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Abschied „aus Liebe“

Microsoft-Chef Steve Ballmer wird sich innerhalb des kommenden Jahres von der Spitze des Softwareriesen Microsoft zurückziehen. „Es gibt niemals einen perfekten Zeitpunkt für diese Art von Übergang, aber jetzt ist die richtige Zeit“, erklärte Ballmer am Freitag in einem Brief an alle Mitarbeiter. Er ist eines der letzten verbliebenen IT-„Schwergewichte“ der ersten Stunde.

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Während der Suche nach einem Nachfolger wird der 57-Jährige den Angaben zufolge das Unternehmen weiter lenken. Ballmer, für äußerst extrovertierte öffentliche Präsentationen legendär, hatte die Führung von Microsoft im Jahr 2000 von Konzerngründer Bill Gates übernommen. Die beiden bildeten schon seit 1973 als Studentenheimkollegen in Harvard ein Team - Gates war der Tüftler, Ballmer der Verkäufer.

Abschiedsnachricht erfreut Investoren

Microsoft brauche einen Chef, der - angesichts des laufenden Konzernumbaus - für längere Zeit den Wandel zu einem Unternehmen für Geräte und Dienstleistungen begleiten werde, erklärte Ballmer. Für den Job kämen sowohl interne als auch externe Kandidaten infrage. Microsoft will ein „Suchkomitee“ bilden, das über den künftigen Firmenchef entscheiden soll. Dem Gremium wird auch Gates selbst angehören.

Microsoft CEO Steve Ballmer

Reuters

Ballmer, typisch extrovertiert, bei einer Microsoft-Veranstaltung im Jahr 2000

An der Börse kam die Nachricht vom Konzernsitz im Bundesstaat Washington gut an. Die Microsoft-Aktie legte im frühen US-Handel um bis zu neun Prozent zu. In Ballmers 13-jähriger Amtszeit geriet der einst unangefochtene Windows-Hersteller in eine schwere Krise. Konkurrenten wie Apple setzten dem Konzern mit neuen Geräten zu, alternative Betriebssysteme wie Android machten sich auf Smartphones und Tablet-PCs breit.

Aufs falsche Pferd gesetzt

Dem Triumphzug neuer Technologien der Konkurrenz hatte Microsoft lange nichts entgegenzusetzen. In der Welt abseits von PCs und Servern gerieten die Systeme des einst dominierenden Softwareherstellers an den Rand der Bedeutungslosigkeit. Der 57-jährige Ballmer steuerte dagegen, hatte aber mitunter wenig Glück. Um dem iPhone etwas entgegenzusetzen, verbündete er sich mit der finnischen Nokia, deren Stern allerdings unaufhaltsam sank.

Bei den Tablets verließ sich Microsoft nicht mehr auf traditionelle Großkunden wie Hewlett-Packard oder Dell, sondern ließ eigene Geräte bauen, die auf dem Markt allerdings bisher nicht den Hauch einer Chance gegen die Modelle von Apple oder Samsung haben. Bei Betriebssystemen verzeichnete Ballmer sowohl Erfolge als auch Fehlschläge. Vor allem die beiden letzten Produkte Windows Vista und Windows 8 stießen auf wenig Gegenliebe.

„100 Prozent emotional“ bis zuletzt

Der temperamentvolle Manager war für seine ausgefallenen Auftritte in der Öffentlichkeit und bei Firmenveranstaltungen bekannt, bei denen er sich vor Engagement Hemden durchschwitzte oder wie besessen „Developer, Developer, Developer“ (Entwickler) vor sich hin brüllte. Der studierte Mathematiker Ballmer war erst der zweite Vorstandschef in der 38-jährigen Geschichte des Unternehmens nach Gründer Gates und, nach dem Tod von Apple-Chef Steve Jobs, die letzte große charismatische Figur der Branche.

Microsoft CEO Steve Ballmer

Reuters/Lucas Jackson

Ballmer in einem aktuellen Porträt

Auch in seinem Abschiedsbrief blieb Ballmer seinem Stil treu: Er liebe es, gemeinsam mit allen Microsoft-Mitarbeitern „große und waghalsige Wetten einzugehen“ und „die Welt zu verändern“, schrieb Ballmer darin. Seine Rolle bei den Erfolgen von Microsoft und dass er sich „emotional stets zu 100 Prozent eingebracht habe“, gebe ihm ein gutes Gefühl. Er nehme jedoch „aus Liebe“ zur Firma Abschied, die „ihre besten Tage vor sich“ habe.

Frau an der Spitze?

Ballmers Abschied komme zwar „ein wenig überraschend“, erklärte der führende Analyst Colin Gillis gegenüber der Nachrichtenagentur AP. Andererseits sei schon „jeder andere Firmenchef“ in der Branche ausgetauscht worden. Auch bei Microsoft sei während der letzten sieben Jahre das gesamte Management ausgewechselt worden. „Der einzige, den sie nicht getauscht haben, ist der CEO.“

Trotz des positiven Echos seitens der Investoren warnt Gillis vor „harten zwölf Monaten“, die dem Konzern bevorstünden - vor allem, weil Ballmer selbst seinen logischen Nachfolger Steven Sinofsky letztes Jahr vertrieben habe. Dem „Windows“-Verantwortlichen wurde der eher bescheidene Erfolg von Windows 8 zur Gänze angekreidet. Ballmer übertrug Sinofskys Agenden an die Entwicklerin Julie Larson-Green, die angeblich zu seinen engsten Vertrauten gehört und auch nun gute Karten haben soll.

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