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Bis zu 200.000 Häftlinge

Nordkorea baut laut einem Bericht von Amnesty International (AI) seine Straflager aus. In dem Bericht zeigt die Menschenrechtsorganisation Satellitenfotos der beiden großen Lager 15 im Norden und 16 im Süden des Landes. Außerdem kommen in dem Bericht Augenzeugen zu Wort, darunter ein ehemaliger Lagerwachmann - was eine Seltenheit ist.

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Nordkorea streitet die Existenz der Lager für politische Häftlinge ab. Unabhängigen Schätzungen zufolge sind in dem abgeschotteten Land jedoch zwischen 100.000 und 200.000 Menschen interniert. Die von Amnesty vorgelegten Fotos entstanden in einem Zeitraum von zwei Jahren zwischen 2011 und 2013.

Satellitenafnahme eines nordkoreanischen Straflagers

AFP/DigitalGlobe/Amnesty International

Zwei Bilder des Camps 16 vom 23. September 2011 (oben) und vom 4. April 2013 (unten) zeigen laut Amnesty die Erweiterung

Die Auswertung habe ergeben, dass das Lager 16 in dieser Zeit vergrößert worden sei. Es seien deutlich erkennbare neue Wohnbaracken dazugekommen. Zudem gebe es klare Anzeichen für Arbeitsaktivitäten. Das Lager 16 ist nach Angaben von Amnesty 560 Quadratkilometer groß; das ist weitaus größer als die Fläche von Wien mit knapp 415 Quadratkilometern. Rund 20.000 Menschen seien im Lager 16 eingesperrt.

Wärter: Hinrichtung mit Hammer

Der ehemaliger Lagerwachmann, der in Lager 16 von den 1980er Jahren bis Mitte der 1990er Jahre arbeitete, beschreibt in dem Bericht Hinrichtungsmethoden. Sträflinge hätten ihre eigenen Gräber ausheben müssen und seien dann mit Hammerschlägen ins Genick getötet worden. Außerdem habe er gesehen, wie Lageroffiziere Opfer stranguliert und anschließend mit Stockschlägen getötet hätten. Vergewaltigungen von weiblichen Häftlingen stünden an der Tagesordnung. Die Frauen wurden nach ihren „Diensten“ der Geheimhaltung wegen getötet.

Satellitenafnahme eines nordkoreanischen Straflagers

AFP/DigitalGlobe/Amnesty International

Ein Bild des Lagers 16 vom 26. Mai 2013 zeigt laut Amnesty den Bau von neuen Wohneinheiten

In Lager 15 mussten dem Amnesty-Bericht zufolge Häftlinge zehn bis zwölf Stunden täglich Zwangsarbeit verrichten. Insassen berichteten von Schwerstarbeit bei Hungerrationen. Wenn die Arbeitsziele verfehlt wurden, sei die Verpflegung zur Strafe weiter reduziert worden. Lager 15 sei 370 Quadratkilometer groß. 2011 lebten dort schätzungsweise 50.000 Menschen.

Grenze zu Dörfern verwischt

Die Linien zwischen den berüchtigten Straflagern und den umliegenden Dörfern drohen sich nach Einschätzung von Amnesty immer mehr zu verwischen, wie die Organisation ebenfalls mit Verweis auf Satellitenbilder im Frühjahr bekanntgab. So sei auf Satellitenbildern ein neuer Kontrollzaun im Umkreis von 20 Kilometern um das Choma-Bong-Tal zu erkennen, in dem sich das Gefangenenlager Nummer 14 befinde. „Die Aktivitäten deuten auf eine striktere Kontrolle der Bewegungen der lokalen Bevölkerung in der Nähe von Lager 14 hin“, so die Organisation im März.

Die Linie zwischen den Gefangenen und den Bewohnern des Tals würden durch die Ausdehnung „verwischt“. Es seien neue Kontrollpunkte für die Zugänge zum Lager, neue Gebäude und Gebilde zu sehen, bei denen es sich wahrscheinlich um neue Wachtürme handle, hieß es. Das Lager liegt rund 70 Kilometer nordöstlich von Pjöngjang. „Wir hatten erwartet, ein neues oder erweitertes Gefangenenlager zu finden. Was wir sahen, war jedoch noch beunruhigender“, wurde der stellvertretende Leiter des Programms Wissenschaft für Menschenrechte von Amnesty International USA, Frank Jannuzi, in dem Bericht zitiert.

„Eigene Kategorie“ bei Menschenrechtsverletzungen

Amnesty-Asienexperte Rajiv Narayan sagte am Donnerstag, für Amnesty, das seit 50 Jahren Menschenrechtsverletzungen untersuche, sei Nordkorea eine „eigene Kategorie“. Die Organisation forderte die nordkoreanische Führung auf, die Straflager unverzüglich zu schließen. Die Organisation prangert seit Jahren an, dass in den nordkoreanischen Lagern für politische Gefangene die Menschen, auch Kinder, gravierenden Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt seien.

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