Ertrag pro Kunden sinkt
Krisenbedingtes Sparen: Das herkömmliche Privatkundengeschäft europäischer Banken ist nach wie vor erstaunlich stabil. Trotzdem ist die Profitabilität des Retailsektors 2012 auf das niedrigste Niveau seit Beginn der Finanzkrise gesunken, erhob die Beratungsfirma A. T. Kearney in einer Studie. In Österreich ist die Profitabilität sogar um 25 Prozent eingebrochen.
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Ein Grund: Die Geldhäuser konzentrierten sich in den vergangenen Jahren sehr stark auf Osteuropa und waren „vom heimischen Markt abgelenkt“, sagte Bankenexpertin Daniela Chikova bei einer Pressekonferenz. 2012 hatte Österreich - gemeinsam mit Portugal - die schlechteste Cost-to-Income-Ratio von 76 Prozent.
Spanische Banken am effizientesten
Am kosteneffizientesten waren überraschenderweise spanische Banken (47 Prozent), sie hätten vor der Krise zu den effizientesten Geldhäusern gezählt und ihre Kosten während der Krise weiter reduziert, so Chikova. „Beachtlich“ findet die Kearney-Expertin, dass es portugiesischen Banken gelungen sei, ihre Kosten 2012 um ganze sieben Prozent zu drücken.
Die zweitbesten Werte, was das Verhältnis von Kosten zu Ertrag betrifft, hatten skandinavische Banken (50 Prozent), gefolgt von den britischen (53 Prozent) und den polnischen (55 Prozent). Schlecht schnitten die Banken dagegen in Deutschland (74 Prozent) und Frankreich (65 Prozent) ab. Dem Schlusslicht Österreich sei es nicht gelungen, die stagnierenden Umsätze mit Kostendämpfung zu kompensieren, konstatiert A. T. Kearney.
Österreich deutlich unter dem Schnitt
Beim Ertrag pro Kunden mussten Europas Banken ebenfalls spürbar Federn lassen. Dieser ist seit 2007 um 30 Prozent auf 144 Euro im Vorjahr abgesackt. Österreich hat sich auf 86 Euro verschlechtert (2011: 91 Euro) und lag deutlich unter dem Schnitt, aber „nahe an der Entwicklung von Deutschland, Frankreich und Großbritannien“, so Chikova.
Die Unterschiede innerhalb Europas waren auch hier enorm: Während spanische, portugiesische und italienische Banken mit jedem Retailkunden, den sie bedienen, Geld verlieren (der Verlust beträgt in diesen Ländern 19 Euro), nahmen die skandinavischen und Schweizer Institute 356 Euro pro Kunden ein. In diesen Ländern zahlen die Kunden beträchtlich mehr für Bankdienstleistungen: Die Schweizer geben der Studie zufolge 1.166 Euro im Jahr für Kreditzinsen, Kontogebühren und Co. aus, ein Bankkunde in Österreich legt 610 Euro auf den Tisch. Am wenigsten zahlten mit 305 Euro die Portugiesen.
Österreich steht bei faulen Krediten gut da
Ähnlich ist die Lage bei den Einnahmen pro Mitarbeiter. „Die Kluft wird jedes Jahr größer“, sagte Chikova. 2012 schwankte dieser Wert zwischen 120.000 Euro in Portugal und 445.000 Euro in Skandinavien. In Österreich nahm ein Bankmitarbeiter im Vorjahr nur noch 196.000 Euro ein, nach 199.000 Euro 2011. Der Median für Westeuropa lag im Vorjahr bei 202.000 Euro.
In puncto faule Kredite stehen Österreichs Banken im Privatkundengeschäft hingegen gut da. Die Risikovorsorge im Verhältnis zum Ertrag betrug hierzulande zuletzt zwölf Prozent und war damit fast auf dem Vorkrisenniveau von elf Prozent. Auch Osteuropa hat sich hier verbessert, dort lagen die Risiken 2012 nur noch bei 18 Prozent des Ertrags. Der europäische Schnitt betrug 16 Prozent. Massive Anstiege gab es in den Krisenländern Südeuropas: Italien, Spanien und Portugal verfügten 2012 über ein Risikovorsorge-Einkommensverhältnis von 46 Prozent. Heuer erwartet A. T. Kearney einen weiteren, wenn auch flacheren Anstieg. Die Entwicklung hänge stark an der wirtschaftlichen Lage, sagte Chikova.
