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Jeder kennt ihn, den klugen Delfin

Delfine gelten als intelligente Tiere. Manche Wissenschaftler argumentieren gar, ihre Fähigkeiten seien mit denen von Menschenaffen, wenn nicht sogar mit jenen von Menschen vergleichbar. Der Delfinforscher Justin Gregg will all diese Forschungsergebnisse in einen Kontext setzen.

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Seine Hauptthese: Die Klugheit von Delfinen sei in manchen Punkten eher mit der von Tieren vergleichbar, denen man nicht unbedingt Intelligenz nachsagt. Gregg arbeitet seit einigen Jahren bei der internationalen und an vier Standorten tätigen Forschungsgruppe Dolphin Communication Project.

In seinem im September erscheinenden Buch „Are Dolphins really smart?“ („Sind Delfine wirklich klug?“) räumt er ein, dass die Meeressäuger tatsächlich in manchen Bereichen erstaunliche Fähigkeiten hätten. Insgesamt gebe es in der Wissenschaft aber viel zu wenige Erkenntnisse über tierische Intelligenz, die einfache Vergleiche mit Menschen zulassen.

Wissenschaft und Populärkultur

Seit den 1960er Jahren grassiere der Mythos, dass Delfine ganz besonders klug seien. Wissenschaftlich sei das vor allem auf den US-Neurophysiologen John C. Lilly und dessen Delfinstudien zurückzuführen, der behauptet hatte, die Tiere seien gar intelligenter als Menschen. Lilly beschäftigte sich übrigens nicht nur mit Delfinen, sondern experimentierte später mit Drogen wie LSD, seine Erkenntnisse daraus wurden vor allem in der New-Age-Szene aufgenommen.

Ungefähr gleichzeitig mit Lillys Studien startete auch „Flipper“ seine Filmkarriere, mit einem ersten Spielfilm 1963, die gleichnamige TV-Serie begann ein Jahr später. Aus dem Zusammenspiel von Wissenschaft und Populärkultur entspann sich der Mythos vom klugen Delfin.

Macht Intelligenz schützenswert?

Genau darauf würden auch jene Tierrechtsorganisationen aufbauen, die mehr Schutz für intelligente Tiere - und damit Menschenrechte für Menschenaffen und auch Delfine - fordern. Und das hohe Ansehen der Meeressäuger hat wohl auch dazu geführt, dass es mittlerweile einigermaßen Common Sense ist, dass man Delfinteile nicht unbedingt in der Thunfischdose finden will.

Der Ire Gregg will mit seiner Forschung einen nüchternen Blick auf die Fähigkeiten der Meeressäuger werfen. Unbestritten hätte sie einige Eigenschaften wie ihre soziale Wahrnehmung, die der Intelligenzleistung zugerechnet werden.

Auch Elstern schaffen Spiegeltest

Sie können zudem Werkzeuge verwenden, jagen im Kollektiv, können Erlerntes weitergeben, leben in komplexen Sozialzusammenhängen und legen durchaus altruistisches Verhalten an den Tag. Nur, argumentiert Gregg, sind diese Leistungen in der Tierwelt keineswegs einzigartig, man können sie bei Fischen genauso beobachten wie bei Insekten.

Delfine würden auch den Spiegeltest bestehen, also sich selbst im einem Spiegel wahrnehmen. Wiederum sei aber unklar, was das in Bezug auf Selbstbewusstsein heißt, vor allem wenn man bedenkt, dass neben einigen Wal- und Affenarten auch Elstern den Test bestehen. Umgekehrt heißt es aber laut Gregg auch nicht, dass Delfine dümmer sind als Goldfische, wie der in Südafrika lebende schwedische Forscher Paul Mangernach nach einigen Testreihen behauptete.

Großes Gehirn sagt noch nichts aus

Auch Studien über das Gehirn von Delfinen seien nur bedingt aussagekräftig. So haben Forscher zwar festgestellt, dass das Gehirn der Tiere stark gefaltet ist, was die Leistung prinzipiell stärker macht - mehr dazu in science.ORF.at. Was das allerdings für Auswirkungen auf das Verhalten hat, sei noch viel zu wenig erforscht, meint Gregg.

Und schließlich schneiden Delfine bei Tests für Problemlösungen, dem Verwenden von Symbolen und Gedächtnis zwar sehr gut ab, andere Tiere wie Hunde, Papageien, Tauben und auch Buschhäher würden die Ergebnisse aber noch übertreffen, meint Gregg. Und vor allem wisse die Wissenschaft nicht, inwieweit die Tiere Emotionen empfinden und ausdrücken. Gregg verweist auch darauf, dass Delfine keineswegs nur gutmütige und „nette“ Tiere sind: Auch sie würden in manchen Situationen aggressives Verhalten an den Tag legen. Berichte über Delfinattacken auf Artgenossen oder gar Menschen seien daher überhaupt nicht verwunderlich.

Kein Gradmesser für den Umgang

Gregg argumentiert, dass Intelligenz relativ ist - und vor allem, dass das kaum ein Gradmesser sei, wie mit Tieren umzugehen sei. Klugheit sagt laut dem Forscher nichts über Leidensfähigkeit aus. Und generell könnte die Wissenschaft zwar Fakten bereitstellen, die daran angeschlossenen ethischen Fragen seien aber gesondert zu beantworten.

In diesem Sinne argumentiert Gregg in seinem Buch nicht, dass Delfine dümmer als gedacht sind, sondern dass Formen der tierischen Intelligenz auch bei Spezies zu finden sind, bei denen man es nicht unbedingt erwartet. Um bei dem Rennen um das zweitintelligenteste Lebewesen hätten sie harte Konkurrenz - auch von Tieren, denen Menschen vor allem beim Mittagessen auf ihren Tellern begegnen.

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