Themenüberblick

Deutsche Regierung in der Bredouille

Der Druck auf die Deutsche Bahn (DB) und den deutschen Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) wächst im deutschen Wahlkampf wegen des Zugsdebakels auf dem Mainzer Hauptbahnhof. SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück kritisierte die Personalpolitik der Deutschen Bahn AG.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

„Hier wurde offenbar falsch gespart. Das rächt sich jetzt“, sagte er der „Passauer Neuen Presse“ (Dienstag-Ausgabe). Die DB-Mitarbeiter zu bestrafen und aus dem Urlaub zurückzuholen sei der falsche Weg. SPD-Bundestagsfraktionsvize Florian Pronold warf der Regierung der deutschen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eine Mitverantwortung vor.

Zahlreiche Züge fallen aus

Die deutschlandweiten Probleme in DB-Stellwerken sind größer als bisher angenommen. Bisher gehe es um Beeinträchtigungen in Amorbach-Beuchen (Bayern), Bebra, Berlin-Halensee, Berlin-Tempelhof, Lahnstein-Friedrichssegen (Rheinland-Pfalz), Mainz, Niederarnbach (Bayern) und Zwickau (Sachsen), sagte der für Bahnfragen zuständige Sprecher der Bundesnetzagentur, Rene Henn, am Dienstag.

Seit mehr als einer Woche fallen auf dem Mainzer Hauptbahnhof, einem Knotenpunkt, wegen Personalmangels Züge aus oder werden umgeleitet. Die Lage verschärfte sich am Montag, weil es nun auch tagsüber Einschränkungen gibt.

Lage könnte noch enger werden

Mit dem Ende der Ferien zu Beginn nächster Woche könnte die Situation auf dem Mainzer Hauptbahnhof allerdings noch enger werden. Der Zweckverband Schienenpersonennahverkehr für das südliche Rheinland-Pfalz (ZSPNV Süd) rechnet mit erheblich mehr Pendlern. Rund 14.000 mehr Ein- und Aussteiger würden es täglich sein, sagte der Vizedirektor des ZSPNV Süd, Gunther Enke. Außerhalb der Ferienzeit gebe es täglich 62.000 Ein- und Aussteiger.

SPD sieht Zwangsdividende als Auslöser

Als Grund für das Chaos sieht die SPD aufgezwungene Sparmaßnahmen. „Schwarz-Gelb hat der Bahn eine Zwangsdividende von einer halben Milliarde Euro pro Jahr auferlegt. Deshalb fehlt jetzt das Geld für Personal und Infrastruktur“, sagte Pronold, der im SPD-Wahlkampfteam für Verkehr zuständig ist, der Nachrichtenagentur dpa.

Ramsauer habe als DB-Eigentümer angesichts der Personalsituation geschlafen. „Er ist der Stillstandsminister dieser Regierung.“ Die SPD beantragte eine Sondersitzung des Bundestags-Verkehrsausschusses für Freitag.

Ramsauer kontert Steinbrück

Der attackierte Verkehrsminister Ramsauer wehrt sich und sieht auch die SPD in der Verantwortung. Ramsauer erklärte, es seien SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück als früherer Finanzminister und Wolfgang Tiefensee als Ex-Verkehrsminister (ebenfalls SPD) gewesen, welche „die Privatisierung der Bahn massiv vorangetrieben, das Unternehmen kostenmäßig ausgeblutet und so die Braut für den Börsengang geschmückt“ hätten. Das Personal sei während der Amtszeit der ehemaligen Minister „sträflich heruntergefahren“ worden.

Werfe die SPD der Bundesregierung heute Verfehlungen bei der Bahn-Personalpolitik vor, sei das ein Anzeichen für „politischen Gedächtnisschwund“, sagte Ramsauer. Nach der Großen Koalition aus CDU, CSU und SPD bis 2009 habe Schwarz-Gelb einen Kurswechsel vollzogen.

FDP nimmt auch die Grünen in die Pflicht

Auch der Generalsekretär des CDU/CSU-Regierungspartners FDP, Patrick Döring, gab der SPD Mitschuld und machte daneben den Grünen Vorwürfe. Die Oppositionsparteien hätten das von Schwarz-Gelb geplante Eisenbahn-Regulierungsgesetz im deutschen Bundesrat gestoppt, sagte Döring dem rbb-Inforadio. Dieses hätte der Bundesnetzagentur Eingriffsbefugnisse gegeben.

Der FDP-Bundestagsfraktionschef Rainer Brüderle schlug unterdessen eine neue Struktur der DB vor. „Ein freies Unternehmen im Wettbewerb könnte sich so etwas nicht leisten“, sagte er der Mainzer „Allgemeinen Zeitung“. Die Deutsche Bahn AG an die Börse zu bringen halte er „zum richtigen Zeitpunkt für überlegenswert“. Die Zugsausfälle nannte er eine „internationale Blamage“. Pronold lehnte hingegen die Vorschläge zum Börsengang ab. Der Chef des Verkehrsausschusses, Anton Hofreiter (Die Grünen), sagte in der ARD, das Grundproblem seien die hohen Renditevorgaben und die Steuerung.

Merkel: Ernstes Problem

Merkel rief unterdessen die DB auf, eine ausreichende Personalstärke sicherzustellen. „Es geht jetzt erst mal darum, dass ausgebildetes Personal da ist und dass man daran arbeitet, diese Personaldecke so auszustatten, dass auch in Krankheits- und Urlaubsfällen nicht jedes Mal Tausende von Menschen leiden müssen“, sagte Merkel am Dienstagabend in der Sendung „Forum Politik“ des TV-Senders Phoenix und des Deutschlandfunks.

Sie sei sehr froh, „dass die Bahn sich mit aller Ernsthaftigkeit der Sache angenommen hat“. Die Beeinträchtigungen in Mainz seien ein „sehr ernstes Problem“, sagte Merkel. „Die Bahn ist für viele Menschen lebenswichtig für die Ausübung ihres Berufs.“

Krisengipfel: Schrittweise Rückkehr zur Normalität

Unterdessen brachte ein Krisengipfel keine umgehende Entspannung. Die DB kann das Chaos auf dem Mainzer Hauptbahnhof trotz des großen Drucks nicht kurzfristig abstellen. Der Chef der DB-Tochter DB Netz, Frank Sennhenn, kündigte nach einem Krisengipfel aber Verbesserungen ab der nächsten Woche an. Ab Samstag (17. August) gelte zunächst nur an den Wochenenden wieder der normale Fahrplan, ab Montag (19. August) dann auch nachts, sagte Sennhenn in Mainz.

Zum Schulbeginn von Montag an sollten 85 Prozent der Züge zwischen und 6.00 und 8.00 Uhr wieder fahren. Zuvor war der Eindruck entstanden, dass es sich um die Zeit zwischen 6.00 und 20.00 handele. Ab dem letzten August-Wochenende wolle die DB dann zum normalen Betrieb zurückkehren, falls nicht weitere Fahrdienstleiter krank würden.

Bürgermeister: Bei weitem nicht genug

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) zeigte sich nicht zufrieden. Sie zog die Bilanz, „dass das Ergebnis nicht zufriedenstellend ist, aber dass es eine deutliche Linderung der Situation geben wird“. Dreyer forderte vom Bund als Eigentümer mehr Engagement. Der Bund solle außerdem weniger Geld aus der Bahn herausziehen. Der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) kritisierte: „Das ist bei weitem noch nicht genug.“

Links: