem Politikergehalt vom Parlament wäre sie die teuerste ‚wilde‘ Abgeordnete im Hohen Haus - alles Geld finanziert vom Staat und staatsnahen Betrieben“, so Nachbaur in einer Aussendung am Dienstag. „Etwas Bescheidenheit wäre angemessen und ein schöner Zug“, so Nachbaur weiter. Lindner solle für die Zeit, in der sie als Abgeordnete bezahlt wird, ihre ORF-Zusatzpension ruhend stellen.
SPÖ und Grüne fordern Mandatsverzicht
Als „demokratiepolitisch unredlich und eine Täuschung der Wählerinnen und Wähler“ bezeichnete SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos die Entscheidung Lindners am Dienstag in einer Aussendung. Lindner wolle durch die Hintertür ins Parlament einziehen. Dieses Verhalten sei an Dreistigkeit kaum zu überbieten und zeuge von einem mehr als fragwürdigen Demokratieverständnis, so Darabos. Besonders verwerflich ist für Darabos, dass sich Lindner damit neben ihrer ohnehin stattlichen Pension noch ein Abgeordnetensalär verschafft. Darabos bezeichnete das als unredlich. Die einzige anständige Lösung wäre, dass Lindner auf ihr Mandat - wie vor der Wahl angekündigt - verzichtet, so Darabos.
Die Grünen stellen sich in der Causa Lindner auf die Seite des TS. „Wo war eigentlich ihre Leistung im Wahlkampf?“, fragte der geschäftsführende Parlamentarier der Grünen, Dieter Brosz, Lindner. Lindners Vorgangsweise sei „ein neuer politischer Tiefpunkt in Österreich“, so Brosz am Dienstag in einer Aussendung. Ihre Vorgangsweise sei „bewusste WählerInnentäuschung“, Lindner solle auf ihr Mandat verzichten.
Lindner: „Kein Wechsel in anderen Klub“
Einen Wechsel in einen anderen Klub wird es laut Lindner, die bereits in ihrer Amtszeit als ORF-Chefin als ÖVP-nahe galt, nicht geben, wie sie der „Tiroler Tageszeitung“ („TT") sagte. Sie habe sich nicht um Aufnahme bemüht, auch seitens der Partei habe es keine Versuche gegeben, sie in den schwarzen Klub zu holen. „So geht’s nicht, dass man ein Mandat nimmt und dann sagt, Adieu, und woandershin geht. Das hielte ich nicht für sehr ehrenhaft“, sagte sie gegenüber der „TT“.
ÖVP: Null Kontakt
Die ÖVP hat laut ihrem Klubobmann Karlheinz Kopf „null Kontakt“ mit Lindner. „Wir werden ihn auch nicht suchen“, sagte Kopf am Dienstag am Rande des Ministerrates. Im Parlament werde der ÖVP-Klub natürlich einen normalen Kontakt zu Lindner aufbauen - so wie man das auch mit allen anderen Fraktionen mache, so der Klubobmann.
Lindner ist formal Mitglied der wahlwerbenden Partei Team Stronach, weil sie dort auf der Liste steht. Ein Verzicht darauf war nicht mehr möglich, als sie sich - kurz nach Bekanntgabe der Kandidatur - entschloss, doch nicht für das TS anzutreten. Aber damit gehört sie noch nicht der „Parlamentspartei“ TS, also dem Klub, an. Denn ein gewählter Kandidat verfüge über ein freies Mandat, die Entscheidung, welchem Klub er angehört, sei eine freiwillige, so Parlamentsexperte Werner Zögernitz.
Pension und Nationalratsbezug
Für Lindner bringt der Schritt in die Politik jedenfalls eine deutliche Einkommensaufbesserung: Nach Angaben des Wochenmagazins „profil“ fragte sie vorvergangene Woche beim kaufmännischen Direktor des ORF, Richard Grasl, nach, ob Einkünfte aus parlamentarischer Tätigkeit ihre ORF-Pension kürzen würden. Grasl verneinte laut „profil“: Nur Arbeit für den ORF oder eine andere TV-Station würde gegengerechnet. Die 8.307 Euro Nationalratsbezug stünden ihr neben den rund 10.000 Euro monatlicher Pension ungeschmälert zu.
Durch Lugar-Aussagen „existenziell beschädigt“
Der Einstieg in die Politik sei schon länger ihr Wunsch gewesen, so Lindner. Sie habe das auch schon bald nach ihrem Ausscheiden aus dem ORF Ende 2006 bei der ÖVP deponiert – ohne Erfolg. Dann sei das Angebot von Frank Stronach gekommen. Das Programm der Partei habe sie als Alternative gesehen, „um den Stillstand dieser zwei Großparteien“ zu beenden, sagte sie der „TT“. Nach den Aussagen von Lugar habe sie aber nicht mehr mitkönnen, diese hätten sie „existenziell beschädigt“.
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