Weiterer Jobabbau gestartet
BlackBerry steckt in einer tiefen Krise: Das einstige Vorzeigeunternehmen aus Kanada hat den Anschluss an den Handymarkt verloren und kämpft mit anhaltend sinkenden Absatzzahlen. Nun soll eine weitere Kündigungswelle und die Konzentration auf Firmen- und Profinutzer den rettenden Umschwung bringen. Doch Analysten bleiben skeptisch.
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Im vergangenen Geschäftsquartal fuhr BlackBerry fast eine Milliarde Dollar Verlust ein, teilte der Hersteller am Freitag nach vorläufigen Zahlen mit. Grund ist vor allem eine hohe Abschreibung auf nicht verkaufte Geräte des Touchscreen-Modells Z10, das eigentlich die Wende zum Besseren einläuten sollte. Die Börse reagierte extrem: Die Aktie stürzte steil ab und verlor zum Handelsschluss gut 17 Prozent.
BlackBerry will nun weitere 4.500 Jobs abbauen, nachdem im vergangenen Jahr bereits 5.000 Arbeitsplätze gestrichen wurden. Der deutsche Konzernchef Thorsten Heins will bis zum kommenden Frühjahr die operativen Kosten halbieren. Nach dem angekündigten Stellenabbau sollen 7.000 Mitarbeiter übrigbleiben. Auch an anderen Stellen wird gespart: Die Modellpalette soll von sechs auf vier Geräte verkleinert werden.
Schleppender Verkauf der aktuellen Geräte
Die „schwierigen, aber notwendigen Veränderungen“ seien eine Reaktion auf die Marktposition des Unternehmens und sollen BlackBerry näher zur Gewinnzone bringen, so Heins. Das Unternehmen hatte in diesem Jahr in der Hoffnung auf eine Wende das neue Betriebssystem BlackBerry 10 gestartet. Die damit ausgestatteten Smartphones verkaufen sich bisher jedoch schlechter als erhofft.
Im vergangenen Geschäftsquartal verbuchte BlackBerry einen Absatz von 3,7 Millionen Smartphones, ein Großteil davon seien noch Geräte mit dem alten System BlackBerry 7 gewesen. An den Handel seien zwar mehr Smartphones ausgeliefert worden, sie könnten aber erst berücksichtigt werden, wenn sie an Kunden verkauft werden, so BlackBerry.
Marktanteil rapide gesunken
Nach Zahlen des US-Marktforschers IDC sank der BlackBerry-Anteil auf dem Smartphone-Markt schon im zweiten Kalenderquartal von rund fünf auf drei Prozent. Marktführer Samsung setzt pro Quartal alleine etwa 70 Millionen Geräte ab. Das am Freitag im Handel gestartete neueste iPhone-Modell 5S von Apple war laut Medienberichten vor allem in der neuen Goldvariante bereits nach kurzer Zeit ausverkauft. Der Vorgänger iPhone 5 verkaufte sich binnen drei Tagen laut Hersteller über fünf Millionen Mal. Zuletzt hatte BlackBerry laut eigenen Angaben rund 80 Mio. aktive Nutzer.
Vor allem Apples iPhone setzte BlackBerry wie schon Nokia enorm zu. Das 2007 gestartete Apple-Smartphone wirbelte die gesamte Branche auf und setzte den unaufhaltsamen Trend zum Touchscreen durch - Tastaturhandys mit einem aktuellen Betriebssystem sind eine echte Seltenheit geworden. Auch BlackBerry setzt mittlerweile ganz auf berührungsempfindliche Displays, auch bei seinen Tastaturgeräten. Aktuell soll das BlackBerry Z30 mit seinem Fünfzolldisplay für mehr Nutzer sorgen - vor allem bei Firmen- und Profinutzern.
Für Sicherheit bekannt
Lange Zeit galt BlackBerry gerade bei Geschäftskunden wegen seines E-Mail-Pushdienstes als bevorzugte Wahl. In manchen Ländern wie Großbritannien nutzten aber auch viele Privatkunden das System, das nicht zuletzt für seine Abhörsicherheit und die verlässliche Synchronisierung von Daten, Kontakten und Terminen beliebt war. Doch wie schon Nokia machte BlackBerry angesichts der neuen Konkurrenz durch das iPhone einige strategische Fehler. So war das erste Touchtelefon von BlackBerry, der Storm, eine eher verunglückte Interpretation eines berührungsempfindlichen Displays: Bei dem Gerät musste der ganze Bildschirm für die Eingabe gedrückt werden.
Zahlreiche Verzögerungen
Auch die Entwicklung der zugrunde liegenden Software verzögerte sich, unter Begleitung vom Wechsel der gesamten Konzernspitze, lange Zeit, wodurch der Anbieter noch weiter ins Hintertreffen geriet. Das aktuelle BlackBerry-System 10 kam erst Anfang 2013 auf den Markt, die Vorgängerversion 7 erschien im Mai 2011.
Eigentlich hätte BlackBerry 10 bereits Anfang 2012 erscheinen sollen. Gerade im schnelllebigen Handymarkt sind derart lange Zyklen eine kleine Ewigkeit. Das PlayBook des Herstellers, der damals noch Research in Motion (RIM) hieß, musste trotz grundsätzlich guter Kritiken komplett abgeschrieben werden.
Kooperation oder Verkauf?
Mittlerweile lotet BlackBerry neben einer Kooperation auch einen Verkauf aus - damit droht dem Hersteller genau das gleiche Schicksal wie den einstigen Marktführern Nokia und Motorola. Das Datum der jüngsten Schreckensmeldung aus dem Hause BlackBerry ist besonders symbolträchtig: Am 21. September vor genau 30 Jahren erhielt Motorola die Zulassung für das erste kommerziell vertriebene Handy, das DynaTAC 8000x, das schließlich ein Jahr später auf den Markt kam.
Motorola war Marktführer, bis der Anbieter schließlich von Nokia abgelöst wurde. Aktuell ist Samsung der Handyweltmarktführer. Die Motorola-Handysparte wurde 2012 von Google gekauft, die Handysparte von Nokia übernahm vor kurzem Microsoft.
Markt nach Nokia bereits gesättigt?
Das Interesse an BlackBerry soll sich laut Analysten allerdings in Grenzen halten, womöglich weil alle potenziellen Käufer ohnedies bereits bei der Konkurrenz zugeschlagen haben. Im November 2011 wurde bekannt, dass es Übernahmegespräche mit Microsoft sowie Nokia und auch mit dem Onlinehändler Amazon gegeben haben soll. Damals wollte BlackBerry noch aus eigener Kraft den Anschluss schaffen. Zuletzt hieß es, vor allem die Patente und die Software seien für mögliche Käufer interessant. BlackBerrys Marktwert ist binnen fünf Jahren von 84 auf aktuell rund fünf Milliarden Dollar eingebrochen.
Analysten zufolge liegt die Summe der einzelnen Teile aber deutlich höher: So könnten BlackBerrys Dienstleistungen und das Textnachrichtensystem mit seinem hohen Sicherheitsstandard allein schon drei bis 4,5 Milliarden Dollar wert sein. Dazu kämen Patente im Wert von zwei bis drei Milliarden sowie Bargeld und Firmenwerte von rund 3,1 Milliarden. Laut letzten Medienberichten soll eine Entscheidung über einen Verkauf von BlackBerry bis November fallen. Angesichts der jüngsten Entwicklungen könnten sie schon früher kommen. Kommenden Freitag will BlackBerry die finalen Zahlen für das letzte Quartal bekanntgeben.
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