Die Frage nach der Zielgruppe
Was waren die großen Themen des Wahlkampfs? Welche Partei steht wofür? Der Meinungsforscher Peter Hajek und der Politikwissenschaftler Fritz Plasser bewerten im Gespräch mit ORF.at die Wahlprogramme und Kampagnenschwerpunkte der sechs im Nationalrat vertretenen Parteien.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Für Plasser drehten sich die großen Themen des Wahlkampfs einerseits um „alles, was mit Arbeitsplatzsicherung zu tun hat“, andererseits um Pensionen und die Frage, wie es mit dem Euro weitergeht. Als Kernthemen seien die Auswirkungen der Inflation und „eine subjektiv meist als zu hoch empfundene Steuerlast“ hinzugekommen, so Plasser.
Wesentlich polarisierendere Themen der Wahl seien das Asylsystem und die EU-Skepsis gewesen, „die in der österreichischen Bevölkerung sehr verbreitet ist“ und sich naturgemäß besonders an den Rettungspaketen entzündet habe. Damit einhergegangen sei auch die im Wahlkampf hochgekochte Frage, ob man Banken mit Steuergeld retten soll oder nicht, sagte Plasser.
Hajek: „Emotionale Träger und Subthemen“
Hajek teilt die primären Themen der Wahl einerseits in die „großen emotionalen Träger“, an denen sich die Wähler orientierten und die für den Wahlkampf bestimmend seien, und andererseits in die „Subthemen“, die sich daraus ableiteten. Eines der großen übergeordneten Themen des Wahlkampfes war demnach Korruption. Von dieser emotional stark besetzten Thematik hätten vor allem die Grünen profitiert. Die Tatsache, dass die Korruptionsproblematik zu einem Leitmotiv der Wahl geworden sei, verdeutlicht laut Hajek die „negative Grundstimmung“, die in der Bevölkerung gegenüber der österreichischen Innenpolitik vorherrsche.
Eine zweite große „Themenwolke“ sieht der Politologe in einer „Gemengelage aus ‚Es geht nix weiter‘, ‚Die Große Koalition hat sich überlebt‘ und ‚Man braucht eine Veränderung‘.“ Diese Metathemen seien eine Art Unterbau, auf dem die Wahlkampagnen der einzelnen Parteien aufsetzten.
SPÖ mit „thematischer Klammer“
Bei der Wahlkampfanalyse der Kanzlerpartei sind sich die Experten weitgehend einig: „Die SPÖ führt die thematisch vielleicht kompakteste Kampagne. Sie bewegt sich keinen Millimeter von den Kernthemen ihres Konzeptes weg“, so Plasser. „Sie setzt im Wesentlichen auf eine Stammwähler-Mobilisierungskampagne.“ Die Sozialdemokraten stünden in ihrer Zielgruppe für den Begriff „soziale Gerechtigkeit“, wie Hajek ausführt - ein Themenkomplex, der sich auf viele konkrete Einzelthemen anwenden lasse: Arbeit, Steuern, Bildung und Wohnen sind nur die prominentesten darunter. „Da hat die SPÖ eine inhaltliche Klammer gesetzt“, so Hajek.
ÖVP setzt auf die Wirtschaft
„Der Wahlkampf der ÖVP ist weniger konsistent und thematisch markant“, so Plasser. Der Fokus liege inhaltlich auf einer Budgetkonsolidierung und Verringerung der Staatsschulden, übergeordnet auf der Hervorhebung der wirtschaftspolitischen Kompetenz der Partei. Dazu zählten das oft gehörte Schlagwort „Entfesselung der Wirtschaft“ und die Erleichterung von Unternehmensgründungen. Hinzu komme noch ein Fokus auf die Förderung von Familien durch Konzepte wie das Kindergeld. Im Vergleich zur Kampagne der SPÖ seien die Kernbotschaften aber weniger kompakt präsentiert worden.
„Anti-Establishment-Effekt“ bei FPÖ
Die Freiheitlichen stehen laut Hajek „für das, wofür sie immer gestanden sind, also vor allem gegen die Große Koalition - der klassische ‚Anti-Establishment-Effekt‘“. Garniert sei dieses Grundthema mit dem Bereich Zuwanderung und Integration. Auch diese Thematik sei eine typische Querschnittsmaterie, anhand derer alle weiteren Themen wie Bildung, Wohnen und Steuern herunterdekliniert werden könnten.
