Natur als Opfer des Energiehungers
Hunderte Wasserkraftwerke sollen in den nächsten Jahren in der Himalaya-Region entstehen. Länder wie China, Indien, Nepal, Bhutan und Pakistan konkurrieren um die wertvolle Ressource Wasser. Umweltexperten sehen durch gewaltige Kraftwerkspläne die Zukunft der berühmten Gebirgskette bedroht.
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Der britische „Guardian“ berichtet von einem wahren „Wasserraub“ in der Region. Grund dafür ist der Energiehunger der Länder Indien, Nepal, Bhutan und Pakistan - geht es nach ihnen, sollen insgesamt rund 400 Wasserkraftwerke in dem wasserreichen Gebiet entstehen.
Enormes Energiepotenzial
Zusammen könnten diese mehr als 160.000 Megawattstunden Strom liefern - das ist in etwa dreimal so viel, wie beispielsweise Großbritannien verbraucht. Zusätzlich plant China etwa 100 neue Dämme in der Tibet-Region. Weitere 60 Projekte sollen entlang des Mekong-Flusses entstehen - dieser entspring ebenfalls in Tibet und fließt südwärts Richtung Südostasien. Einige der Dämme, die dort entstehen sollen, werden zu den größten der Welt gehören.

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Die Folge: Der Himalaya könnte in den nächsten 20 Jahren zur „am meisten aufgestauten Region weltweit“ werden, fürchtet Ed Grumbine, Umweltexperte von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften. „Wenn alle Dämme wie angekündigt gebaut werden, in 28 von 32 Flusstälern, würde der indische Himalaya mit einem Damm pro 32 Kilometer Flussbett eine der größten Dichten an Dämmen weltweit haben.“
Konsequenzen nicht abschätzbar
Die Region ist für die Wasserversorgung der angrenzenden Länder von enormer Bedeutung. Einige der größten Flüsse Asiens entspringen nördlich der Hauptkette des Himalaya: der Mekong, der Brahmaputra, der Yangtse und der Gelbe Fluss. Von den Bauplänen sei das Quellgebiet jener Flüsse betroffen, von denen nahezu die halbe Welt abhängig sei, erklärt Tashi Tsering, ein Wasserressourcenforscher an der University of British Columbia in Kanada, die Dramatik der Situation. „Das Endergebnis der Dammbildungen könnte desaströs sein. Wir kennen einfach die Konsequenzen nicht“, so Tsering.
„Krieg, ohne dass ein Schuss abgefeuert wird“
Das Rennen um die wertvolle Ressource Wasser spielt sich vor allem zwischen den beiden großen Mächten Indien und China ab. „China-Indien-Streitfragen haben sich vom Land zum Wasser verlagert. Das Thema Wasser ist die neue Kluft und wird zur zentralen Politfrage“, so Brahma Chellaney, indischer Geopolitik-Analyst, gegenüber dem „Guardian“. „Das ist quasi Krieg, ohne dass ein Schuss abgefeuert wird.“ Indien hat in dem Kampf einen entscheidenden geopolitischen Nachteil: Die Hälfte seines Wassers fließt nämlich direkt aus China nach Indien.

Corbis/Rob Howard
Bisher blieb der Großteil der Flüsse in der Himalaya-Region relativ unberührt
„China ist beteiligt am größten Wasserraub in der Geschichte“, so Chellaney. Das Land errichte nicht nur eigene Dämme auf dem Gebirgsplateau, sondern sei auch an der Finanzierung und den Bau von Megadämmen in anderen Ländern wie Pakistan, Laos und Burma beteiligt, um sich dort Macht zu sichern.
Die Baupläne Indiens wiederum werden von Bangladesch gefürchtet. Schon eine zehnprozentige Reduktion des Wassers, das aus Indien in das Land fließt, könnte in Bangladesch große Teile der Anbauflächen austrocknen. Der Großteil der 50 Millionen Kleinbauern in dem Land ist abhängig von Wasser aus dem benachbarten Indien.
Flüsse stellenweise trockengelegt?
Indien und China haben in den letzten 30 Jahren zig Millionen Menschen umgesiedelt, um Kraftwerke zu bauen. Wie viele jetzt betroffen sein könnten, ist aber noch völlig unklar. Die Pläne haben bereits zu Protesten der betroffenen Bevölkerung geführt. Die Behörden versuchen die Menschen zu beruhigen - viele der Dämme kämen ohne die riesigen Wasserreservoirs aus. Stattdessen soll das Wasser durch ein Tunnelsystem zu den Turbinen fließen. Kritiker sehen darin aber keine wirkliche Verbesserung: „Das würde den Flusslauf völlig verändern“, so Shripad Dharmadhikary, einer der führenden Gegner der Narmada-Dämme nahe Gujarat in Indien.
Auch wenn durch einen einzelnen Damm mit unterirdischem Tunnelsystem nur etwa 500 Menschen umgesiedelt werden müssten - da die Dämme den Flusslauf stoppen, könnten 20.000 Menschen betroffen sein, so Dharmadhikary. Für viele von ihnen würde das bedeuten, dass sie kein Grundwasser mehr zur Verfügung haben. „Es wird eine Zerstörung der Lebensgrundlagen der Menschen entlang aller Flüsse geben.“
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