Aktion von „Zypern bis Spanien“
Seit am Donnerstag vor der Küste der italienischen Mittelmeer-Insel Lampedusa ein Schiff mit rund 500 afrikanischen Flüchtlinge gekentert ist und bisher mehr als 270 Leichen geborgen wurden, wird in der EU heftig über die europäische Flüchtlingspolitik diskutiert. Die EU-Kommission forderte am Dienstag eine neue Operation der EU-Grenzschutzagentur FRONTEX im Mittelmeer zur Seenotrettung.
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„Ich werde den Mitgliedsstaaten eine große FRONTEX-Operation im gesamten Mittelmeer von Zypern bis Spanien vorschlagen“, sagte EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström am Dienstag bei einem Treffen der EU-Innenminister in Luxemburg, auf dessen Tagesordnung kurzfristig die Debatte über die EU-Flüchtlingspolitik gesetzt wurde.
Regeländerung fraglich
„Ich werde nach der politischen Unterstützung und den notwendigen Mitteln dafür fragen, um mehr Menschenleben zu retten“, so Malmström. Für so eine Operation sei aber die politische und finanzielle Unterstützung der Mitgliedsstaaten notwendig, sagte die Schwedin.
Sie erwarte nicht, dass die EU-Länder zu einer Änderung des Systems zur Aufnahme von Flüchtlingen bereit seien, so Malmström. Laut den EU-Regeln ist dasjenige Land für die Aufnahme von Flüchtlingen und die Bearbeitung ihrer Asylanträge zuständig, in dem Ankömmlinge zuerst die Europäische Union erreichen.
Italien fordert mehr Unterstützung
Italiens Innenminister Angelino Alfano verlangte von seinen EU-Partnern mehr Hilfe bei der Aufnahme von Schiffsflüchtlingen: „Wir verlangen einen konkreten Hilfsplan, um Italien bei der Aufnahme von Flüchtlingen nach ihrer Rettung zu helfen.“ Rom wünsche sich auch Unterstützung bei der Kontrolle der Grenzen. Europa stehe dabei in der Verantwortung, weil die italienische Grenze zugleich eine Außengrenze der EU sei.
„Wir verlangen, dass uns Europa eine starke Hand reicht, um Menschenleben zu retten“, sagte Alfano. Italien habe in den vergangenen Jahren seine Rolle erfüllt und Tausende Schiffsflüchtlinge gerettet. Zudem forderte Alfano, dass sich Europa finanziell solidarisch zeigen solle.
Mikl-Leitner: Österreich nicht gefordert
Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) winkte diesbezüglich aber vor Beginn der Beratungen in Luxemburg neuerlich ab. „Österreich kommt der Flüchtlingstradition sehr wohl nach, nicht umsonst ist Österreich an vierter Stelle, was die Asylquote betrifft“, sagte Mikl-Leitner. „Wir wissen, dass die Verteilung in ganz Europa nicht gerecht ist.“ Sie halte „sehr viel davon, ein System zu finden, das einfach mehr die Verantwortung gerecht aufteilt“, so Mikl-Leitner.
Deutschland weist Kritik zurück
Der deutsche Innenminister Hans-Peter Friedrich lehnte Änderungen bei der Aufnahme von Flüchtlingen ab. Auf Deutschland kämen auf eine Million Einwohner etwa 950 Asylwerber, in Italien hingegen knapp 260, sagte der CSU-Politiker. „Das zeigt, dass die Erzählungen, dass Italien überlastet ist mit Flüchtlingen, nicht stimmen.“
Schwedens Innenminister Tobias Billström unterstützte Friedrich und forderte mehr Anstrengungen aller Mitgliedsstaaten. Deutschland und Schweden allein hätten bisher zwei Drittel der syrischen Bürgerkriegsflüchtlinge in der EU aufgenommen. Alle Mitgliedsstaaten müssten ihr „Äußerstes“ bei der Aufnahme von Flüchtlingen tun, forderte Malmström. „Denn heute gibt es sechs, sieben Länder, die die gesamte Verantwortung übernehmen, und wir sind 28 Mitgliedsstaaten.“
Schulz und Swoboda für gerechtere Quoten
„Es ist eine Schande, dass die EU Italien mit dem Flüchtlingsstrom aus Afrika so lange alleingelassen hat“, sagte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz der deutschen „Bild“ (Montag-Ausgabe) angesichts des Ausmaßes der Katastrophe. Die Flüchtlinge müssten in Zukunft gerechter auf die EU-Mitgliedsstaaten verteilt werden. „Das heißt auch, dass Deutschland zusätzliche Menschen aufnehmen muss.“
Auch der Fraktionschef der Sozialdemokraten im EU-Parlament, Hannes Swoboda, sprach sich für eine „Trendwende“ in der Migrationspolitik der EU aus. „Wir müssen endlich zu einer solidarischen Flüchtlingspolitik kommen“, forderte Swoboda in der ZIB24. Die jüngste Flüchtlingstragödie vor der Küste Lampedusas „muss jetzt Anlass sein, endlich zu Flüchtlingsquoten zu kommen“. Einwände von Mikl-Leitner, zunächst seien andere EU-Länder in der Verantwortung, Flüchtlinge aufzunehmen, bezeichnete Swoboda als „lächerlich“.
FRA: „Wir müssen jetzt handeln“
Die EU-Grundrechtsagentur (FRA) rief die Mitgliedsstaaten unterdessen auf, ihre Flüchtlingspolitik nach der Tragödie von Lampedusa zu ändern. „Wir müssen jetzt handeln, um ein Gleichgewicht zu finden zwischen unseren Grenzkontrollrechten und den Bedürfnissen und Rechten der Migranten“, sagte FRA-Direktor Morten Kjaerum.
Konkret forderte er, dass Fischer künftig nicht mehr bestraft werden sollen, wenn sie in Seenot geratene Migranten retten. Viele Fischer würden Migrantenbooten ausweichen und ihnen nicht helfen, um sich bürokratische Verwicklungen zu ersparen, heißt es in einer von der FRA in Wien veröffentlichten Aussendung.
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