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Indianerfedern statt Piratenkopftuch

Johnny Depp und Regisseur Gore Verbinski haben dem Disney-Konzern mit „Fluch der Karibik“ eine Filmerfolgsserie beschert, die ihresgleichen sucht. Nach dem Motto „Never Change a Winning Team“ sind die beiden vom Piraten- ins Westernfach gewechselt, um dort mit „Lone Ranger“ die Erfolgsgeschichte fortzuschreiben. Zumindest war das der Plan - der für Disney nicht aufgegangen ist.

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Im Gegenteil: Die Kritiken waren, euphemistisch gesprochen, durchwachsen, und auch finanziell erweist sich der vermeintliche Sommerblockbuster zu einem Film, auf den Disney vermutlich in Zukunft nicht gerne zurückblicken wird. Der Verlust durch den Westernfilm werde zwischen 160 und 190 Millionen Dollar liegen, teilte der Unterhaltungskonzern mit. Nach dem Filmstart Anfang Juli wurden an den Kinokassen in den USA und Kanada am ersten Wochenende Karten für nur 29 Millionen Dollar verkauft.

Szene aus dem Film "Lone Ranger" mit Johnny Depp als Tonto und Armie Hammer als "The Lone Ranger"

Disney Enterprises, Inc. and Jerry Bruckheimer Inc.

Johnny Depp mit traurig-finsterem Blick: eine Miene, die er seit vielen Jahren übt

„Fad“, „charmelos“, „aufgeblasenes Durcheinander“ und ähnliche Attribute wurden „Lone Ranger“ in den US-Kritiken zugeschrieben. Damit bestätigt sich einmal mehr die Theorie, dass sich Western nur sehr bedingt als große Sommerblockbuster eignen - unabhängig von Besetzung und Budget. „Wild Wild West“ mit Will Smith floppte einst ebenso gnadenlos wie „Cowboys & Aliens“ vor zwei Jahren und jetzt „Lone Ranger“.

„Überzogene Erwartungen“ schuld an Misserfolg

Für den erfolgsverwöhnten Depp sind überzogene Erwartungen am Misserfolg schuld: Die Erwartungen der Filmexperten seien so hoch gewesen, da sie dachten, „Lone Ranger“ sei ein absoluter Blockbuster. Außerdem hätten sie dem Film von vornherein keine Chance gegeben. Der Hollywood-Star beschwert sich: „Ich denke, die Kritiken wurden sieben bis acht Monate vor Veröffentlichung des Films geschrieben.“

Geunkt wurde jedenfalls schon lange vor der Filmpremiere. Verzögerungen während des Drehs, ein tödlicher Unfall am Set und ein explodierendes Produktionsbudget, das schließlich zu einer vorübergehenden Einstellung der Dreharbeiten führte, waren ein gefundenes Fressen für diejenigen, die dem Projekt von vorneherein skeptisch gegenüberstanden.

Rassismusvorwurf wegen Tonto-Darstellung

Auch Depps Darstellung des Comanchen Tonto in „Lone Ranger“ wurde als rassistisch kritisiert. Kevin Gover, Direktor des American Indian Museum und selbst ein Pawnee, beruhigte: „Depps Darstellung ist nicht beleidigend - nur etwas seltsam.“ Depp beeilte sich zu versichern, dass er ohnehin von amerikanischen Ureinwohnern abstamme. Seiner Uroma habe man diese Abtammung noch angesehen, so der Schauspieler. „Wir wuchsen auf in dem Wissen, dass wir ein wenig Indianerblut haben. Darauf war ich immer sehr stolz“, erzählte er.

Mit dem Western wolle er ein klein wenig wieder gutmachen, was den Ureinwohnern angetan wurde, fügte er noch hinzu. Denn: „Das ist ein Teil der Geschichte, der in Büchern gern vergessen wird. Geschichte wird eben immer von den Gewinnern geschrieben.“ Der Umgang mit den Ureinwohnern beschäftige ihn sehr. „Es ist eine Leidenschaft.“

Buster Keaton im Wilden Westen

Im Film spielt der 50-Jährige in stoischer Buster-Keaton-Manier Tonto, einen Indianer mit schwarzen Streifen im weiß angemalten Gesicht und einer ausgestopften Krähe und Federn auf dem Kopf. In einem Museum ausgestellt, erzählt er einem kleinen Buben die absurde Geschichte seiner Zeit mit dem „Lone Ranger“ in den späten 1860er Jahren in Texas. John Reid (Armie Hammer) ist in dieser Geschichte ein naiver Law-School-Absolvent, der als neuer Ranger Jagd auf den Schurken Butch Candish macht und in einen Hinterhalt gerät. Während alle seine Mitstreiter umkommen, schwört er - fortan maskiert - Rache.

Ohne Tonto wäre Reid jedoch aufgeschmissen, über ihn kommt der „einsame Held“ auch zu seinem eigenwilligen Hengst namens Silver und der skrupellosen Bande bald auf die Spur. Und er musst auch feststellen, dass es eigentlich um viel mehr geht - schließlich wird die gesamte amerikanische Erfolgsgeschichte der einstigen Zusammenführung einer Nation durch den Bau der Eisenbahn in ein äußerst fragwürdiges Licht gerückt. Diese für den Film gewählte Perspektive dürfte durchaus auch am amerikanisch-kapitalistischen Selbstverständnis kratzen.

Depp traut seinem Erfolg nicht

Für Depp ist die Schlappe des Films enttäuschend, auch wenn er seinem Erfolg alles in allem ohnehin nie ganz getraut haben will. „Ich rechne immer noch jeden Tag damit, dass man mich als Betrüger in Ketten abführt“, sagte er in einem Interview mit dem Magazin „Cover“. „Neulich gewann ich irgendeinen Preis und sah einen Zusammenschnitt aus Szenen meiner Karriere. Mein einziger Gedanke: Unglaublich, dass ich ernsthaft damit durchgekommen bin.“

Er wundere sich, zu den großen Stars in Hollywood zu gehören, weil er „das Spiel um Ruhm und Aufmerksamkeit immer verweigert“ habe. Sein 50. Geburtstag habe ihm keine Angst eingejagt, versicherte Depp. „Es gibt ja dummerweise nur eine Alternative zum Altern: es sein zu lassen und allein unter der Erde zu liegen.“ Er sei jedes Jahr aufs Neue gespannt, was an Falten und Abenteuern hinzukomme.

Karriereende absehbar?

Trotz allem kann er sich vorstellen, bald mit der Schauspielerei aufzuhören. Im BBC-Frühstücksfernsehen erklärte er, er werde „nicht jeden Moment“ das Handtuch werfen, aber der Zeitpunkt des Aufhörens sei „wohl nicht mehr weit weg“. Er beschrieb das Leben eines Schauspielers als etwas verrückt, besonders wenn man bedenke, dass man in manchem Jahr mehr erfundene Dialoge spreche als eigene Gespräche zu führen.

Depp ließ durchblicken, dass er noch bei einer weiteren Fortsetzung der Filmreihe „Pirates of the Caribbean“ („Fluch der Karibik“) mitspielen könnte. Für Disney könnte das ein kleiner Trost sein, mit Piraten lässt sich, so hat die Vergangenheit gezeigt, mehr Geld verdienen als mit Cowboys und Indianern.

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