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„Sehr trauriger Tag für unser Land“

Ohne Einigung ist in den USA die Frist im Haushaltsstreit zwischen Demokraten und Republikanern abgelaufen. Damit heißt es in den dem Land „Government Shutdown“ („Regierung geschlossen“): Erstmals seit 17 Jahren wurde die mit weitläufigen Folgen verbundene Schließung von Regierungseinrichtungen angeordnet.

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Kurz vor Ablauf der Frist für die Verabschiedung eines Übergangsbudgets für das in der Nacht auf Dienstag anbrechende Fiskaljahr 2014 wies das Weiße Haus in Washington die Bundesbehörden an, ihre Pläne für einen Haushaltsnotstand umzusetzen. Das Haushaltsbüro des Weißen Hauses ordnete an, die Aktivitäten „geordnet“ herunterzufahren.

„Leider haben wir keinen klaren Hinweis darauf, dass der Kongress rechtzeitig handelt, damit der Präsident ein Übergangsbudget bis Ende des morgigen Tages, des 1. Oktober 2013, unterschreibt“, heißt es in dem am späten Montagabend (Ortszeit) veröffentlichten Dekret. Angesichts der mangelnden Finanzierung müssten die Behörden nun ihre Notfallpläne ausführen.

Dauer des Stillstands offen

Wie lange der Stillstand andauern wird, ist derzeit offen. Das Weiße Haus rief den Kongress auf, sich schnell auf eine „kurze Brückenfinanzierung“ zu einigen, um dann einen Haushalt für das Fiskaljahr 2014 zu verabschieden. Das Ziel müsse die baldige Wiederaufnahme der suspendierten „wichtigen öffentlichen Dienstleistungen“ sein.

Allein im Weißen Haus 1.300 Betroffene

Als direkte Folge des Verwaltungsstillstandes müssen nun rund 800.000 Staatsbedienstete unbezahlt in Zwangsurlaub geschickt werden. Zahlreiche Ämter und öffentliche Einrichtungen wie Museen und Nationalparks bleiben geschlossen. Wie das US-Außenministerium mitteilte, könnten auch einige Konsulate und Botschaften von einer Schließung betroffen sein. Beim letzten „Shutdown“ blieben zwischen 20.000 und 30.000 Visaanträge täglich unbearbeitet.

Ausnahmen gelten nur für Angestellte, die der Grundversorgung und der Sicherheit des Landes dienen, beispielsweise Soldaten, Gefängniswärter, Mitarbeiter an Grenzposten und in Krankenhäusern. Auch beim Heimatschutzministerium bleibt der Betrieb größtenteils aufrecht.

Die meisten Mitarbeiter anderer Ministerien müssen im Gegensatz dazu bis auf weiteres zu Hause bleiben. Besonders betroffen ist das Weiße Haus, wo sich von den 1.700 Mitarbeitern nun knapp 1.300 in Zwangsurlaub befinden. Geschlossen bleibt unter anderem auch die Börsenaufsicht. Zudem fallen die meisten Aktivitäten der US-Raumfahrtbehörde NASA der Notmaßnahme zum Opfer. Einige Mitarbeiter bleiben aber im Dienst, um die Versorgung der Internationalen Raumstation (ISS) und von Satelliten im All zu garantieren. Dasselbe gilt für jende Mitarbeiter des Energieministeriums, die beispielsweise für die Nuklearsicherheit und die Überwachung von Staudämmen zuständig sind.

„Normaler Dienststatus“ für Soldaten

Per Gesetz stellte Obama unmittelbar vor Ablauf der Frist sicher, dass Soldaten und militärische Einrichtungen nicht vom Finanzierungsstopp betroffen sind. „Diejenigen von Ihnen in Uniform werden ihren normalen Dienststatus beibehalten“, sagte Obama in einer Botschaft an das Militär am Dienstag. Das Gesetz werde sicherstellen, dass Gehaltsschecks rechtzeitig ausgestellt werden. Die kommenden Tage könnten Unsicherheit und möglicherweise Urlaub mit sich bringen, sagte Obama zu den Zivilangestellten des Pentagon.