Lage in Westeuropa „trüb“
Für 2013 sehen die Studienautoren von A. T. Kearney eine „Kaltwetterfront“ heraufziehen. „2012 war schwierig, 2013 wird sicherlich auch nicht einfach“, so Chikova. Aufgrund der wirtschaftlichen Unsicherheit hielten sich die Menschen mit größeren Anschaffungen weiter zurück, brauchten daher auch keine Bankkredite. „Ein bisschen eine Ausnahme“ seien Österreich, Deutschland und die Schweiz, „weil Immobilien als Investitionsmöglichkeit gesehen werden“.
Die Lage sei momentan je nach Region unterschiedlich. Skandinavien und die Schweiz hätten die Krise hinter sich gelassen, erwirtschafteten wieder solide Gewinne. In Westeuropa sei die Lage „trüb“, das Privatkundengeschäft sei zwar stabil geblieben, allerdings seien die Margen gering, die Zinsen niedrig, und es gebe wenig Raum, an der Kostenschraube zu drehen. Osteuropa sei auf Erholungskurs, wenngleich es auch dort große regionale Unterschiede gebe. Weiter „sehr stürmisch“ gehe es auf dem südeuropäischen Retailmarkt zu, und zwar hauptsächlich wegen der dramatisch angestiegenen Risikovorsorgen.
„Rolle der Filialen überdenken“
Der Gewinner der Krise im privaten Bankkundensegment war übrigens der Zahlungsverkehr. „Es gibt mehr und häufigere Transaktionen. Kleinbeträge werden elektronisch gezahlt.“ Hier prognostiziert A. T. Kearney einen deutlichen Anstieg bis 2020. Bei Kapitalmarktprodukten sehen die Studienautoren hingegen seit 2008 „nur wenige Fortschritte. Wir erwarten nicht, dass die Privatinvestoren zurückkommen.“ Schließlich hätten sich diese binnen zehn Jahren zweimal die Finger verbrannt: 2001 und 2008. Die Banken sollten ihren Kunden innovativere Produkte anbieten, so Chikova.
Weitere Empfehlung: Die Banken sollten die Rolle der Filiale überdenken. In Skandinavien beispielsweise führten die drei Großbanken in 70 Prozent der Filialen keine Transaktionen mehr durch („Bargeld kostet etwas“), sondern konzentrierten sich ausschließlich auf Beratung. Für Österreich kann sich Chikova keine weiteren großflächigen Filialschließungen vorstellen, meinte sie im Hinblick auf die jüngste Ankündigung der Bank Austria, 67 ihrer 270 klassischen Privatkundenfilialen in Österreich dichtzumachen. In Zukunft, so die Bankenexpertin, werde es mehr Bankfilialen in Postämtern, Supermärkten oder Kaffeehäusern geben.
„Auf bestimmte Kundengruppe konzentrieren“
Dringend angehen müssten die Austro-Geldhäuser auch die Kosten. Und: Banken sollten ihre Aufmerksamkeit auf Hauptprodukte richten, das seien Konto und Zahlungsverkehr. Ratsam wäre auch, sich auf eine bestimmte Kundengruppe zu konzentrieren, etwa überdurchschnittlich verdienende Jungakademiker und Frauen nach der Scheidung. A. T. Kearney hat die Studie nach Angaben Chikovas selbst finanziert. Untersucht wurden 93 Retailbanken in 24 Märkten, die zusammen knapp 530 Millionen Kunden haben. In Österreich haben die Berater Bank Austria, Raiffeisen, Erste/Sparkassen und die BAWAG unter die Lupe genommen.
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