Vergleich mit somalischen Piraten
Weil sie gegen Ölbohrungen des russischen Konzerns Gasprom in der Arktis protestiert haben, ermittelt die russische Justiz nun gegen 30 festgenommene Aktivisten der Umweltschutzorganisation Greenpeace: Die Aktivisten sollen sich wie somalische Piraten verhalten haben.
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Sie hätten die russische Hoheitsgewalt sowie die Umweltsicherheit in der Region gefährdet, sagte Wladimir Markin von der Ermittlungsbehörde in Moskau am Dienstag laut Nachrichtenagentur Interfax. Für Piraterie sieht das russische Gesetz bis zu 15 Jahre Haft vor. Wie die zuständige Ermittlungsbehörde weiter mitteilte, richtet sich die Untersuchung gegen alle Beteiligten an einer Aktion gegen den russischen Erdölriesen Gasprom. Das gelte unabhängig von ihrer Nationalität.

Greenpeace/Denis Sinyakov
FSB-Beamte stoppten die Aktivisten
Die „Arctic Sunrise“, die unter niederländischer Flagge fährt, hatte in der Petschorasee gegen geplante Ölbohrungen des Staatskonzerns Gasprom protestiert. Zwei Aktivisten sollen versucht haben, eine Ölplattform zu stürmen. Daraufhin hatte der russische Inlandsgeheimdienst FSB das Schiff geentert und die Crew festgesetzt.
Greenpeace weist Vorwürfe zurück
Die Umweltschutzorganisation wies die Vorwürfe strikt zurück und forderte die Freilassung der Aktivisten. Das nach dem Protest geenterte Greenpeace-Schiff mit 30 Menschen an Bord traf unterdessen nach tagelanger Fahrt am Dienstag bei der nördlichen Hafenstadt Murmansk ein. Die „Arctic Sunrise“ werde zunächst nahe dem Dorf Belokamenka ankern, teilte die Hafeninspektion mit. Greenpeace erklärte, die Besatzung sei dauernd bewacht worden und habe keinen Kontakt mit Angehörigen aufnehmen dürfen.
„Wir sind sicher, dass die Vorwürfe gegen uns haltlos sind“, sagte Greenpeace-Ölexperte Jörg Feddern. Der Protest sei friedlich und gewaltfrei gewesen. Noch sei offiziell keine Anklage erhoben worden, sagte Feddern. „Es gilt abzuwarten, was genau uns vorgeworfen wird“, sagte er.

AP/Efrem Lukatsky
Die „Arctic Sunrise“ am Dienstag vor der Militärbasis Seweromorsk
Fast 275.000 Menschen protestierten laut Greenpeace bisher in E-Mails an russische Botschaften gegen das Behördenvorgehen. In einem Brief an Präsident Wladimir Putin forderten zudem mehr als 40 Umweltschutzgruppen die Freilassung der Aktivisten. Der Chef der Kreml-Verwaltung, Sergej Iwanow, verteidigte das Einschreiten der Sicherheitskräfte. Die Umweltschützer hätten sich „zu radikal“ für eine solch bekannte Organisation verhalten, zitierten ihn russische Nachrichtenagenturen. Er verglich ihr Handeln mit dem Vorgehen der Piraten vor der Küste Somalias.
„Verrostete Plattform“
Die Umweltschutzorganisation kritisierte, dass Gasprom die Priraslomnoje-Ölbohrplattform kommendes Jahr in Betrieb nehmen wolle und damit das Risiko verheerender Umweltschäden durch austretendes Öl in Kauf nehme. In den drei Naturschutzgebieten der Region lebten Eisbären, Walrosse und seltene Meeresvögel. „Bei dieser verrosteten Plattform ist eine arktische Katastrophe eine reine Zeitfrage“, erklärte Greenpeace. Gasprom selbst wollte zu dem Vorfall keine Stellungnahme abgeben.
Der Konzern hatte seine Förderaktivitäten in den vergangenen Jahren sukzessive ausgebaut und betrachtet das Priraslomnoje-Ölfeld als wichtige Ressource für seine Geschäftsstrategie. Russische und ausländische Umweltschützer werfen dem Staatskonzern und anderen Energieriesen seit langem vor, ökologische Risiken bei ihrer Suche nach neuen Förderquellen zu ignorieren.
Eisschmelze macht Rohstoffe zugänglicher
Über Umweltsicherheit in der ökologisch äußerst empfindlichen Arktis diskutieren von Dienstag an Dutzende Politiker und Experten auf einer Konferenz in Russland. Mit dem internationalen Treffen in der nordwestsibirischen Stadt Salechard will Russland nach Ansicht von Kommentatoren seinem Anspruch auf große Gebiete in der rohstoffreichen Region Nachdruck verleihen. Zu dem zweitägigen Forum „Arktis - Territorium des Dialogs“ werden auch Putin sowie die Präsidenten von Island und Finnland, Olafur Ragnar Grimsson und Sauli Niinistö, erwartet.
In der Arktis lagern gewaltige Mengen Öl und Gas, die wegen des Klimawandels und der Eisschmelze leichter zugänglich werden. Der arktische Meeresboden ist nach Ansicht Moskaus eine natürliche Verlängerung des russischen Festlandes. Dann dürfte Russland nach internationalem Recht dort Rohstoffe abbauen. Allerdings wollen sich auch andere Anrainer - die USA, Kanada, Grönland (Dänemark) und Norwegen - den Zugriff sichern.
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