Zuletzt hatte es in den USA 1995 und 1996 mehrmals keinen gültigen US-Staatshaushalt gegeben. Der Stillstand unter Präsident Bill Clinton dauerte insgesamt 26 Tage. Seit 1976 kam es laut einer Zählung der „Washington Post“ insgesamt 17-mal zum „Shutdown“. Dieser drohte in den vergangenen Jahren mehrfach, konnte aber immer noch rechtzeitig abgewendet werden.

Streit über „Obamacare“

„Das ist ein sehr trauriger Tag für unser Land“, sagte der Führer der demokratischen Mehrheit im Senat, Harry Reid. Der Budgetstreit eskalierte, weil die Republikaner den drohenden Finanzierungsnotstand politisch nutzen wollten, um Obamas umstrittene Gesundheitsreform zu blockieren.

Erneut versuchten sie, einen Übergangshaushalt an Maßnahmen zu koppeln, mit denen die Umsetzung der Reform um ein Jahr verzögert würde. Mit 228 zu 201 stimmte das Repräsentantenhaus für die Resolution, deren Änderungen der Senat gleich darauf mit 54 zu 46 Stimmen wieder verwarf. Dieses gesetzgeberische Hin und Her hatte sich im Kapitol bereits seit mehreren Tagen hingezogen. „Wir werden nicht diejenigen sein, die zum Schluss das heiße Eisen halten“, zitierte CNN den Präsidenten der republikanisch dominierten Kammer, John Boehner.

Gegen diesen und seine Gefolgsleute formierte sich am Abend noch eine kleine Gruppe gemäßigter Republikaner, die gegen eine Lähmung der Regierung sind. Sie brachten aber nicht einmal die 17 von 233 benötigten Republikaner-Stimmen zusammen, um einen Übergangshaushalt ohne Bedingungen zusammen mit den Demokraten auf den Weg zu bringen. Obama hatte den Kongress am Abend noch einmal beschworen, der US-Regierung den Geldhahn nicht zuzudrehen.

Schuldengrenze als nächste Hürde

Zusätzlich zum laufenden Budgetstreit steht in den USA eine weitere heftig umstrittene finanzpolitische Entscheidung an. Bis zum 17. Oktober muss sich der Kongress auf eine Erhöhung der Schuldengrenze von 16,7 Billionen Dollar (12,4 Billionen Euro) einigen. Andernfalls droht den USA erstmals in ihrer Geschichte die Zahlungsunfähigkeit.

Warnung vor Eskalation

An den Börsen hielt sich die Reaktion auf den „Shutdown“ in Grenzen. Auch der Dollar bewegte sich kaum. Nachdem die Aktienmärkte zuletzt wegen des Konflikts erheblich unter Druck geraten waren, hatten sich Händler und Investoren offenbar darauf eingestellt, dass es diesmal nicht mehr zu einer Einigung vor Ende der Frist kommen würde. Erheblich zuspitzen wird sich die Lage jedoch, wenn sich der Budgetstreit noch Wochen hinziehen sollte und auf die Debatte zur Erhöhung der Schuldenobergrenze überschwappt.

Auch die Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) rüttelt trotz der Eskalation im US-Haushaltsstreit vorerst nicht an der Kreditwürdigkeit der Vereinigten Staaten. „Die Debatte über die Schuldenobergrenze wird wahrscheinlich nichts an der Bonitätsnote ändern“, teilte die Agentur in der Nacht auf Dienstag mit. Allerdings schickte die Agentur eine klare Warnung Richtung Washington: Wird die Schuldenobergrenze nicht rechtzeitig angehoben, wird das Rating radikal herabgestuft.

Bereits deutliche Auswirkungen zeigt der Budgetstreit auf die US-Politik selbst: 26 Prozent der Amerikaner sind „wütend“ auf die Regierung und 51 Prozent „frustriert“, so das Pew Research Center mit Verweis auf eine aktuelle Umfrage. Lediglich 17 Prozent der Befragten erklärten, dass sie grundsätzlich mit der Arbeit der Regierung zufrieden seien.

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