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Beim Untergang eines Flüchtlingsbootes vor der italienischen Insel Lampedusa sind am Donnerstag möglicherweise Hunderte Menschen ertrunken. Bereits über 100 Leichen seien geborgen worden, bis zu 220 Menschen würden noch vermisst, teilte die Küstenwache am Donnerstagabend mit.

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Da es immer weniger Hoffnung gebe, noch Überlebende zu finden, sei zu befürchten, dass die Zahl der Todesopfer auf über 300 ansteigen könnte", berichtet die Zeitung „Corriere della Sera“. Jüngsten Angaben zufolge sollen im und um das mittlerweile gefundene Wrack des Unglücksschiffes noch Dutzende Leichen gefunden worden sein. Das Schiff wurde zuvor mit Hilfe eines Flugzeuges in etwa 40 Meter Tiefe unweit von Lampedusas kleiner Nachbarinsel Isola dei Conigli lokalisiert.

500 Flüchtlinge an Bord

Den Angaben zufolge kenterte das Schiff mit 500 Personen vor der Nachbarinsel und geriet in Brand. Rund 150 Menschen konnten lebend geborgen werden, so die Bürgermeisterin von Lampedusa, Giusi Nicolini. Unter den Todesopfern befinden sich laut Nicolini auch Kinder und Frauen.

Küstenwache im Hafen

Reuters/Nino Randazzo/ASP press office/

Überlebende des Unglücks im Hafen von Lampedusa

Im Hafen von Lampedusa wurden Leichensäcke von Booten getragen und nebeneinander auf den Kai gelegt. „Es ist schrecklich, wie auf einem Friedhof“, sagte Nicolini. Schiffe der Küstenwache und der Polizei sowie Hubschrauber suchten nach Überlebenden. „Jetzt wird es kälter, sie können nicht schwimmen, sie wissen nicht, wo sie hin sollen“, sagte Italiens Außenministerin Emma Bonino über Flüchtlinge, die vielleicht noch auf dem Meer trieben.

Schiff nach Brand gekentert

Das tunesische Innenministerium teilte laut dpa mit, das Boot sei in Libyen aufgebrochen und auf seinem Weg nach Lampedusa an der tunesischen Hafenstadt Sfax vorbeigefahren. Die Flüchtlinge sollen überwiegend aus Somalia und Eritrea stammen. Sie waren nach Angaben von Geretteten vor zwei Tagen in der libyschen Hafenstadt Misrata gestartet.

Nach Angaben von Italiens Innenminister Angelino Alfano sei kurz vor Lampedusa zunächst der Motor des Flüchtlingsbootes ausgefallen, Wasser sei eingedrungen. Die Passagiere hätten daraufhin ein Tuch angezündet, um auf sich aufmerksam zu machen. Dadurch sei aber ein größerer Brand ausgebrochen. Alle Menschen hätten sich auf eine Seite des Bootes geflüchtet, wodurch dieses untergegangen sei. „Hätten sie ein Telefon benutzen können, hätten sie gerettet werden können“, sagte Alfano.

Die Mannschaft eines Fischerbootes alarmierte Behördenangaben zufolge in der Früh als Erste die Küstenwache und begann damit, Menschen aus dem Wasser zu ziehen. Ein mutmaßlicher Schlepper, der die Überfahrt der Flüchtlinge nach Lampedusa organisiert haben soll, wurde festgenommen. Die Staatsanwaltschaft eröffnete ein Ermittlungsverfahren.

Karte von Lampedusa

APA/ORF.at

Lampedusa ist wegen seiner Nähe zu Afrika seit Jahren Ziel Tausender Flüchtlinge

Zweites Flüchtlingsboot erreichte Insel

Wegen des guten Wetters versuchen zurzeit besonders viele Flüchtlinge, die meisten von ihnen aus Krisenstaaten wie Ägypten und Syrien, in kaum seetauglichen Booten von Afrika über das Meer nach Lampedusa und Sizilien zu gelangen. Am Donnerstag war neben dem Unglücksschiff ein weiteres mit 463 Migranten auf Lampedusa angekommen. Sie wurden in das Auffanglager der Insel geführt, in dem sich zurzeit 700 Personen befinden.

Am Mittwochabend waren weitere 117 Flüchtlinge an Bord eines Bootes gerettet und in den Hafen der sizilianischen Stadt Syrakus gebracht worden. Am Montag kamen 13 Einwanderer aus Ägypten ums Leben, als ihr Schiff vor der Küste Siziliens unterging.

„Globalisierung der Gleichgültigkeit“

Regierungschef Enrico Letta sprach von einer „riesigen Tragödie“ und erklärte den Freitag zum Trauertag. Innenminister Alfano reiste selbst nach Lampedusa. Eine in Rom geplante Pressekonferenz Alfanos über die politischen Entwicklungen nach der von der Regierung Letta bewältigten Vertrauensabstimmung wurde abgesagt. Verkehrsminister Maurizio Lupi forderte von der EU und der internationalen Gemeinschaft eine gemeinsame Initiative zur Bekämpfung des Flüchtlingsstroms über das Mittelmeer.

Die Präsidentin der Abgeordnetenkammer, Laura Boldrini, ehemalige Sprecherin des UNO-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR), warnte vor einer „Globalisierung der Gleichgültigkeit“. Das Drama vor Lampedusa sei das Ergebnis fehlender Beschlüsse in puncto Migrationspolitik, so Boldrini.

„Europa muss Maßnahmen ergreifen, um die dramatischen Migrantenfahrten über das Mittelmeer zu verhindern“, sagte der ehemalige Pfarrer der Kirche San Gerlando von Lampedusa, Stefano Nastasi. Auch Papst Franziskus zeigte sich über das neue Flüchtlingsdrama erschüttert. Erst im Juli hatte der Papst Lampedusa besucht. Er wollte auf das Schicksal Tausender Bootsflüchtlinge aufmerksam machen, die ihr Leben riskierten, um nach Europa zu gelangen - mehr dazu in religion.ORF.at.

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