Bundesverwaltung steht weitgehend still
Nach dem Beginn der Verwaltungsnotstands in den USA hat Präsident Barack Obama die Republikaner scharf angegriffen. Ein Teil der Opposition habe auf einem „ideologischen Kreuzzug“ gegen seine Gesundheitsreform entschieden, die Regierung lahmzulegen, kritisierte Obama am Dienstag in Washington. Die Regierung forderte aber nicht nur eine rasche Einigung im Budgetstreit, sondern auch eine baldige Anhebung der Schuldenobergrenze.
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Der Dienstagmitternacht eingetretene Verwaltungsnotstand („Government Shutdown“) „dreht sich nicht um Staatsdefizite oder Ausgaben oder Budgets“, so Obama. Stattdessen gehe es den Konservativen einzig darum, zu verhindern, dass Bürger eine Krankenversicherung bekämen, die bisher keine hätten. „Ich fordere die Republikaner auf, die Verwaltung wieder zu öffnen“, sagte Obama. Er werde darüber nicht verhandeln.
Der Präsident beklagte, dass die erzkonservative „Tea-Party“ das Land wegen seiner Ablehnung der Gesundheitsreform in Geiselhaft nehme. Verhandlungen über die „Obamacare“ genannte Reform kommen für ihn nicht in Frage. „Das ist erledigt und bleibt bestehen“, sagte Obama. Der Präsident wies darauf hin, dass das vor drei Jahren verabschiedete Gesetz im Sommer 2012 vom Obersten Gerichtshof bestätigt wurde.
Teillösung gescheitert
Die Fronten im Budgetstreit blieben verhärtet, selbst Teillösungen haben derzeit keine Aussicht auf die notwendige Zweidrittelmehrheit. Zuletzt scheiterte am Dienstagabend (Ortszeit) ein Entwurf der Republikaner, der zumindest eine Teilöffnung der lahmgelegten Verwaltung vorsah, an den Demokraten. Ziel der Vorlage war es, trotz des Verwaltungsstillstandes die Nationalparks zu öffnen und pünktliche Zahlungen an Veteranen sicherzustellen. Das Weiße Haus hatte allerdings schon im Vorfeld abgewunken. „Ein Stück-für-Stück-Ansatz, die Regierung zu finanzieren, ist kein ernsthafter Ansatz“, sagte Regierungssprecher Jay Carney.

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Der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Harry Reid, lehnte den Vermittlungsausschuss ab
Auch einen Vermittlungsausschuss lehnte der Mehrheitsführer der Demokraten im Senat, Harry Reid, ab, solange die Republikaner Haushalt und Gesundheitsreform weiter verknüpfen. An dieser Forderung scheiterten bereits zuvor sämtliche Versuche, zeitgerecht ein Übergangsbudget zu erstellen. Während das von den Republikanern dominierte Repräsentantenhaus auf der Klausel über eine Verschiebung der Gesundheitsreform besteht, wurde das stets vom demokratisch dominierten Senat abgelehnt.

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Nicht nur Nationalparks sind seit Dienstag geschlossen
800.000 Beamte in Zwangsurlaub
Nach Ablauf der Frist stehen seit Wochenbeginn erstmals in 17 Jahren weite Teile der US-Bundesverwaltung wegen mangelnder Finanzierung still. Rund 800.000 Beamte befinden sich seitdem in unbezahltem Zwangsurlaub. Zahlreiche Ämter und öffentliche Einrichtungen bleiben bis auf weiteres geschlossen.
Besonders betroffen ist das Weiße Haus, wo sich von den 1.700 Mitarbeitern nun knapp 1.300 in Zwangsurlaub befinden. Geschlossen bleibt auch die Börsenaufsicht. Zudem fallen die meisten Aktivitäten der US-Raumfahrtbehörde NASA der Notmaßnahme zum Opfer. Einige Mitarbeiter bleiben aber im Dienst, um die Versorgung der Internationalen Raumstation (ISS) und von Satelliten im All zu garantieren. Dasselbe gilt für jene Mitarbeiter des Energieministeriums, die beispielsweise für die Nuklearsicherheit und die Überwachung von Staudämmen zuständig sind.
Auswirkungen auf Geheimdienste
Medienberichten zufolge dürfte sich der Haushaltsstreit auch auf die Geheimdienste auswirken. Drei mit der Sache vertraute Personen sagten am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters, mehr als 70 Prozent der zivilen Angestellten der CIA, des Büros des Direktors der Nationalen Geheimdienste und 15 weiterer Dienste drohe der Zwangsurlaub.
Allein die CIA rechne damit, dass 12.500 Zivilisten betroffen seien. Armeeangehörige sind ausgenommen. Diese machen einen großen Teil der Mitarbeiter beim Nachrichtendienst NSA und dem Militärgeheimdienst DIA aus. Welche Aufgabengebiete wegen der Blockade im Kongress eingeschränkt seien, werde geheim gehalten, hieß es weiter.
„Tsunami für Raum Washington“
Nach Schätzungen von Experten führt die Haushaltskrise täglich zu Verlusten von mehreren hundert Millionen Dollar. Allein im Großraum Washington könnten sich die Ausfälle auf 200 Mio. Dollar (rund 148 Mio. Euro) pro Tag belaufen, sagte der Wirtschaftsexperte Stephen Fuller der Zeitung „Washington Post“. Im Raum Washington leben besonders viele der Staatsbediensteten, die wegen der Krise in Zwangsurlaub geschickt wurden. „Das ist ernst“, sagte Fuller. Für das gesamte Land würden sich die finanziellen Folgen des Verwaltungskollapses zwar erst später voll bemerkbar machen. „Aber für den Raum Washington handelt es sich um einen Tsunami.“
Aufgrund der innenpolitischen Lage sagte Obama unterdessen eine geplante Reise nach Malaysia und auf die Philippinen ab, wie am Mittwoch bekanntwurde. Obamas Malaysia-Besuch war für den 11. Oktober vorgesehen. Obama wollte unter anderem an Regionalgipfeln in Indonesien und Brunei teilnehmen.
Dauer des „Government Shutdown“ offen
Bereits in den vergangenen Tagen hatten einander Repräsentantenhaus und Senat ein politisches Kräftemessen geliefert: Dreimal stellte das Repräsentantenhaus in einem Übergangsbudget für das am Dienstag begonnene Fiskaljahr 2014 die Finanzierung und das Inkrafttreten der Gesundheitsreform infrage, dreimal schmetterte der Senat das ab. Angesichts der Blockade rief das Weiße Haus am Montag kurz vor Mitternacht schließlich den Haushaltsnotstand aus. Wie lange es in den USA nun „Government Shutdown“ heißt, ist derzeit völlig offen.
Schuldengrenze als nächste Hürde
Zusätzlich zum laufenden Budgetstreit steht in den USA eine weitere heftig umstrittene finanzpolitische Entscheidung an. Bis zum 17. Oktober muss sich der Kongress auf eine Erhöhung der Schuldengrenze von 16,7 Billionen Dollar (12,4 Billionen Euro) einigen.
Nach dem bereits bekannten Stichtag für den Schritt am 17. Oktober gebe es „keine weitere Zeit mehr zum Handeln“, schrieb Finanzminister Jacob Lew am Dienstag in einem Brief an den Kongress. Ab dem Tag blieben der Regierung noch 30 Milliarden Dollar (rund 22 Mrd. Euro), „um den Verpflichtungen unseres Landes nachzukommen“. Ohne eine Anhebung der Schuldengrenze drohe den USA damit binnen kürzester Zeit die Zahlungsunfähigkeit.
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