Polizei stürmte Moschee
Die ägyptische Justiz verschärft ihre Gangart gegen die Muslimbruderschaft des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi. Wie die staatliche Nachrichtenagentur MENA am Samstagabend meldet, sind gegen 250 Anhänger der Bruderschaft Ermittlungen wegen Mordes, versuchten Mordes und Terrorismus eingeleitet worden.
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Nach den Zusammenstößen am Freitag wurden über 1.000 Anhänger der islamischen Gruppierung festgenommen. Mehr als 170 Personen waren am sogenannten „Tag des Zorns“ ums Leben gekommen. Seit der Eskalation der Gewalt nach der Räumung zweier Protestlager der Islamisten sind rund 800 Menschen getötet worden. Landesweit kommt es seit der Räumung von Protestlagern immer wieder zu Zusammenstößen zwischen Anhängern Mursis und den Sicherheitskräften. Am Samstag konzentrierten sich die Zusammenstöße auf die Hauptstadt Kairo sowie auf Alexandria.
Hunderte in Moschee verschanzt
Nach stundenlangen Feuergefechten räumten die Sicherheitskräfte die Fatah-Moschee im Zentrum Kairos, wo Hunderte Mursi-Anhänger Unterschlupf gesucht hatten. Dabei kam es zu zahlreichen Festnahmen. Seit Freitagnachmittag haben sich zahlreiche Unterstützer von Mursi in dem Gotteshaus verschanzt. Viele von ihnen verließen das von Sicherheitskräften und aufgebrachten Anrainern umstellte Gebäude Samstagfrüh. Den Berichten zufolge gingen die Anrainer teils mit Stöcken und Eisenstangen auf die Mursi-Anhänger los.

APA/EPA/Khaled Elfiqi
Ausschreitungen vor der Al-Fath-Moschee in Kairo
Die Anhänger des entmachteten Präsidenten waren am Freitag übriggeblieben, nachdem sich eine Großkundgebung der Muslimbruderschaft auf dem Ramses-Platz aufgelöst hatte. Zunächst war unklar, ob am vierten Tag der Gewaltwelle Menschen ums Leben gekommen sind. Größere Demonstrationen blieben am Samstag aus.
Bruder von Al-Kaida-Anführer verhaftet
Die Regierung ging im ganzen Land mit unverminderter Härte gegen die Islamisten vor. Unter den Festgenommenen war auch ein Bruder von Ayman al-Zawahiri, dem Anführer der Terrororganisation Al-Kaida. Mohammed al-Zawahiri sei an einer Straßensperre im Bezirk Guizeh festgenommen worden, hieß es am Samstag aus Sicherheitskreisen in der ägyptischen Hauptstadt. Ihm werde „Unterstützung“ von Mursi vorgeworfen.

Reuters/Mohamed Abd El Ghany
Islamisten versperren Eingänge der Al-Fath-Moschee
Sohn von Oberhaupt bei Unruhen getötet
Unterdessen wurde bekannt, dass der Sohn von Muslimbrüder-Oberhaupt Mohammed Badie, Ammar Badie, bei den Unruhen in Kairo am Freitag getötet worden ist. Das teilte der politische Arm der Muslimbrüder, die Partei für Freiheit und Gerechtigkeit, am Samstag auf seiner Facebook-Seite mit.
Ammar Badie sei an den Folgen einer Schussverletzung gestorben, die er am Freitag im Rahmen der Proteste auf dem Ramses-Platz erlitten habe, hieß es. Der momentane Aufenthaltsort seines Vaters Mohammed ist unbekannt. Er wurde wegen „Anstachelung zum Hass“ angeklagt, der Prozess gegen ihn soll am 25. August beginnen.