Im Gegensatz zu früheren Wahlkämpfen sei die FPÖ 2013 aber - unter anderem mit dem Begriff „Nächstenliebe“ - in der Tonalität anders aufgetreten. Schon zuvor hatten Politologen darauf verwiesen, dass Spitzenkandidat Heinz-Christian Strache aufgrund der mitunter forschen Auftritte des Konkurrenten Frank Stronach vergleichsweise zahm aufgetreten sei.
Grüne mit „glaubwürdigem Slogan“
Die Grünen haben ihre zentralen Anliegen mit dem Slogan „Saubere Umwelt. Saubere Politik“ in der Einschätzung Plassers klar aufs Tapet gebracht. Vor allem die Fokussierung auf Korruption im zweiten Teil des Leitsatzes habe die verbreitete Verärgerung der Bevölkerung über „eine Verdichtung von politischen Korruptionsfällen in den letzten zwei, drei Jahren“ gut ansprechen können. Die Partei verfüge bei diesem Thema über eine hohe Glaubwürdigkeit, da sie „in der Tat behaupten kann, in vergangene Korruptionsaffären nicht involviert gewesen zu sein“.
BZÖ-Fokus auf Steuern
„Das BZÖ spricht im Kern die Steuerthematik an und ergänzt sie um Fragen der wirtschaftspolitischen Akzentuierung wie Wachstum und leichtere Unternehmensgründungen“, sagt Plasser. Bis auf gelegentliche Randbemerkungen habe das Bündnis - im Gegensatz zur FPÖ, von der es sich einst abspaltete - auf Asyl und Migration als Wahlkampfthema verzichtet. Die EU-Skepsis werde dagegen auch vom BZÖ gezielt angesprochen. Auch in der TV-Konfrontation zwischen den Spitzenkandidaten von BZÖ und FPÖ, Josef Bucher und Strache, habe - etwa bei der Ablehnung des Europäischen Stabilitätsmechanismus als Teil des Euro-Rettungsschirms - Gleichklang geherrscht.
Team Stronach „kommuniziert auf Metaebene“
Das Team Stronach (TS) hat nach der Einschätzung Plassers „keine sachpolitische Kernbotschaft“, die als konkrete Maßnahme erkennbar wäre. Stattdessen würde die Partei auf eine generelle Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der Politik fokussieren. Das Ziel sei zu kommunitzieren, dass das TS einen besseren Weg für Österreich anzubieten hätte. Dieser werde aber nicht detailliert ausgeführt, obgleich die Partei ein übersichtliches Programm anbiete, aus dem prinzipielle Schwerpunkte der Partei hervorgingen. „Kommuniziert wird auf der Metaebene“, so der Politologe.
„Zielgruppe wichtiger als Gesamtbevölkerung“
Für eine erfolgreiche Wahlkampagne spielt laut Hajek de facto keine Rolle, wie diese bei der Gesamtbevölkerung ankomme. Es gehe ausschließlich darum, ob die Zielgruppe der Partei (Parteiaffine und Stammwähler, Anm.) erreicht werde. Das gelinge SPÖ, FPÖ und Grünen gut, NEOS und BZÖ mit Abstrichen. „Gemessen am Potenzial, das er hätte, gelingt es Frank Stronach nur partiell.“ Der ÖVP gelinge es vergleichsweise schlecht, so Hajek.
Für die Ausrichtung eines Wahlkampfs wesentlich seien drei Fragen: „Wer ist meine Zielgruppe? Wie tickt diese Zielgruppe? Und: Wie erreiche ich diese Zielgruppe?“ Mehr ist laut dem Politologen für eine erfolgreiche Wahlkampagne nicht nötig: „Man muss weder neue Ideen und Konzepte vorstellen noch eine neue Stimmung kreieren. Im Wahlkampf geht es ausschließlich darum, seine Schäfchen ins Trockene zu bringen“, so Hajek.
Martin Tschiderer, ORF.at
Links: