Klares Ost-West-Gefälle
Der Nationalratswahlkampf 2013 ist ohne große Höhen und Tiefen verlaufen - der Wahlausgang könnte dafür umso nachhaltiger sein. Aus demokratiepolitischer Sicht die dramatischste Entwicklung ist dabei der weitere starke Rückgang der Wahlbeteiligung.
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Laut vorläufigem Endergebnis ging diese binnen fünf Jahren um 12,9 Prozentpunkte von vier Fünftel auf weniger als zwei Drittel zurück - konkret von 78,81 auf 65,9 Prozent. Im vorläufigen Endergebnis fehlen allerdings noch die Briefwahl- und Wahlkartenstimmen - diese werden laut Prognosen des Wahlforschungsinstituts SORA das Ergebnis noch auf 74,2 Prozent heben, das bedeutet ein Minus von 4,6 Prozentpunkten und den höchsten Anteil an Nichtwählern in der Zweiten Republik. Erstmals nach 1945 wird damit die „Partei“ jener, die ihr Wahlrecht nicht ausübten, etwa gleichauf mit der stimmenstärksten Partei, der SPÖ, liegen.
Stärkster Rückgang in Wien
Regional gab es - laut vorläufigem Endergebnis - deutliche Unterschiede bei der Wahlbeteiligung. In der Bundeshauptstadt blieben - auch prozentuell - mit großem Abstand die meisten zu Hause. Hier fiel die Wahlbeteiligung um 16 Prozentpunkte und pendelte sich damit bei 57,5 Prozent ein. Fast ident niedrig war die Wahlbeteiligung ganz im Westen, in Vorarlberg - das bedeutet das zweithöchste Minus von 14 Prozentpunkte, dicht gefolgt von Kärnten, wo aber zumindest noch eine Beteiligung von fast 65 Prozent erreicht wurde.

ORF.at/Zita Köver
Rund 780.000 Wahlberechtigte weniger als 2008 gingen zur Wahl
In Salzburg lag die Wahlbeteiligung fast genau im österreichweiten Durchschnitt - ebenso das Minus mit 12,88 Prozentpunkten. In den fünf restlichen Bundesländern lag die Wahlbeteiligung - die mit der Ausnahme Wien übrigens ein klares Ost-West-Gefälle aufweist - über dem Durchschnitt. Am höchsten war der Zulauf zu den Wahllokalen in Niederösterreich (72,9 Prozent) und dem Burgenland (75,7 Prozent) - mehr dazu in Wahl ’13 - die ORF-App zur Wahl.
Drittgrößtes Minus
Der Rückgang bei der Wahlbeteiligung dürfte der dritthöchste in der Geschichte der Zweiten Republik sein: Die zuvor größten Rückgänge waren 2006 ein Minus von 5,79 Prozentpunkten und 1990 ein Minus von 5,27 Prozentpunkten. Bei den restlichen Wahlgängen blieb der Rückgang bei der Beteiligung stets deutlich unter vier Prozentpunkten - bis 1986 war der höchste diesbezügliche Wert minus 1,79 Prozentpunkte.
1986 begann der Aufstieg der FPÖ - Jörg Haider war erstmals Spitzenkandidat der Freiheitlichen und verdoppelte mit seinem Kampf gegen die Große Koalition den Stimmenanteil beinahe. Die Unzufriedenheit mit der SPÖ-ÖVP-Regierung unter dem Duo Kanzler Franz Vranitzky und Vizekanzler Alois Mock drückte sich auch in einem Rückgang der Wahlbeteiligung von 3,07 Prozentpunkten aus.
Wahlbeteiligung seit 1995
Wahljahr |
Wahlberechtigte |
Wahlbeteiligung |
1995 |
5.768.099 |
85,98 Prozent |
1999 |
5.838.373 |
80,42 Prozent |
2002 |
5.912.592 |
84,27 Prozent |
2006 |
6.107.892 |
78,49 Prozent |
2008 |
6.333.109 |
78,81 Prozent |
Bei der vergangenen Nationalratswahl im Jahr 2008 gaben immerhin noch 78,81 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab, 2006 waren es mit 78,48 Prozent ähnlich viele gewesen. Vor 1990 war die Wahlbeteiligung bei jeder Wahl über 90 Prozent gelegen.
Rückgang „ein Signal“
Der Politologe Peter Filzmaier sprach von einem deutlichen Signal, warnte aber vor einer Dramatisierung. Im internationalen Vergleich liege die Beteiligung in Österreich unter jenen Ländern, in denen es keine Wahlpflicht gibt, weiter im vorderen Feld. Den weiteren deutlichen Rückgang der Wahlbeteiligung hatten Experten vor der Wahl so nicht vorhergesehen - im Gegenteil: Nach Skepsis zu Beginn des Wahlkampfs hatten Politologen kurz vor der Wahl selbst einen zumindest leichten Anstieg der Wahlbeteiligung für möglich gehalten, nicht zuletzt wegen der neu antretenden Parteien Team Stronach (TS) und NEOS.
Christoph Hofinger vom Wahlforschungsinstitut SORA hatte im Vorfeld gemeint, das Interesse sei da. Insbesondere das erstmalige Antreten von TS und NEOS hielt Hofinger im Vorfeld für einen möglichen Faktor, den Trend einer rückläufigen Wahlbeteiligung zu stoppen. Filzmaier und Hofinger hatten zudem gemeint, dass die zahlreichen TV-Duelle dazu beigetragen hätten, das Interesse zu steigern. Hinzu komme, dass enttäuschten Wählern, die ansonsten vielleicht zu Hause bleiben würden, mit dem TS heuer eine Alternative geboten worden sei, so auch Filzmaier.

Screenshot facebook.com
Über das Thema Nichtwähler hatte sich am Wahlwochenende in Sozialen Netzwerken eine heiße Debatte entfacht: ZIB2-Moderator Armin Wolf hatte in seinem Facebook-Account ein Plädoyer für das Wählen abgegeben und zu diesem Zweck eine provokante Abrechnung mit Nichtwählern des deutschen ÖVP-Wahlkampfmanagers Frank Strauss zitiert. Das löste einen Meinungsaustausch mit mehr als 1.800 Postings binnen weniger Stunden aus.
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