APA/AP/Hussein Talla
Sicherheitskräfte vor der Moschee
Widersprüchliche Signale von Führung
Widersprüchliche Signale kamen am Samstag von der ägyptischen Führung: Der ägyptische Übergangspräsident sicherte den Muslimbrüdern eine Teilhabe am politischen Übergangsprozess zu, sofern diese nicht für Gewalttaten verantwortlich sind. Auch die Muslimbrüder seien „willkommen, sich dem friedlichen Marsch der Ägypter in die Zukunft anzuschließen“, sagte ein Berater von Übergangspräsident Adli Mansur am Samstag vor Journalisten.
Übergangsregierungschef Hazem al-Beblawi sagte jedoch, es könne keine Aussöhnung mit denen geben, die „Blut an den Händen“ oder gegen das Gesetz verstoßen hätten. Er kündigte an, die Muslimbruderschaft verbieten zu wollen. Beblawi habe dem für die Zulassung von Nichtregierungsorganisationen zuständigen Sozialminister den Vorschlag unterbreitet, die Vereinigung auflösen zu lassen, erklärte ein Regierungssprecher am Samstag. Das Parlament müsse nun die Sache beraten.
Militär rechtfertigt hartes Vorgehen
Die Übergangsregierung hatte am Freitag ihr hartes Vorgehen auch gegen massive internationale Kritik gerechtfertigt und erklärt, sie müsse ein „terroristisches Komplott der Muslimbrüder“ niederschlagen. Mehrere Stadtviertel von Kairo erinnerten an Schlachtfelder. Allein in der Nähe des Ramses-Platzes wurden in Moscheen mindestens 39 Leichen gezählt, außerhalb von Kairo waren es nach Angaben vonseiten der Sicherheitskräfte bis zum Abend mindestens 44 Tote.
Banken sollen wieder öffnen
Trotz der anhaltenden Gewalt werden die Banken und die Börse am Sonntag wieder ihre Arbeit aufnehmen. Die Finanzinstitute werden von 9.00 bis 12.00 Uhr Ortszeit ihre Türen öffnen, wie die Zentralbank am Samstag mitteilte. Die Geldhäuser sind seit Mittwoch geschlossen. Der Aktienmarkt wird ebenfalls für drei Stunden und damit eine Stunde weniger als gewöhnlich für Handelsgeschäfte offen sein, wie die staatliche Nachrichtenagentur Mena meldete. Letztmals war am Donnerstag gehandelt worden.
Internationale Kritik an Gewalt
Aus Protest gegen die Gewalt der Sicherheitskräfte zog nach der Türkei auch Venezuela seinen Botschafter aus Ägypten ab. „Ich habe beschlossen, unseren Botschafter aus Kairo abzuziehen“, sagte Präsident Nicolas Maduro am Freitag in einer von den staatlichen Medien verbreiteten Rede. Mursi müsse wieder in sein Amt eingesetzt werden, „um einen nationalen Versöhnungsprozess des ägyptischen Volkes einzuleiten“. „Genug der Staatsstreiche, genug der Spaltung“, fügte er hinzu.
UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon zeigte sich beunruhigt über die wachsende Gewalt. In einer am Samstag in New York veröffentlichten Erklärung verurteilte Ban Angriffe auf Kirchen, Krankenhäuser und öffentliche Einrichtungen. Dies sei inakzeptabel. Er rief die Konfliktparteien zu äußerster Zurückhaltung auf. Sie sollten sich um Deeskalation bemühen. Die Regierung und die politischen Führer sollten einen glaubhaften Plan zur Eindämmung der Gewalt annehmen und den politischen Prozess wiederbeleben.
EU-Botschafter treffen sich in Brüssel
Sie beriet sich mit Frankreichs Staatschef Francois Hollande am Telefon. Am Montag wollen sich die EU-Botschafter in Brüssel zu einer Sondersitzung treffen. EU-Chefdiplomatin Catherine Ashton rief die Mitgliedsstaaten auf, „angemessene Maßnahmen“ zu ergreifen.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International verlangte am Samstag eine unabhängige Untersuchung des Blutbades vom Mittwoch. Die Reaktion der Behörden auf die Proteste sei „extrem unverhältnismäßig“, erklärte die Organisation. Die Sicherheitskräfte hätten offenbar nicht zwischen friedlichen und gewaltbereiten Demonstranten unterschieden und auch keine Versorgung von Verletzten zugelassen.
Angesichts der Gewalteskalation in Ägypten spricht sich Österreich für einen Stopp der milliardenschweren EU-Finanzhilfen für das arabische Land aus. „Bei den finanziellen Hilfen muss es Druck geben“, betonte Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) in einem Interview mit der Tageszeitung „Kurier“ (Sonntag-Ausgabe).
Spindelegger fordert Stopp von EU-Finanzhilfen
Angesichts der Gewalteskalation in Ägypten spricht sich Österreich für einen Stopp der milliardenschweren EU-Finanzhilfen für das arabische Land aus. „Bei den finanziellen Hilfen muss es Druck geben“, betonte Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) in einem Interview mit der Tageszeitung „Kurier“ (Sonntag-Ausgabe). „Die fünf Milliarden Euro müssen zurückgehalten werden, bis der Prozess wieder in Richtung Demokratie geht“, sagte er mit Blick auf das Sondertreffen der EU-Außenminister zu Ägypten kommende Woche.
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