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Eingriff mit schwerwiegenden Folgen?

Seit Anfang 2011 hält das Blutvergießen in Syrien bereits an - fast genauso lange haben USA, Europa und Russland das Problem vor sich hergeschoben bzw. die Vorfälle gebilligt. Doch mit einem Schlag könnte alles anders werden. Nachdem der Westen den Einsatz von Giftgas praktisch als erwiesen ansieht, sollen Raketenangriffe unmittelbar bevorstehen. Politisch könnten dadurch mehrere Fronten aufbrechen.

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Zahlreiche Experten sehen einen militärischen Eingriff mit umfangreichen Risiken verbunden - Risiken, die bei den US-geführten Interventionen im Irak, in Afghanistan und in Libyen nicht in dieser Form gegeben waren. Das hat einen ganz einfachen Grund: Syrien liegt - anders als ehemalige Schauplätze westlicher Intervention - geopolitisch denkbar ungünstig.

Wie verhält sich der Iran?

Das Land liegt mitten im Nahen Osten - ein Eingriff könnte Auswirkungen auf die gesamte Region haben, in der die politische Lage ohnehin seit Jahrzehnten äußerst angespannt ist. So ist Syrien Dreh- und Angelpunkt für mehrere Konflikte. Die wohl wichtigste Konfliktlinie, seit Jahren konstant angespannt, ist jene zwischen Israel und dem Iran - allein zwischen diesen beiden Staaten sind mehrere unkontrollierbare Szenarien denkbar, die den Interessen der Weltgemeinschaft massiv entgegenstehen.

Der Iran ist eine unberechenbare Größe - klar ist jedoch seine politische Positionierung: Das Land steht mit Syrien und der im Libanon politisch involvierten Hisbollah in einem engen Verteidigungsbündnis. Bereits jetzt unterstützt Teheran das Regime von Machthaber Baschar al-Assad mit Kämpfern, Waffen und Geld. Auch die Hisbollah, deren bewaffneter Arm sich mit Kämpfern aus dem Libanon zunehmend in Syrien beteiligt hat, steht seit Jahren auf der Unterstützerliste des Iran ganz oben. Nach Einschätzung von Experten würde ein Militärschlag diese Hilfeleistungen noch um einiges intensiver werden lassen.

Bedrohungsszenario für Israel

Das wiederum könnte Israel auf den Plan rufen - denn je stärker der Iran sich im Syrien-Konflikt involviert, desto stärker könnte sich Israel laut Experten bedroht fühlen. Zwar sieht sich Israel zurzeit „nicht als Teil des Bürgerkriegs in Syrien“, wie es am Dienstag hieß. Doch eine Warnung an die Gegner folgte prompt: „Wenn wir irgendeinen Versuch, uns anzugreifen, identifizieren, werden wir in aller Härte reagieren“, sagte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nach einer Sicherheitsberatung. Bei einem militärischen Angriff des Iran auf Israel wären die USA wohl dazu gezwungen, umfassend in den Konflikt einzugreifen.

Doch ein Angriff könnte auch von israelischer Seite aus erfolgen: So sei nach Meinung einiger Experten auch nicht auszuschließen, dass der lange angekündigte israelische Angriff auf Irans Nuklearanlagen im Windschatten einer westlichen Intervention in Syrien stattfinden könnte. Das wäre gegen die Interessen westlicher Länder, die auf eine politische Lösung des Nuklearkonflikts mit dem Iran setzen. Zudem könnte der US-vermittelte Friedensprozess zwischen Israelis und den Palästinensern abgewürgt werden.

Mögliche Eskalation im Libanon

Als sehr wahrscheinlich gilt eine Eskalation im Libanon, der zunehmend in den Konflikt hineingerissen wird - so mehren sich Auseinandersetzungen zwischen Hisbollah-Kämpfern und den Gegnern des Assad-Regimes in Form von blutigen Anschlägen. Im Zuge eines möglichen Angriffs auf Syrien durch eine US-geführte Allianz könnte Israel für Vergeltungsschläge herhalten müssen. Hier bestehen Sorgen, dass das Assad-Regime extremistische Kräfte der Hisbollah im Libanon mit Mittel- und Langstreckenraketen unterhalten hat, die als Druckmittel gegen Angriffe auf Syrien eingesetzt werden könnten. Wiederum gilt hier Israel als erstes Angriffsziel - auch für diesen Fall wurde bereits Vergeltung angekündigt.

Auch für die beiden Regionalmächte Türkei und Saudi-Arabien steht im Syrien-Konflikt viel auf dem Spiel. Aus Furcht vor einer Ausdehnung des iranischen Einflusses in der Region haben sie sich auf die Seite der Assad-Gegner gestellt. Zudem könnte eine Zuspitzung des Konflikts auch die schiitische Regierung in Bagdad in die Hände des Iran treiben. Sie sieht sich nämlich ebenso wie das Assad-Regime mit sunnitischen Aufständischen konfrontiert, die bei einem westlichen Eingreifen in Syrien Auftrieb erhalten könnten. Damit droht auch ein Aufflammen des nur notdürftig befriedeten irakischen Bürgerkriegs.

Wie reagiert Russland?

Anders als der umstrittene US-Feldzug im Irak hat der Syrien-Konflikt auch eine unmittelbare weltpolitische Dimension. Das geplante westliche Eingreifen in Syrien berührt nämlich auch militärische Interessen Russlands, das im syrischen Hafen Tartus seinen einzigen Militärstützpunkt im Mittelmeer-Raum unterhält - schließlich ist Russland nach wie vor ein enger Verbündeter des Assad-Regimes. Aus diesem Grund warnte Moskau den Westen vor „unüberlegten Schritten“.

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